Verliehen wurden am 6. Dezember 2010 drei Preise an:
1.Preis | 2.Preis | 2.Preis |
Martin Neuhauser
Horgen |
Marco Weibel
Erlenbach |
Nico Altwegg
Wetzikon |
Zecken: Überträger von FSME und Lyme-Borreliose. | Neokolonialismus und Waldzerstörung in Madagaskar | Borrelien in Zecken. Eine Untersuchung des Durchseuchungsgrades im Gebiet um Wetzikon. |
KS Freudenberg | KS MNG Rämibühl | KS Zürcher Oberland |
Jedes Jahr erkranken in der Schweiz 100-200 Menschen an Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME) und etwa 3000 Menschen an Lyme-Borreliose. Der Erreger der FSME ist
ein Virus (Familie: Flaviviren), während das Bakterium Borrelia burgdorferi (Familie: Spirochäten) für die Lyme-Krankheit verantwortlich ist. Beide Erreger werden
von Zecken übertragen, bei uns vorwiegend vom Gemeinen Holzbock (Ixodes ricinus).
Unter dem Titel «ein Zeckenleben» beschreibt Martin Neuhauser im theoretischen Teil seiner Maturarbeit ausführlich, wo diese «kleinen Monster» leben, wie sie
ihren Wirt finden zum Blutsaugen, wie sie sich fortpflanzen und welche Entwicklungszyklen sie durchlaufen. Dabei erfahren wir viel Wissenswertes, z.B. dass die
Larve sechs Beine hat, die Nymphe und das adulte Tier aber deren acht; dass Zecken mit ihren Mundwerkzeugen stechen und nicht beissen; dass sie an den Vorderbeinen
ein Sinnesorgan tragen, welches Vibrationen, Wärme und Ausdünstungen des Wirtes wahrnimmt; dass sie bis 18 Monate hungern können, wenn ihnen kein Wirt begegnet.
Anschliessend geht er auf die durch Zecken übertragenen Krankheiten ein, vor allem auf die im Vergleich zur FSME weniger bekannte Borreliose. Hier erfahren wir,
dass die Borrelien im Darm der Zecke sitzen und erst mehrere Stunden nach Beginn des Saugaktes in den Körper des Wirtes gelangen. Deshalb sollte man nach dem
Verlassen eines Zeckengebietes den Körper auf Zecken absuchen und diese mit einer Pinzette möglichst nah am Kopf entfernen. Ist eine Infektion erfolgt, so
lassen sich etwa drei Wochen später Antikörper im Blut nachweisen, die gegen Oberflächenproteine der Borrelien gerichtet sind.
Im praktischen Teil schreibt Neuhauser: «der beste Schutz wäre, es gar nicht zu einem Zeckenstich kommen zu lassen». Deshalb testet er vier verschiedene
Repellentien auf ihre Zecken-abstossende Wirksamkeit in einem grossen Feldversuch. Er scheut dabei keine Mühe, informiert sich zuerst bei K-Tipp über Testmethoden,
beschafft sich Material von der Hochschule Wädenswil für den Zeckenfang, fängt im Sihlwald hunderte von Nymphen und etwa ein Dutzend adulte Tiere, setzt jeweils
fünf Zecken in ein Terrarium und misst deren durchschnittliche Fluchtdistanz von einem mit Repellens getränkten Wattebausch. Die Versuche umfassen die nötigen
Kontrollen, werden sauber protokolliert und statistisch ausgewertet. Der Testsieger heisst Anti-Brumm®, gefolgt von einem natürlichen Bärlauch-Extrakt der Hochschule
Wädenswil. Allerdings lässt sich mit den verfügbaren Daten der Sieger nur in der Tendenz, nicht signifikant ermitteln. Zudem könnte die abstossende Wirkung auch auf
Lösungsmitteln (z.B. Ethanol) beruhen statt auf Inhaltsstoffen. Der Autor diskutiert dies sorgfältig und schlägt vor, wie er die Versuche im zweiten Durchgang
verbessern würde. Gesamthaft zeugt die 63 Seiten umfassende, gut geschriebene Arbeit von grosser wissenschaftlicher Reife.
