Neujahrsblatt der NGZH Nr. 75 auf das Jahr 1873; 28 S. mit 1 Tafel. (Format des Hefts: 19.2 x 24.3 cm)
Die Beiträge zur Geschichte der Schweizer-Karten
Eine Vorlesung von Johannes Feer im Jahre 1817
von Professor Dr. Rudolf Wolf
 
 
UmschlagsKopf1873
herausgegeben von der

Naturforschenden Gesellschaft
 
 

auf das Jahr 1873.
 
 

LXXV.
 
 
 

Druck von Zürcher & Furrer in Zürich
 

 

German only

 
 

Inhalt: 
Einleitung 3
I. Eine Vorlesung von Johannes Feer im Jahre 1817 
Lebenslauf von J.Feer 13 
Bauinspector in Meiningen 1798
Porträt durch die älteste Schwester von Friedrich Schiller, Christophine (1757-1847)
Briefe über die Verhältnisse in Zürich während der französischen Besatzung
ab 1806 Schanzenherr von Zürich:
(Oberaufsicht Strassen-, Brücken- und Wasserbau und alle Arbeiten für welche höhere Mathematik notwendig ist).

65 Fussnoten.
 

...
Die Wenigsten von denjenigen, welche gelegentlich einmal ein Blatt unserer schönen Kantonskarte oder des unserm weitern Vaterlande zur Ehre gereichenden Dufour-Atlasses betrachten, - ja sogar von Denen, welche nie versäumen würden, sich für ihre Ausflüge wenigstens mit einer der Reisekarten des sel. Heinrich Keller und seiner verschiedenen Nachfolger zu bewaffnen, haben eine Idee, was für Zeit, Mühe, Kosten und Opfer jeder Art Jahrhunderte lang aufgewendet werden mussten, ehe nach und nach solche Meisterwerke möglich wurden und zur Vollendung kamen.  Es sollen daher in diesen Blättern nach und nach einige Beiträge zur Geschichte unserer Schweizerkarten gegeben, und wenigstens einige der Männer, welche sich um ihre Erstellung und Vervollkommnung verdient gemacht haben, durch Bild und Wort auch den spätern Generationen bekannt gemacht und erhalten werden. - Als ersten Beitrag, und gewissermaassen als Einleitung zu gelegentlich folgenden, scheint es nicht unpassend, unter Beifügung einiger zur Ergänzung oder Erläuterung dienender Noten, eine betreffende Vorlesung abdrucken zu lassen, welche der um unser Kartenwesen ebenfalls hochverdiente Schanzenherr Johannes Feer am 10. Januar 1817 der naturforschenden Gesellschaft in Zürich hielt, und von der noch sein eigenhändiges Concept vorliegt¹):
1) Dasselbe ist mir durch die Freundlichkeit von Herrn Jakob Escher im Grabenhof aus dem Nachlasse des sel. Oberst Pestalozzi für die Sammlungen der Sternwarte zugekommen.
« Da ich mir vorgenohmen habe, » so begann Feer seinen Vortrag, « Ihnen, Hochgeschäzte Herren, eine Nachricht von den in unserer Nähe seit einigen Jahren zur Verfertigung genauer Charten vorgenohmenen trigonometrischen Messungen mitzutheilen, welche sich auf eine Standlinie gründen, deren genaue Messung eine der letzten Arbeiten der früher bestandenen Milit. Mathemat. Gesellschaft war, so finde ich es nicht überflüssig eine kurze Zusammenstellung der verschiedenen früheren Arbeiten zur Verfertigung von Charten der Schweiz voranzuschicken, welche aber nothwendig sehr unvollkommen sein muss, indem ich hier nur dasjenige berühre, was mir von wichtigem Charten bekannt war und die noch ältern Charten von Maurer, welche in Holz geschnitten schon um das Jahr 1570 herauskamen u.s.w. ²) gänzlich übergehe, um Ihre Geduld nicht allzusehr zu ermüden.
2) Joost Maurer oder Murer von Zürich (1530-1580), der auch als Glasmaler und Poet rühmlichst bekannt ist, gab in Holzschnitt theils eine «Eigentliche Verzeichnuss der Städten, Grafschaften und Herrschaften, welche in der Stadt Zürich Gebiet und Landschaft gehörig sind. Durch Josen Murer Burger zu Zürich A. 1566 gerissen», theils  «Der uralten wyt bekannten Statt Zürich gestalt und gelägenheit, wie sy zu diser zyt in wäsen, ufgerissen und in grund gelegt, durch Josen Murer, und durch Christoffel Froschower zu Eeren dem Vatterland getruckt im 1576 Jar», von denen die letztere Arbeit noch jüngst durch Lithograph Hofer in Zürich reproducirt worden ist. - Feer hätte jedoch voraus die noch etwas ältere, und jedenfalls älteste in die Oeffentlichkeit gelangte Karte von ganz Helvetien und Rhätien erwähnen sollen, welche Sebastian Münster in Basel, auf Grund eines durch Glarean zur Einsicht erhaltenen Karten-Manuscriptes des hochberühmten Chronisten Egidius Tschudi, seiner Ausgabe der «Geographia universalis Claudii Ptolemaei. Basileae 1540 in fol.» beigab, und dann wieder in seiner berühmten «Cosmographia. Beschreibung aller Lender durch Sebastianum Munsterum. Basel 1544 in fol.» wiederholte.

