94. Neujahrsblatt für Kinder und Jugendliche für das Jahr 2004
herausgegeben von der Naturforschenden Gesellschaft in Zürich
 
Mammute vor den Toren Zürichs
Spektakulärer Fund in Niederweningen
Text und Realisation: Susanne Haller-Brem, Zürich
Mammut von Niederweningen, Photo: Kantonsarchäologie Zürich
Mammutknochen an der Ausgrabungsstelle in Niederweningen. Der Torfboden hat die Knochen und Zähne konserviert und braun verfärbt (Bild: Kantonsarchäologie Zürich). 
Mammute sind an die Kälte angepasste Elefanten, die in Europa und Nordamerika am Ende der letzten Eiszeit (vor rund 10'000 Jahren) ausgestorben sind. Im Juli 2003 ist in Niederweningen (Kanton Zürich) ein grösserer Skelettrest eines ausgewachsenen Mammuts geborgen worden. Die Untersuchung des spektakulären Fundes soll unter anderem Aufschluss über Einzelknochen von mehreren Mammuten geben, die bereits 1890 nur rund hundert Meter entfernt, gefunden wurden. Anders als damals - als man es unterliess, die genaue Lage der Knochen zu dokumentieren - wurde das diesmal sorgfältig gemacht. Zusätzlich entnahm man der Torfschicht viele Proben mit Pflanzenmaterial und Käferresten. Fachleute der verschiedensten Disziplinen können so rekonstruieren, wie das Wehntal zu Lebzeiten des Mammuts (vor vermutlich rund 34’000 Jahren) ausgesehen haben muss.

In Niederweningen fand man die ersten Mammutknochen bereits im Sommer 1890 beim Bau der Eisenbahnlinie durchs Wehntal. Als am 2. Juli 2003 ein Baggerführer beim Ausheben eines Leitungsgrabens in einer Baugrube in Niederweningen auf riesige Knochen stiess, wurde sofort das Paläontologische Institut und Museum der Universität Zürich informiert. Heinz Furrer, der sich als Paläontologe mit der ausgestorbenen Tierwelt befasst, identifizierte den Fund umgehend als Knochen eines Wollhaarmammuts der letzten Eiszeit (Fachbezeichnung: Mammuthus primigenius). Rasch war klar, dass es sich um den bedeutendsten Fund seit der Entdeckung der ersten Mammutknochen im Jahr 1890 handelte. 
Weil die Paläontologen die Bergung und Dokumentation des Fundes nicht allein bewältigen konnten, baten sie die Kantonsarchäologie Zürich um Hilfe. «Wir verfügen über mehr Personal und die nötige Ausrüstung», erklärt der Grabungsleiter Andreas Mäder. Als Archäologe erforscht er die Geschichte von Menschen vergangener Zeiten und legt normalerweise nicht Mammutknochen frei, sondern menschliche Kulturgüter. Doch die Methoden blieben dieselben. Zerbrechliche Stücke wurden vor dem Abtransportieren in Gips gepackt und um das Austrocknen zu verhindern, verpackten die Ausgräber und Ausgräberinnen die Knochen bis zu ihrer Konservierung luftdicht.