Prof. Martin Schwyzer Virologisches Institut, Vetsuisse-Fakultät, Universität Zürich
Marco Weibel zeigt mit seiner Maturaarbeit, dass es junge Leute gibt. die besonders sensibel für die Probleme der Übernutzung der natürlichen Ressourcen
unseres Planeten sind. Herr Weibel hatte das grosse Glück, mit seiner Tante und seinem Cousin eine gemeinsame Reise nach Madagaskar machen zu können. Die vorliegende
Maturaarbeit ist ein mit Engagement geschriebener Erlebnisbericht eines kritischen Maturanden, der mit offenen Augen der Waldzerstörung in grossen Teilen von
Madagaskar begegnet und dabei beginnt, Fragen zu stellen, die Rohstoffhändlern und Global Players kaum mehr in den Sinn kommen. Das Engagement von Marco Weibel
deckt sich mit dem Einsatz seiner Tante Regula Ochsner, die mit der Gründung der Hilfsorganisation ADES (Association pour le Développement de l'Energie Solaire)
den Einheimischen vor Ort bereits gezeigt hat, wie man mit Sonnenkochern Brennholz und Holzkohle einsparen und damit die letzten madagassischen Naturwälder vor
dem Abholzen bewahren kann.
Doch was genau ist „Neokolonialismus“? Anstelle einer zu engen Begriffsdefinition erwähnt Marco Weibel in Text und Bild zahlreiche Beispiele von „Landnahme“
(engl. „Land Grabbing“) auf Madagaskar. Dabei wird aufgezeigt, wie lokale Machthaber und Unternehmer in Madagaskar und anderen Drittweltländern mit den
„neuen Ausbeutern“ aus den Industrieländern zusammenarbeiten. Das tönt mit Weibels eigenen Worten etwa so: „Madagaskar ist ein Land, das Lebensmittel importiert,
obwohl ein Grossteil seiner Bevölkerung in der Landwirtschaft tätig ist. Die ehemalige Regierung unter Marc Ravalomanana versuchte 1.3 Millionen Hektaren
fruchtbares Agrarland an das südkoreanische Unternehmen Daewoo Logistics zu verpachten… Die Landfläche, die für 99 Jahre dem Konzern gehört hätte, entspricht
knapp der Hälfte des fruchtbaren Ackerlandes von Madagaskar. Daewoo Logistics wollte Futtermais für Schweine und Ölpalmen für die Biodieselproduktion anbauen.
Die gesamten Ernteerträge aus diesen Monokulturen wären nach Südkorea geliefert worden. Im Gegenzug hätte der Konzern Strassen, Schulen und Häfen gebaut…
Mit diesem beabsichtigten Landhandel schaufelte sich die Regierung ihr eigenes Grab. Er war einer der Gründe, die zu den schweren Unruhen in Madagaskar führten.
Andriy Rajoelina stürzte nach erbittertem Wahlkampf mit Hilfe des Militärs Ravalomanana. Er warf dem ehemaligen Präsidenten und seiner Regierung Korruption und
Bereicherung vor. Der Vertragsabschluss mit Daewoo Logistics wurde verschoben. Die Landnahme in Madagaskar geht aber dennoch weiter, heute unter dem neuen
Präsidenten.“ Auf diesen Text folgt in Weibels Maturaarbeit eine Übersicht mit aktuellen Beispielen von „Foreign Direct Investment“ in landwirtschaftliche
Anbauflächen von Madagaskar… Weibels Reiseschilderungen lesen sich leicht; sie lösen jedoch beim Leser mehrfach Betroffenheit aus: „Wenn wir in Dörfer kamen,
begleitete uns das ständige Rufen und Lachen der Kinder… Überall wurden wir sofort begrüsst. Die aufgestellte herzliche Art und die Freundlichkeit der Menschen
begleiteten uns während den ganzen zwei Wochen… Doch all diesen wunderschönen Erlebnissen standen auch immer negative Bilder gegenüber. Die Armut war manchmal
so gross, dass es schwer war sie zu ertragen. Die Leute freuten sich schon riesig über ein paar geschenkte PET-Flaschen, die sie für alles Mögliche weiter
verwenden wie zum Beispiel einen Dachrinnenabfluss.“ Zu den wissenschaftlichen Kapiteln von Weibels Maturaarbeit gehören (1) eine während der Reise gemachte
Umfrage bei der einheimischen Bevölkerung in Madagaskar, und (2) ein Interview mit Roger Graf, dem Leiter Information und Edukation im Zürcher Zoo. Graf hat
als Madagaskar-Experte mitgeholfen, die Masoalahalle zu realisieren. Auf Weibels Frage „Ist der noch bestehende Regenwald auf Masoala Ihrer Meinung nach
ausreichend geschützt?“ antwortete Graf: „Masoala ist sicherlich eines der bestgeschützten Gebiete auf Madagaskar. Das will aber nicht viel heissen. Die
grösste Gefahr kommt nicht von unmotiviertem Parkpersonal und zu wenig Geld, sondern von der Willkür der Behörden. Sollte sich eine zukünftige Regierung
die Sache anders überlegen, ist es denkbar, dass Masoala vielleicht kein Nationalpark mehr ist und Holzeinschlag-lizenzen für das Gebiet ausgegeben werden.
