|
Inhalt:
65 Fussnoten.
|
« Eines der unentbehrlichsten Hülfsmittel zu der einer jeden
Regierung äusserst wichtigen Kenntniss dess Landes, welchem Sie vorsteht,
ist eine genaue Charte davon, und da eine solche sowohl für Militairische
Zweke als Verwaltungs-Gegenstände durchaus nicht zu entbehren, und,
wenn sie zuverlässig und genau ist, beynahe auf einen Blik mehr leisten
kann, als man ohne dieselbe nur durch eine lange und Zeit und Mühe
erfordernde Bereisung dess Landes in allen Richtungen erhalten kann, so
ist es schon seit langem der Fall gewesen, dass jede wohl Organisierte
Regierung ein solches Werk auf Unkosten dess Staats unternehmen liess.
Und es mangelte auch in der Schweiz nicht daran, dass sowohl allgemeine
oder geographische Charten entworfen, als auch geometrische Vermessungen
in den verschiedenen Cantons auf Kosten der respectiven Regierungen vorgenohmen
wurden. Indessen geschah dieses insgemein nur aus finanziellen Rücksichten
zur Versicherung und Bereinigung dess Zehend- und Grundzinspflichtigen
Landes, weil man sich aus den alten Urbarien ³) nicht mehr herauszufinden
wusste, oder wenn solche zu einer Grenzberichtigung, einer Strassenanlage
oder einem Wasserbau nothwendig waren, und zuweilen wurden solche einzelne
Bruchstücke, in jedem Format und sehr verschiedenen, oft sehr unzuverlässigen
Maassstäben von Schritten, Schuhen, Klaftern etc., und bald mit Astrolabien,
Menseln oder Boussolen aufgenohmen, späterhin von einem Liebhaber,
einem gewesenen Militär u.s.w. zu einer ganzen Cantonscharte zusammengetragen,
die mangelnden Stüke wieder auf eine andere Art ausgemessen, oder
nach dem Augenmaasse ausgefüllt, und so zusammengehängt.
Der ganze Raum war nun freylich ausgefüllt; aber man kann sich wohl
vorstellen wie wenig Genauigkeit in den Distanzen und der wahren Lage der
Oerter gegeneinander herauskommen konnte. In der Folge konnten freylich
manche der gröbsten Fehler an Ort und Stelle verbessert, aber die
Laage der Hauptörter ohne genauere Messungen nie berichtigt werden,
weil die Sache vom Anfange an verkehrt angegriffen worden, und man immer
von dem Detail zum Ganzen fortgieng, anstatt erst die Laage der Hauptgegenstände
gegen einander auf die einzig mögliche Weise durch grosse Dreyecke
zu bestimmen, und die detaillirten Messungen in die einmal fest-gelegten
Hauptpunkte einzupassen. - Was nun bey der Verzeichnung einzelner Bezirke
oder Cantone so schlecht ausfallen musste, geschah noch in viel höherem
Grade, wenn man hieraus ganze Länder zusammentrug.
3) Die alten Grundbücher, in welchen die urbaren
und darum zinspflichtigen Aecker und Grundstücke eingetragen waren.
« Unser Mitbürger, der für sein Zeitalter gewiss grosse
Scheuchzer, 4) welcher mit den mannigfaltigen Fächern aller nützlichen
Wissenschaften vertraut war, und die Schweiz nach allen Richtungen als
Naturforscher durchreist hatte, fühlte den Mangel guter Charten von
der Schweiz in einem solchen Grade, dass er den Entschluss fasste durch
eine neue Bearbeitung aller Ihm bekannten oder zugänglichen Materialien
eine neue Charte der ganzen Schweiz zu entwerfen. Eine herculische
Arbeit!
4) Joh. Jakob Scheuchzer von Zürich (1672-1733),
Professor der Mathematik und Physik, Stadtarzt und Chorherr. Ich verweise
vorläufig für diesen verdienten Mann, und seinen ebenfalls ausgezeichneten
und ihm nach seinem Tode folgenden Bruder Johannes Scheuchzer (1684-1738)
auf Bd. 1 meiner « Biographien», hoffe aber später einmal
über sie und ihre geographischen Arbeiten nähern Bericht erstatten
zu können.
