Martin Neuhauser Marco Weibel Nico Altwegg
Naturforschende Gesellschaft in Zürich
Die Preisträger des Jugendpreises der Naturforschenden Gesellschaft des Jahres 2011

Verliehen wurden am 6. Dezember 2010 drei Preise an:
 

1.Preis 2.Preis 2.Preis
Martin Neuhauser, Marco Weibel, Nico Altwegg
Martin Neuhauser
Horgen
Marco Weibel
Erlenbach
Nico Altwegg
Wetzikon
Zecken: Überträger von FSME und Lyme-Borreliose. Neokolonialismus und Waldzerstörung in Madagaskar Borrelien in Zecken. Eine Untersuchung des Durchseuchungsgrades im Gebiet um Wetzikon.
KS Freudenberg KS MNG Rämibühl KS Zürcher Oberland

Jugendpreis 2011 der Naturforschenden Gesellschaft in Zürich

Von rund der Hälfte der Zürcher Gymnasien erhielt die Naturforschende Gesellschaft hervorragende Maturarbeiten für den Jugendpreis 2011 und zwar aus den Bereichen Biologie, Chemie, Geographie und Informatik. Am besten gefielen der Jury zwei Arbeiten, in denen die Autoren intensiv und kreativ verschiedenen Fragen zum Thema Zecken nachgingen sowie eine Arbeit, die im Rahmen einer Reise nach Madagaskar entstanden war.
Die drei Preisträger wurden im Rahmen des letzten NGZH-Vortrages des Herbstsemesters am 5. Dezember 2011 an der Universität Zürich geehrt.

Gewinner des Jugendpreises 2011:
Martin Neuhauser, Horgen
Thema: Zecken: Überträger von FSME und Lyme-Borreliose
Betreuer: Reto Beeli, Kantonsschule Freudenberg

Zweite Preise:
Nico Altwegg, Wetzikon
Thema: Borrelien in Zecken - Eine Untersuchung des Durchseuchungsgrades im Gebiet um Wetzikon
Betreuer: Christian Heller-Wessa, Kantonschule Zürcher Oberland

Marco Weibel, Erlenbach
Thema: Neokolonialismus und Waldzerstörung in Madagaskar
Betreuer: Christian Schmidtpeter, Mathematisch-naturwissenschaftliches Gymnasium Rämibühl

Den Preisträgern wurden 500 bzw. 250 Franken sowie je eine Urkunde überreicht. Zudem erhalten alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer als Anerkennung für ihren – ausserordentlichen Einsatz und die hohe Qualität ihrer Maturitätsarbeiten – eine NGZH-Mitgliedschaft für das Jahr 2012.

Felix Stauffer
Laudatio zum 1. Preis
für Martin Neuhauser
Zecken: Überträger von FSME und Lyme-Borreliose
Kantonsschule Freudenberg
Betreuer: Reto Beeli

Jedes Jahr erkranken in der Schweiz 100-200 Menschen an Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME) und etwa 3000 Menschen an Lyme-Borreliose. Der Erreger der FSME ist ein Virus (Familie: Flaviviren), während das Bakterium Borrelia burgdorferi (Familie: Spirochäten) für die Lyme-Krankheit verantwortlich ist. Beide Erreger werden von Zecken übertragen, bei uns vorwiegend vom Gemeinen Holzbock (Ixodes ricinus).
Unter dem Titel «ein Zeckenleben» beschreibt Martin Neuhauser im theoretischen Teil seiner Maturarbeit ausführlich, wo diese «kleinen Monster» leben, wie sie ihren Wirt finden zum Blutsaugen, wie sie sich fortpflanzen und welche Entwicklungszyklen sie durchlaufen. Dabei erfahren wir viel Wissenswertes, z.B. dass die Larve sechs Beine hat, die Nymphe und das adulte Tier aber deren acht; dass Zecken mit ihren Mundwerkzeugen stechen und nicht beissen; dass sie an den Vorderbeinen ein Sinnesorgan tragen, welches Vibrationen, Wärme und Ausdünstungen des Wirtes wahrnimmt; dass sie bis 18 Monate hungern können, wenn ihnen kein Wirt begegnet. Anschliessend geht er auf die durch Zecken übertragenen Krankheiten ein, vor allem auf die im Vergleich zur FSME weniger bekannte Borreliose. Hier erfahren wir, dass die Borrelien im Darm der Zecke sitzen und erst mehrere Stunden nach Beginn des Saugaktes in den Körper des Wirtes gelangen. Deshalb sollte man nach dem Verlassen eines Zeckengebietes den Körper auf Zecken absuchen und diese mit einer Pinzette möglichst nah am Kopf entfernen. Ist eine Infektion erfolgt, so lassen sich etwa drei Wochen später Antikörper im Blut nachweisen, die gegen Oberflächenproteine der Borrelien gerichtet sind.
Im praktischen Teil schreibt Neuhauser: «der beste Schutz wäre, es gar nicht zu einem Zeckenstich kommen zu lassen». Deshalb testet er vier verschiedene Repellentien auf ihre Zecken-abstossende Wirksamkeit in einem grossen Feldversuch. Er scheut dabei keine Mühe, informiert sich zuerst bei K-Tipp über Testmethoden, beschafft sich Material von der Hochschule Wädenswil für den Zeckenfang, fängt im Sihlwald hunderte von Nymphen und etwa ein Dutzend adulte Tiere, setzt jeweils fünf Zecken in ein Terrarium und misst deren durchschnittliche Fluchtdistanz von einem mit Repellens getränkten Wattebausch. Die Versuche umfassen die nötigen Kontrollen, werden sauber protokolliert und statistisch ausgewertet. Der Testsieger heisst Anti-Brumm®, gefolgt von einem natürlichen Bärlauch-Extrakt der Hochschule Wädenswil. Allerdings lässt sich mit den verfügbaren Daten der Sieger nur in der Tendenz, nicht signifikant ermitteln. Zudem könnte die abstossende Wirkung auch auf Lösungsmitteln (z.B. Ethanol) beruhen statt auf Inhaltsstoffen. Der Autor diskutiert dies sorgfältig und schlägt vor, wie er die Versuche im zweiten Durchgang verbessern würde. Gesamthaft zeugt die 63 Seiten umfassende, gut geschriebene Arbeit von grosser wissenschaftlicher Reife.