Ein Horrorszenario, aber denkbar.“ —Marco Weibel zieht aus seiner informativen und schön illustrierten Arbeit folgenden wichtigen Schluss: „Für mich ist der
Neokolonialismus unethisch und unverantwortlich. Durch solche Landdeals sind Unruhen und Probleme in den jeweiligen Ländern vorprogrammiert… Es müssten
Gesetze erlassen werden, die die Rechte der betroffenen lokalen Bevölkerung schützen, sodass die Bauern nicht von ihrem Grund und Boden vertrieben werden können.“
Prof. Rolf Rutishauser, Botanischer Garten Zürich
Ein Zeckenstich wäre völlig ungefährlich, würden die Zecken nicht Krankheitserreger beherbergen. Tatsächlich ist jede Zecke als potentieller Überträger von
Bakterien (Borreliose) und Viren (FSME) zu betrachten; längst nicht jede Zecke trägt aber die Erreger in sich. Untersuchungen zum Durchseuchungsgrad in Zecken
lassen das Krankheitsrisiko bei Aufenthalt von Menschen in Zeckengebieten besser abschätzen.
Nico Altwegg beschreibt zuerst den Körperbau und den Lebenszyklus von Zecken, geht dann auf den Saugakt ein und erwähnt, dass der Wirt meist nichts davon
spürt, weil die Zecke ein Betäubungsmittel abgibt. Mit dem Saugakt gelangen die Erreger in die Blutbahn des Wirtes, weil die Zecke die nahrhaften Bestandteile
des Blutes herausfiltert und den Überschuss dem Wirt zurückgibt. Die menschlichen Krankheiten Lyme-Borreliose und FSME, wie auch die in der Veterinärmedizin
wichtigen Krankheiten Ehrlichiose und Babesiose werden kurz und prägnant beschrieben.
Im praktischen Teil sammelt Altwegg in vier Waldgebieten um Wetzikon Zecken mit der «Fahnenmethode». Er schleppt ein weisses Tuch, auf dem zwei Tropfen
Buttersäure als Lockstoff liegen, über das hohe Gras und durch das Unterholz. Die erbeuteten Zecken werden einzeln eingefroren und später auf Borrelien-DNA
untersucht. Der Autor führt die Analysen selbst durch; er darf sich aber im bioanalytischen Labor seines Vaters auf modernste Methoden und Apparaturen stützen.
Zuerst wird die DNA im «easyMAG» extrahiert, dann wird mit der «Polymerase Chain Reaction» (PCR) ein bestimmter Abschnitt der Borrelien-DNA nachgewiesen. Das
Prinzip wird gut erklärt. Der gefundene Durchseuchungsgrad liegt zwischen 15% (Rossweidliwald) und 57% (Moosholz); das Risiko, eine infizierte Zecke zu erwischen,
scheint jedoch im Schöneichwald am grössten, da dort die Fahnenmethode eine grössere Zeckenausbeute ergab. Leider wird nicht erwähnt, welche Zeckenstadien gefangen
wurden, aber insgesamt ist eine sehr ansprechende Arbeit entstanden.
Prof. Martin Schwyzer Virologisches Institut, Vetsuisse-Fakultät, Universität Zürich
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