98. Neujahrsblatt für Kinder und Jugendliche für das Jahr 2008
herausgegeben von der Naturforschenden Gesellschaft in Zürich
 
Teilchenphysik: Unsichtbares raffiniert nachweisen
Text und Realisation: Susanne Haller-Brem, Zürich

Vorstellungen über den Aufbau der Stoffe aus kleinsten Teilchen gab es bereits in der Antike. Die griechischen Philosophen Leukipp und Demokrit nannten diese Objekte „atomos“, das heisst unteilbar. Erst ab Anfang 20. Jahrhundert entwickelten sich aber fundierte Vorstellungen über Atome und man realisierte, dass diese alles andere als unteilbar waren. Nun ging alles sehr schnell: Immer mehr Teilchen wurden entdeckt, und die Forschungsgeräte in der Teilchenphysik wurden immer grösser, um die Welt des Allerkleinsten und Unsichtbaren zu erforschen.

Die gesamte Materie ist aus chemischen Grundstoffen - in der Fachsprache Elemente genannt - aufgebaut. Sauerstoff, Kohlenstoff und Eisen sind Beispiele für Elemente. Jedes Element ist aus sehr kleinen Teilchen zusammengesetzt, den Atomen. Atome haben verschiedene Massen. Am leichtesten ist das Wasserstoffatom, Eisenatome sind viel schwerer und Uranatome noch viel schwerer (oder reicher an Masse). Atome sind winzig klein, ihr Durchmesser beträgt etwa 1/100 000 000 cm. Wie klein das ist, zeigt ein Vergleich: Rund 6.6 Milliarden Menschen leben heute auf der Erde. Würde man jedem Menschen ein Atom zuordnen und aus diesen Atomen eine Kette bilden, wäre diese nur 66 cm lang. 1911 entdeckte der britische Physiker Ernest Rutherford, dass der grösste Teil des Atoms aus Nichts besteht und im Innern eine winzige Kugel vorhanden ist. Dieser so genannte Atomkern ist noch rund 10 000 mal kleiner als ein Atom. 

Wie ist ein Atom aufgebaut?
Um den winzigen Atomkern, der fast die ganze Atommasse enthält und elektrisch positiv geladen ist, kreisen kleine, sehr leichte Teilchen. Diese werden Elektronen genannt und sind elektrisch negativ geladen. Der Atomkern lässt sich wiederum weiter unterteilen und besteht aus Protonen (elektrisch positiv geladen) und Neutronen (ohne elektrische Ladung). Lange Zeit glaubte  man,  dass die  Protonen und  Neutronen  wie die Elektronen zu den Elementarteilchen (so werden die Grundbausteine der Materie genannt) gehören. Heute weiss man, dass diese Kernbausteine aus noch kleineren Teilchen, den Quarks, aufgebaut sind.

Ordnung im „Teilchenzoo“
Seit 1932 hat die Forschung eine Vielzahl von verschiedenen weiteren Elementarteilchen mit unterschiedlichen Eigenschaften und Lebensdauern entdeckt. Zu nahezu allen Teilchen existiert ein Antiteilchen, die sich beim Zusammenstoss mit den entsprechenden Teilchen direkt in Energie verwandeln. Die Fachleute sprechen deshalb von einem „Teilchenzoo“. Inzwischen hat man herausgefunden, dass sich diese verwirrend grosse Teilchenzahl auf einige wenige, nach heutigen Kenntnissen tatsächlich elementare Bausteine zurückführen lässt. Einige Elementarteilchen sind stabil, aus ihnen setzt sich die normale Materie zusammen. Andere Teilchen sind instabil, existieren nur für einen kleinen Bruchteil einer Sekunde und zerfallen dann in stabile Teilchen. Alle zusammen existierten jedoch gemeinsam für einen kurzen Moment bei der Entstehung des Universums, das heisst nach dem Urknall.  

Was hält die Materie zusammen?
Elementarteilchen schliessen sich zu Strukturen in allen Grössenordnungen zusammen: vom aus drei Quarks bestehenden Proton über Atome, Moleküle, Flüssigkeiten und Festkörpern bis hin zu den riesigen Materieansammlungen in Sternen und Galaxien. Dieser Zusammenschluss passiert mit Hilfe von vier grundlegenden Wechselwirkungen, die man Kräfte nennt. Eine wichtige Kraft ist zum Beispiel die elektromagnetische Kraft, die alle mit Elektrizität und Magnetismus zusammenhängenden Phänomene erzeugt. 

Die „Mikroskope“ der Teilchenphysik
Teilchen Detektor
Bild: Cern. 
Kein Mensch hat jemals Elektronen oder Quarks gesehen. Um Elementarteilchen zu studieren, braucht es riesigen Geräte: So genannte Teilchen-Beschleuniger     und  Detektoren (siehe Bild, © CERN). Gegenwärtig wird am Europäischen Labor für Teilchenphysik CERN in Genf eine der grössten Kilometer langen Anlagen installiert. Mit Hilfe von Beschleunigern lassen sich einzelne Teilchen auf nahezu Lichtgeschwindigkeit (300 000 km pro Sekunde) beschleunigen. Dort wo die verschiedenen Teilchen zusammenprallen,  bauen die Physiker Experimente auf, die es erlauben, die Teilchenreaktionen zu studieren. Bei solchen Kollisionen können  auch neue Teilchen entstehen, da Energie in  Materie umgewandelt werden kann  und umgekehrt. Solche Untersuchungen können als „Rückblick in  die Vergangenheit“ aufgefasst  werden. Man simuliert die Bedingungen, die zu Beginn des Universums herrschten um zu verstehen, wie alles begann (Urknall). Dass Teilchenphysik nützlich ist, zeigen auch die Anwendungen in der Medizin. Am Paul Scherrer Institut in Villigen werden Beschleuniger zum Beispiel zur Therapie von Krebs eingesetzt.

 

Quellen und weiterführende Literatur:
• http://public.web.cern.ch
• http:// www.psi.ch
• http://www.weltderphysik.de
• Was ist Was, Band 79, Moderne Physik, Tessloff Verlag Nürnberg, 2000, 
 
 

Jugend-Neujahrsblatt 2008 als PDF

zur NGZ-Homepage  zum Neujahrsblatt