Prof. Martin Schwyzer Virologisches Institut, Vetsuisse-Fakultät, Universität Zürich

Laudatio zum 2. Preis
für Marco Weibel
Neokolonialismus und Waldzerstörung in Madagaskar
Kantonsschule MNG Rämibühl Zürich
Betreuer: Christian Schmidtpeter

Marco Weibel zeigt mit seiner Maturaarbeit, dass es junge Leute gibt. die besonders sensibel für die Probleme der Übernutzung der natürlichen Ressourcen unseres Planeten sind. Herr Weibel hatte das grosse Glück, mit seiner Tante und seinem Cousin eine gemeinsame Reise nach Madagaskar machen zu können. Die vorliegende Maturaarbeit ist ein mit Engagement geschriebener Erlebnisbericht eines kritischen Maturanden, der mit offenen Augen der Waldzerstörung in grossen Teilen von Madagaskar begegnet und dabei beginnt, Fragen zu stellen, die Rohstoffhändlern und Global Players kaum mehr in den Sinn kommen. Das Engagement von Marco Weibel deckt sich mit dem Einsatz seiner Tante Regula Ochsner, die mit der Gründung der Hilfsorganisation ADES (Association pour le Développement de l'Energie Solaire) den Einheimischen vor Ort bereits gezeigt hat, wie man mit Sonnenkochern Brennholz und Holzkohle einsparen und damit die letzten madagassischen Naturwälder vor dem Abholzen bewahren kann.
Doch was genau ist „Neokolonialismus“? Anstelle einer zu engen Begriffsdefinition erwähnt Marco Weibel in Text und Bild zahlreiche Beispiele von „Landnahme“ (engl. „Land Grabbing“) auf Madagaskar. Dabei wird aufgezeigt, wie lokale Machthaber und Unternehmer in Madagaskar und anderen Drittweltländern mit den „neuen Ausbeutern“ aus den Industrieländern zusammenarbeiten. Das tönt mit Weibels eigenen Worten etwa so: „Madagaskar ist ein Land, das Lebensmittel importiert, obwohl ein Grossteil seiner Bevölkerung in der Landwirtschaft tätig ist. Die ehemalige Regierung unter Marc Ravalomanana versuchte 1.3 Millionen Hektaren fruchtbares Agrarland an das südkoreanische Unternehmen Daewoo Logistics zu verpachten… Die Landfläche, die für 99 Jahre dem Konzern gehört hätte, entspricht knapp der Hälfte des fruchtbaren Ackerlandes von Madagaskar. Daewoo Logistics wollte Futtermais für Schweine und Ölpalmen für die Biodieselproduktion anbauen. Die gesamten Ernteerträge aus diesen Monokulturen wären nach Südkorea geliefert worden. Im Gegenzug hätte der Konzern Strassen, Schulen und Häfen gebaut… Mit diesem beabsichtigten Landhandel schaufelte sich die Regierung ihr eigenes Grab. Er war einer der Gründe, die zu den schweren Unruhen in Madagaskar führten. Andriy Rajoelina stürzte nach erbittertem Wahlkampf mit Hilfe des Militärs Ravalomanana. Er warf dem ehemaligen Präsidenten und seiner Regierung Korruption und Bereicherung vor. Der Vertragsabschluss mit Daewoo Logistics wurde verschoben. Die Landnahme in Madagaskar geht aber dennoch weiter, heute unter dem neuen Präsidenten.“ Auf diesen Text folgt in Weibels Maturaarbeit eine Übersicht mit aktuellen Beispielen von „Foreign Direct Investment“ in landwirtschaftliche Anbauflächen von Madagaskar… Weibels Reiseschilderungen lesen sich leicht; sie lösen jedoch beim Leser mehrfach Betroffenheit aus: „Wenn wir in Dörfer kamen, begleitete uns das ständige Rufen und Lachen der Kinder… Überall wurden wir sofort begrüsst. Die aufgestellte herzliche Art und die Freundlichkeit der Menschen begleiteten uns während den ganzen zwei Wochen… Doch all diesen wunderschönen Erlebnissen standen auch immer negative Bilder gegenüber. Die Armut war manchmal so gross, dass es schwer war sie zu ertragen. Die Leute freuten sich schon riesig über ein paar geschenkte PET-Flaschen, die sie für alles Mögliche weiter verwenden wie zum Beispiel einen Dachrinnenabfluss.“ Zu den wissenschaftlichen Kapiteln von Weibels Maturaarbeit gehören (1) eine während der Reise gemachte Umfrage bei der einheimischen Bevölkerung in Madagaskar, und (2) ein Interview mit Roger Graf, dem Leiter Information und Edukation im Zürcher Zoo. Graf hat als Madagaskar-Experte mitgeholfen, die Masoalahalle zu realisieren. Auf Weibels Frage „Ist der noch bestehende Regenwald auf Masoala Ihrer Meinung nach ausreichend geschützt?“ antwortete Graf: „Masoala ist sicherlich eines der bestgeschützten Gebiete auf Madagaskar. Das will aber nicht viel heissen. Die grösste Gefahr kommt nicht von unmotiviertem Parkpersonal und zu wenig Geld, sondern von der Willkür der Behörden. Sollte sich eine zukünftige Regierung die Sache anders überlegen, ist es denkbar, dass Masoala vielleicht kein Nationalpark mehr ist und Holzeinschlag-lizenzen für das Gebiet ausgegeben werden. Ein Horrorszenario, aber denkbar.“ —Marco Weibel zieht aus seiner informativen und schön illustrierten Arbeit folgenden wichtigen Schluss: „Für mich ist der Neokolonialismus unethisch und unverantwortlich. Durch solche Landdeals sind Unruhen und Probleme in den jeweiligen Ländern vorprogrammiert… Es müssten Gesetze erlassen werden, die die Rechte der betroffenen lokalen Bevölkerung schützen, sodass die Bauern nicht von ihrem Grund und Boden vertrieben werden können.“