« Eines der unentbehrlichsten Hülfsmittel zu der einer jeden Regierung äusserst wichtigen Kenntniss dess Landes, welchem Sie vorsteht, ist eine genaue Charte davon, und da eine solche sowohl für Militairische Zweke als Verwaltungs-Gegenstände durchaus nicht zu entbehren, und, wenn sie zuverlässig und genau ist, beynahe auf einen Blik mehr leisten kann, als man ohne dieselbe nur durch eine lange und Zeit und Mühe erfordernde Bereisung dess Landes in allen Richtungen erhalten kann, so ist es schon seit langem der Fall gewesen, dass jede wohl Organisierte Regierung ein solches Werk auf Unkosten dess Staats unternehmen liess.  Und es mangelte auch in der Schweiz nicht daran, dass sowohl allgemeine oder geographische Charten entworfen, als auch geometrische Vermessungen in den verschiedenen Cantons auf Kosten der respectiven Regierungen vorgenohmen wurden.  Indessen geschah dieses insgemein nur aus finanziellen Rücksichten zur Versicherung und Bereinigung dess Zehend- und Grundzinspflichtigen Landes, weil man sich aus den alten Urbarien ³) nicht mehr herauszufinden wusste, oder wenn solche zu einer Grenzberichtigung, einer Strassenanlage oder einem Wasserbau nothwendig waren, und zuweilen wurden solche einzelne Bruchstücke, in jedem Format und sehr verschiedenen, oft sehr unzuverlässigen Maassstäben von Schritten, Schuhen, Klaftern etc., und bald mit Astrolabien, Menseln oder Boussolen aufgenohmen, späterhin von einem Liebhaber, einem gewesenen Militär u.s.w. zu einer ganzen Cantonscharte zusammengetragen,  die mangelnden Stüke wieder auf eine andere Art ausgemessen, oder nach dem Augenmaasse ausgefüllt, und so zusammengehängt.  Der ganze Raum war nun freylich ausgefüllt; aber man kann sich wohl vorstellen wie wenig Genauigkeit in den Distanzen und der wahren Lage der Oerter gegeneinander herauskommen konnte. In der Folge konnten freylich manche der gröbsten Fehler an Ort und Stelle verbessert, aber die Laage der Hauptörter ohne genauere Messungen nie berichtigt werden, weil die Sache vom Anfange an verkehrt angegriffen worden, und man immer von dem Detail zum Ganzen fortgieng, anstatt erst die Laage der Hauptgegenstände gegen einander auf die einzig mögliche Weise durch grosse Dreyecke zu bestimmen, und die detaillirten Messungen in die einmal fest-gelegten Hauptpunkte einzupassen. - Was nun bey der Verzeichnung einzelner Bezirke oder Cantone so schlecht ausfallen musste, geschah noch in viel höherem Grade, wenn man hieraus ganze Länder zusammentrug.
3) Die alten Grundbücher, in welchen die urbaren und darum zinspflichtigen Aecker und Grundstücke eingetragen waren.