Denn, was in ebenen Ländern, wo man von jedem Kirchthurme aus die
ganze Ebene auf grosse Fernen übersehen und eine Menge Alignements
der hinter einander liegenden Oerter ziehen kann, leicht ist, war in unserm
durch die höchsten Gebürge unterbrochenen und durchzogenen Vaterlande
unmöglich. Hier hätten hinlängliche Längen- und
Breitenbestimmungen allein über die gegenseitige Laage der wichtigsten
Puncte an den Gränzen der Schweiz und in Ihrem Innern einiges Licht
verbreiten können. Allein wenn man die Instrumente und Hülfsmittel
der damaligen Zeit in Betrachtung zieht, und weiss, das in der ganzen Schweiz
nicht einmal 4 oder 5 Orte nach Ihrer Länge und Breite mit hinreichender
Genauigkeit bestimmt waren, und dass, um die Bestimmungen zu machen, und
die Instrumente dazu anzuschaffen, ein königlicher Aufwand erforderlich
gewesen wäre, so kann man sich leicht denken, dass ein solches Unternehmen
weit über die Kräfte eines blossen Liebhabers ohne alle Unterstützung
von dem Staate selbst gehen musste. Seine Charte 5) konnte also nichts
anderes als ein Zusammentragen der vor Ihm bekannten und eine vorläufige
Verbesserung der gröbsten und auffallendsten Fehler seyn, wozu Ihm
seine vielen Reisen allerdings Gelegenheit gaben.
5) Sie erschien zuerst 1712 in 4 Blättern unter
dem Titel « Nova Helvetiae tabula geographica », gestochen
von Joh. Heinrich Huber und Emanuel Schalch, - soll aber 1765 nochmals
aufgelegt worden sein.
Allein mit allem guten, was diese neue Bearbeitung hatte, blieben Ihr
noch unendlich viele Fehler übrig, von denen wir selbst in unserer
Zeit nach einem verflossenen Jahrhunderte keine völlige Kenntniss
und noch weniger die Mittel besitzen Sie zu verbessern. - Diese Charte
ist indessen seit dieser Zeit her bis auf wenige Jahre hin diejenige Generalcharte
gewesen, welche durch vielfache Nachstiche in mancherley Format all-gemein
verbreitet und mit wenigen Abänderungen immer copiert worden. 6) Endlich
hatte ein wohlthätiger und reicher Privatmann, der verstorbene Herr
Meyer in Aarau 7) den Entschluss gefasst nach dem Vorbilde der von dem
sel. General Pfyffer 8) unternohmenen körperlichen Darstellung der
gegen die Mitte der Schweiz liegenden Gebürge nach einem kleineren
Maassstabe ein Modell der Gebirgsgegenden der ganzen Schweiz ausführen
zu lassen, und dieses forderte auch vor Allem aus eine neue topographische
Charte derselben, welche nothwendig der Verfertigung der Landform vorausgehen
musste.
6) Sie wurde nach Hallers Bibliothek der Schweizergeschichte
von Peter Schenk in Amsterdam und Andern förmlich nachgestochen, -
von Guillaume De l'IsIe für seine 1715 und später herausgegebene
« Carte de Suisse » stark benutzt, - von Tobias Mayer für
das Homann'sche Karten-Institut in Nürnberg verjüngt nachgebildet,
- und noch von Pfarrer Gabriel Walser zu Bernegg (1695-1776) seinem 1770
erschienenen Schweizer-Atlas wenigstens zu Grunde gelegt.
7) Vater Joh. Rudolf Meyer von Aarau (1739-1813), dem
auch die Kantonsschule in Aarau ihre Gründung verdankt. Vergleiche
Note 9.