Prof. Rolf Rutishauser, Botanischer Garten Zürich

Laudatio zum 2. Preis
für Nico Altwegg
Borellien in Zecken, Eine Untersuchung des Durchseuchungsgrades im Gebiet um Wetzikon.
Kantonsschule Zürcher Oberland
Betreuer: Christian Heller-Wessa

Ein Zeckenstich wäre völlig ungefährlich, würden die Zecken nicht Krankheitserreger beherbergen. Tatsächlich ist jede Zecke als potentieller Überträger von Bakterien (Borreliose) und Viren (FSME) zu betrachten; längst nicht jede Zecke trägt aber die Erreger in sich. Untersuchungen zum Durchseuchungsgrad in Zecken lassen das Krankheitsrisiko bei Aufenthalt von Menschen in Zeckengebieten besser abschätzen.
Nico Altwegg beschreibt zuerst den Körperbau und den Lebenszyklus von Zecken, geht dann auf den Saugakt ein und erwähnt, dass der Wirt meist nichts davon spürt, weil die Zecke ein Betäubungsmittel abgibt. Mit dem Saugakt gelangen die Erreger in die Blutbahn des Wirtes, weil die Zecke die nahrhaften Bestandteile des Blutes herausfiltert und den Überschuss dem Wirt zurückgibt. Die menschlichen Krankheiten Lyme-Borreliose und FSME, wie auch die in der Veterinärmedizin wichtigen Krankheiten Ehrlichiose und Babesiose werden kurz und prägnant beschrieben.
Im praktischen Teil sammelt Altwegg in vier Waldgebieten um Wetzikon Zecken mit der «Fahnenmethode». Er schleppt ein weisses Tuch, auf dem zwei Tropfen Buttersäure als Lockstoff liegen, über das hohe Gras und durch das Unterholz. Die erbeuteten Zecken werden einzeln eingefroren und später auf Borrelien-DNA untersucht. Der Autor führt die Analysen selbst durch; er darf sich aber im bioanalytischen Labor seines Vaters auf modernste Methoden und Apparaturen stützen. Zuerst wird die DNA im «easyMAG» extrahiert, dann wird mit der «Polymerase Chain Reaction» (PCR) ein bestimmter Abschnitt der Borrelien-DNA nachgewiesen. Das Prinzip wird gut erklärt. Der gefundene Durchseuchungsgrad liegt zwischen 15% (Rossweidliwald) und 57% (Moosholz); das Risiko, eine infizierte Zecke zu erwischen, scheint jedoch im Schöneichwald am grössten, da dort die Fahnenmethode eine grössere Zeckenausbeute ergab. Leider wird nicht erwähnt, welche Zeckenstadien gefangen wurden, aber insgesamt ist eine sehr ansprechende Arbeit entstanden.

Prof. Martin Schwyzer Virologisches Institut, Vetsuisse-Fakultät, Universität Zürich

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