« Unser Mitbürger, der für sein Zeitalter gewiss grosse Scheuchzer, 4) welcher mit den mannigfaltigen Fächern aller nützlichen Wissenschaften vertraut war, und die Schweiz nach allen Richtungen als Naturforscher durchreist hatte, fühlte den Mangel guter Charten von der Schweiz in einem solchen Grade, dass er den Entschluss fasste durch eine neue Bearbeitung aller Ihm bekannten oder zugänglichen Materialien eine neue Charte der ganzen Schweiz zu entwerfen.  Eine herculische Arbeit!
4) Joh. Jakob Scheuchzer von Zürich (1672-1733), Professor der Mathematik und Physik, Stadtarzt und Chorherr. Ich verweise vorläufig für diesen verdienten Mann, und seinen ebenfalls ausgezeichneten und ihm nach seinem Tode folgenden Bruder Johannes Scheuchzer (1684-1738) auf Bd. 1 meiner « Biographien», hoffe aber später einmal über sie und ihre geographischen Arbeiten nähern Bericht erstatten zu können.

Denn, was in ebenen Ländern, wo man von jedem Kirchthurme aus die ganze Ebene auf grosse Fernen übersehen und eine Menge Alignements der hinter einander liegenden Oerter ziehen kann, leicht ist, war in unserm durch die höchsten Gebürge unterbrochenen und durchzogenen Vaterlande unmöglich.  Hier hätten hinlängliche Längen- und Breitenbestimmungen allein über die gegenseitige Laage der wichtigsten Puncte an den Gränzen der Schweiz und in Ihrem Innern einiges Licht verbreiten können.  Allein wenn man die Instrumente und Hülfsmittel der damaligen Zeit in Betrachtung zieht, und weiss, das in der ganzen Schweiz nicht einmal 4 oder 5 Orte nach Ihrer Länge und Breite mit hinreichender Genauigkeit bestimmt waren, und dass, um die Bestimmungen zu machen, und die Instrumente dazu anzuschaffen, ein königlicher Aufwand erforderlich gewesen wäre, so kann man sich leicht denken, dass ein solches Unternehmen weit über die Kräfte eines blossen Liebhabers ohne alle Unterstützung von dem Staate selbst gehen musste.  Seine Charte 5) konnte also nichts anderes als ein Zusammentragen der vor Ihm bekannten und eine vorläufige Verbesserung der gröbsten und auffallendsten Fehler seyn, wozu Ihm seine vielen Reisen allerdings Gelegenheit gaben.
5) Sie erschien zuerst 1712 in 4 Blättern unter dem Titel « Nova Helvetiae tabula geographica », gestochen von Joh. Heinrich Huber und Emanuel Schalch, - soll aber 1765 nochmals aufgelegt worden sein.

