101. Neujahrsblatt für Kinder und Jugendliche für das Jahr 2011

herausgegeben von der Naturforschenden Gesellschaft in Zürich
 
Wie machen es die Insekten

Text und Realisation: Susanne Haller-Brem, Zürich
Die einen führen Balztänze auf, andere senden Lichtblitze aus oder finden den Partner mit Hilfe von Tönen oder Düften - und wenn alles stimmt, paaren sie sich. Das Liebesleben der Insekten ist keineswegs langweilig, sondern vielfältig und spannend. Bei einigen Arten sind die Paarungs-Praktiken aber doch sehr eigenartig.
Erwachsene Insekten haben vor allem die Aufgabe, sich fortzupflanzen. Damit sich paarungswillige Weibchen und Männchen der gleichen Art finden können und die Eier nicht mit Spermien einer fremden Art besamt werden, ist im Laufe der Evolution eine enorme Vielfalt an Mechanismen entstanden. So gibt es zum Beispiel das Art-spezifische Werbeverhalten der beiden Geschlechter, anatomische Besonderheiten der Geschlechtsorgane und Art-spezifische „Parfüms", so genannte Pheromone. Insektenweibchen sondern solche chemischen Signalstoffe ab und die Männchen haben spezielle Rezeptoren, mit denen sie diese Duftstoffe über grosse Entfernungen wahrnehmen können.
Nur wer richtig tanzt, wird erhört
Hat beispielsweise ein Schmetterlings-Männchen über eine solche Duftspur ein Weibchen gefunden, umflattert es dieses und wirbt mit einem Tanz um die Gunst. Die Bewegungen zeigen dem Weibchen, ob der Kandidat zur richtigen Art gehört oder nicht. Auch bei den Fruchtfliegen bemühen sich die Männchen mit einem aufwändigen Balztanz um die Weibchen. Dabei schnuppert und tänzelt das Männchen um die Angebetete herum und produziert mit seinem vibrierenden Flügel einen „Liebesgesang". Dieses Verhalten ist angeboren, denn auch naive Männchen, welche diesen Balztanz noch nie bei anderen Geschlechtsgenossen gesehen haben, führen das gleiche Ritual auf. Heuschrecken-Männchen locken Weibchen mit Hilfe von Tönen an. Dazu reiben sie ihre Hinterbeine an den gerippten Flügeln und erzeugen so je nach Art einen spezifischen Gesang. Dieses Zirpen, das im Fachjargon Stridulation heisst, kennt man von Wiesen an warmen Sommertagen. Auch Grillen-Männchen kommunizieren so, aber statt ihre Beine zu benutzen, reiben sie ihre Flügel aneinander.
Üble Täuschung
Leuchtkäfer, auch Glühwürmchen genannt, verwenden Lichtsignale zur Partnersuche. Wenn die Nacht anbricht, beginnen die Männchen grünlich zu leuchten. Leuchtet ein Weibchen zurück, so fliegt das Männchen hin, um sich zu paaren. Jede Art hat ihr eigenes Signal, die einen blinken, andere senden Dauerlicht aus. Manche Glühwürmchen wenden auch ganz üble Tricks an: Gewisse Weibchen können die Signale anderer Glühwürmchen-Arten nachahmen (in der Fachsprache spricht man von Mimikry). Damit locken sie Männchen an, um sie aufzufressen. Nicht nur das Werbeverhalten, sondern auch die Paarungs- Praktiken sind je nach Insekt verschieden. Wanzen zum Beispiel paaren sich Rücken an Rücken. Andere Insektenarten vollziehen die Paarung in der Luft. So fliegen zum Beispiel männliche Holzbienen von hinten über die Weibchen. Damit sie nicht abgeworfen werden, haben die Männchen feinste Haarschlaufen an den Hinterbeinen, mit denen sie sich in Klettverschluss-Manier an Borsten auf dem Rücken der Partnerin festhalten können. Wahre Akrobatik vollbringen die Libellen, die ein Paarungsrad bilden. Dazu greift das Männchen mit einer speziellen Zange an seiner Hinterleibsspitze das Weibchen hinter dem Kopf. Das Weibchen berührt mit seinem Hinterleib das Männchen unter der Brust, sodass die Eier befruchtet werden können. In dieser Stellung können die beiden auch fliegen!
Schmuckwanze, Tüfelsnadle
Schmuckwanzen (Bild links, © Birgit Kremer) und Gemeine Becherjungfer, eine Libellenart (Bild rechts, © Björn K. Langlotz) bei der Paarung.

Manchmal endet die Paarung aber auch tödlich. So verspeist die Gottesanbeterin das Männchen nicht selten nach der Begattung. Der Körper dient ihr als willkommene eiweissreiche Nahrung um die Eier zu bilden. Wenn die Weibchen kurz zuvor gefressen haben, stehen die Chancen für das Männchen besser, den Paarungsakt lebend zu überstehen. Die meisten Insekten leben allein und kümmern sich nach der Eiablage nicht um ihren Nachwuchs. Bei sozialen Insekten, die in Kolonien oder Staaten leben, ist das anders: Hier wird der Nachwuchs im Team aufgezogen und nur die Königin legt Eier, die von verschiedenen Männchen befruchtet werden. Zu den sozialen Insekten zählen Ameisen und Termiten sowie viele Bienen- und Wespenarten. Mit dieser Lebensweise gehören sie zu den erfolgreichsten Insekten der Erde.
Weiterführende Literatur:
Insekten, von David Burnie, Dorling Kindersley Verlag GmbH, München, 2008, ISBN 978-3-8310291-6

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