8) Franz Ludwig Pfyffer von Luzern (1715-1802), dessen
circa 180 Quadratstunden der innern Schweiz umfassendes, 246 Quadratfuss
haltendes Relief als erste Arbeit solcher Art mit Recht noch jetzt in Luzern
bewundert wird, - und Gott Lob nicht in Paris bewundert werden muss, wohin
es zur Zeit der « Befreyüng der Schweiz (nämlich von Allem
Schönen, Nützlichen und Kostbaren, dessen man nur irgendwie habhaft
werden konnte) » beinahe gewandert wäre.
Allein sie wurde einem Manne, Weiss von Strassburg, übertragen,
welcher diesem Geschäfte nicht gewachsen war, und sich erst während
der Arbeit bilden musste, und welcher auch, wenn er alle ihm hiezu nöthigen
Kenntnisse gleich anfangs besessen hätte, ein solches Unternehmen
allein nie hätte ausführen können. 9) Indessen wurde
doch während etwa 10 oder 12 Jahren eine neue Charte von der ganzen
Schweiz zusammengebracht, welche zuerst eine ungleich bessere und getreuere
Darstellung dess Zusammenhanges der Gebürge gab, und vorzüglich
vieles Licht in das Chaos der älteren Scheuchzerschen Charte verbreitete,
da manche Gebürgsgegend nach Localkenntniss entworfen, auch zuweilen
durch einige neue Breitenbestimmungen verbessert wurde; aber dessen ungeachtet
sind mehrere Gegenden dem Verfasser selbst ganz unbekannt geblieben, und
er musste nothwendig schlechte Charten dabey zum Grunde legen, und konnte
Sie nur durch eine mehr Naturgemässe Zeichnungsart brauchbarer machen;
allein wenn er nur sorgfältig alle guten Subsidien benuzt hätte,
so würden dabey noch manche Fehler vermieden geblieben seyn. Mit allen
Mängeln wird indessen dieses Werk 10) noch so lange überaus schätzbar
bleiben bis nach und nach durch genaue Trigonometrische Messungen die ...
9) Heinrich Weiss (Strassburg 1759? - Freiburg im Breisgau
1826) war zur Zeit, wo ihn Meyer anstellte, mehr Zeichner als Geometer,
arbeitete sich aber nach und nach doch ziemlich in die Methoden des Aufnehmens
hinein, - hatte später als französischer Genie-Officier bei den
Vermessungen in Frankreich, Bayern, der Schweiz etc. gute Stellungen,
machte auch die meisten Feldzüge der französischen Armee mit,
- nahm dann mit Oberstlieutenants-Rang seine Entlassung, und verlebte seine
letzten Jahre zu Freiburg im Breisgau, wo er für die Herder'sche Buchhandlung
einen Atlas von Europa und einen Spezialatlas von Deutschland bearbeitete.
Immerhin sind die besten Theile des Meyer'schen Atlasses nicht ihm, sondern
dem Ingenieur Joachim Eugen Müller von Engelberg (1752-1833) zu verdanken,
- demselben, der das schöne Relief der innern Schweiz verfertigte,
welches eine der Hauptzierden der Stadtbibliothek in Zürich bildet.
Ich hoffe später einlässlich über Meyer, Müller und
ihre topographischen Arbeiten eintreten zu können, und verweise einstweilen
auf die in Bd. 2 meiner « Biographien » gegebene Darlegung.
10) Vergl. für dasselbe vorläufig die einlässliche,
« Zürich, den 26. Dezember 1802 »datirte Critik in Bd.
7 und 8 von Zachs Mon. Corresp., oder auch die in Bd. 2 meiner «
Biographien » daraus gegebenen Auszüge, sowie Note 9.
Erklärung der Tafel. Johannes Feer Ingenieur und Schanzenherr Geb. 3.Jan 1763 - gest. 14.Sept. 1825 Gez. v. Christophine Reinwald geb. v. Schiller Druck v. D.Herder H.Zollinger sculp. Originalgrösse: 12.2 x 14.7 cm |