 
Der jüngste Fund ist in verschiedener Hinsicht bemerkenswert. Es handelt sich um einen zusammenhängenden Skelettrest eines ausgewachsenen Mammuts. Da die Knochen - anders als bei den bisherigen Funden - diesmal nicht zerstreut waren, kann man davon ausgehen, dass das Mammut an der Fundstelle gestorben war und im Moor versank. Aus welcher Zeit der Mammutfund stammt, ist noch umstritten. Während ein Spezialist aufgrund der Pflanzenpollen (Pollen = Blütenstaub) in der Torfschicht auf ein Alter von etwa 100'000 Jahren schloss, konnte ein anderer einen früher gefundenen Knochen auf 34'000 Jahre datieren. Mit neuen Altersbestimmungen von Knochen und Zähnen des Mammuts und von Holzresten aus dem Torf hofft man, dieses Problem an der ETH Zürich lösen zu können. 
Anhand der gefundenen Pflanzenreste und Käfer lässt sich zudem der Lebensraum des Mammuts nachbilden. Dazu arbeiten die Paläontologen und Archäologen mit Fachleuten aus der Geologie (Wissenschaft von Aufbau, Entstehung und Entwicklung der Erde) und Archäobotanik (Wissenschaftszweig, der sich mit der Untersuchung von Pflanzen in archäologischem Fundgut beschäftigt) zusammen. So gewinnt man Informationen, wie das Wehntal zu Lebzeiten des Mammuts ausgesehen haben muss. Wo heute Wohnhäuser stehen, breitete sich während der letzten Eiszeit ein weites Flachmoor am Ufer des verlandenden Wehntalersees aus. Dieser Lebensraum war reich an verschiedenen Gräsern, Kräutern und Zwergsträuchern (vgl. auch hintere Seite). 
Während die 1890 gefundenen Mammutknochen als spektakuläres Schaustück im Zoologischen Museum der Universität Zürich ausgestellt sind, will die Gemeinde Niederweningen für den jüngsten Fund ein eigenes Mammutmuseum bauen. Man plant, die Fundstelle nachzubauen und die Knochen im Boden zu präsentieren. Bereits anfangs 2005 soll das Niederweninger Museum fertig gestellt sein. 
Aussehen und Lebensraum des Mammuts 
Wenn vom Mammut die Rede ist, ist meist das Wollhaarmammut der letzten Eiszeit gemeint (Fachausdruck: Mammuthus primigenius). Die übrigen Mammute tragen Namen wie zum Beispiel Südelefant, Steppenelefant oder Waldelefant. Von unzähligen gefundenen Knochen und Zähnen weiss man recht gut über das Skelett des eiszeitlichen Wollhaarmammuts Bescheid und hat auch eine Vorstellung von der Körpergrösse (etwa die Grösse des heutigen Indischen Elefanten mit einer Schulterhöhe um 3,5 Meter). Einen Eindruck vom Aussehen vermitteln zudem auch die Mammutleichen, die im Dauerfrostboden von Sibirien und Alaska gefunden worden sind. An diesen sind oft die Muskulatur und die Haare erhalten, manchmal sogar die inneren Organe und der Mageninhalt. Auch die zahlreichen Mammutdarstellungen der Eiszeitmenschen vermitteln einen Eindruck vom Aussehen dieser mächtigen Pflanzenfresser. 
Durch Untersuchungen an Pflanzenpollen, die man in den Ablagerungen an den Fundstellen gefunden hat, aber auch durch Analyse des Mageninhaltes gefrorener Mammutkadaver, weiss man heute, dass diese riesigen Pflanzenfresser die so genannte „Mammutsteppe“ bevölkerten. Dieser Lebensraum überzog grosse Teile der eisfreien Gebiete der nördlichen Halbkugel. Charakteristisch für die „Mammutsteppe“ war, dass die etwas höher gelegenen Regionen, die den grössten Teil ausmachten, recht trocken waren. Hier wuchsen viele verschiedenen Gräser und Seggen. Daneben gab es aber auch zahlreiche Kräuter wie beispielsweise Hahnenfuss, Beifuss und Fingerkraut. In tiefer gelegenen Gebieten wie etwa Flusstälern war es feuchter. Dort wuchsen Sträucher und Bäume wie Birke, Weide, Erle und Nadelhölzer. Am Ende der letzten Eiszeit ist die „Mammutsteppe“ weitgehend verschwunden. 
Mammuth flock; pinx. Pavel Major, Praha
pinx. Pavel Major, Praha
(Quelle: „Das Mammut ... und seine ausgestorbenen Verwandten“ von Burkart Engesser, Oldrich Fejfar, Pavel Major, Veröffentlichung aus dem Naturhistorischen Museum Basel, Nr. 20, 1996) 

Auf älteren Darstellungen sieht man häufig Mammut-Herden, die durch eis- und schneebedeckte Landschaften stapfen. Diese Bilder sind bestimmt falsch, denn womit sollen sich die mächtigen Pflanzenfresser in diesen vegetationslosen Landschaften ernährt haben? Wir müssen uns den Lebensraum des eiszeitlichen Wollhaarmammuts zwar nicht mit üppigem Pflanzenbewuchs vorstellen, aber doch recht reich an Gräsern, Kräutern und Zwergsträuchern. (Darstellung aus „Das Mammut ... und seine ausgestorbenen Verwandten“ von Burkart Engesser, Oldrich Fejfar, Pavel Major, Veröffentlichung aus dem Naturhistorischen Museum Basel, Nr. 20, 1996) 

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