Allein mit allem guten, was diese neue Bearbeitung hatte, blieben Ihr noch unendlich viele Fehler übrig, von denen wir selbst in unserer Zeit nach einem verflossenen Jahrhunderte keine völlige Kenntniss und noch weniger die Mittel besitzen Sie zu verbessern. - Diese Charte ist indessen seit dieser Zeit her bis auf wenige Jahre hin diejenige Generalcharte gewesen, welche durch vielfache Nachstiche in mancherley Format all-gemein verbreitet und mit wenigen Abänderungen immer copiert worden. 6) Endlich hatte ein wohlthätiger und reicher Privatmann, der verstorbene Herr Meyer in Aarau 7) den Entschluss gefasst nach dem Vorbilde der von dem sel. General Pfyffer 8) unternohmenen körperlichen Darstellung der gegen die Mitte der Schweiz liegenden Gebürge nach einem kleineren Maassstabe ein Modell der Gebirgsgegenden der ganzen Schweiz ausführen zu lassen, und dieses forderte auch vor Allem aus eine neue topographische Charte derselben, welche nothwendig der Verfertigung der Landform vorausgehen musste.
6) Sie wurde nach Hallers Bibliothek der Schweizergeschichte von Peter Schenk in Amsterdam und Andern förmlich nachgestochen, - von Guillaume De l'IsIe für seine 1715 und später herausgegebene « Carte de Suisse » stark benutzt, - von Tobias Mayer für das Homann'sche Karten-Institut in Nürnberg verjüngt nachgebildet, - und noch von Pfarrer Gabriel Walser zu Bernegg (1695-1776) seinem 1770 erschienenen Schweizer-Atlas wenigstens zu Grunde gelegt.
7) Vater Joh. Rudolf Meyer von Aarau (1739-1813), dem auch die Kantonsschule in Aarau ihre Gründung verdankt. Vergleiche Note 9.
8) Franz Ludwig Pfyffer von Luzern (1715-1802), dessen circa 180 Quadratstunden der innern Schweiz umfassendes, 246 Quadratfuss haltendes Relief als erste Arbeit solcher Art mit Recht noch jetzt in Luzern bewundert wird, - und Gott Lob nicht in Paris bewundert werden muss, wohin es zur Zeit der « Befreyüng der Schweiz (nämlich von Allem Schönen, Nützlichen und Kostbaren, dessen man nur irgendwie habhaft werden konnte) » beinahe gewandert wäre.

Allein sie wurde einem Manne, Weiss von Strassburg, übertragen, welcher diesem Geschäfte nicht gewachsen war, und sich erst während der Arbeit bilden musste, und welcher auch, wenn er alle ihm hiezu nöthigen Kenntnisse gleich anfangs besessen hätte, ein solches Unternehmen allein nie hätte ausführen können. 9)  Indessen wurde doch während etwa 10 oder 12 Jahren eine neue Charte von der ganzen Schweiz zusammengebracht, welche zuerst eine ungleich bessere und getreuere Darstellung dess Zusammenhanges der Gebürge gab, und vorzüglich vieles Licht in das Chaos der älteren Scheuchzerschen Charte verbreitete, da manche Gebürgsgegend nach Localkenntniss entworfen, auch zuweilen durch einige neue Breitenbestimmungen verbessert wurde; aber dessen ungeachtet sind mehrere Gegenden dem Verfasser selbst ganz unbekannt geblieben, und er musste nothwendig schlechte Charten dabey zum Grunde legen, und konnte Sie nur durch eine mehr Naturgemässe Zeichnungsart brauchbarer machen; allein wenn er nur sorgfältig alle guten Subsidien benuzt hätte, so würden dabey noch manche Fehler vermieden geblieben seyn. Mit allen Mängeln wird indessen dieses Werk 10) noch so lange überaus schätzbar bleiben bis nach und nach durch genaue Trigonometrische Messungen die ...
9) Heinrich Weiss (Strassburg 1759? - Freiburg im Breisgau 1826) war zur Zeit, wo ihn Meyer anstellte, mehr Zeichner als Geometer,   arbeitete sich aber nach und nach doch ziemlich in die Methoden des Aufnehmens hinein, - hatte später als französischer Genie-Officier bei den Vermessungen in Frankreich, Bayern, der Schweiz etc. gute Stellungen,   machte auch die meisten Feldzüge der französischen Armee mit, - nahm dann mit Oberstlieutenants-Rang seine Entlassung, und verlebte seine letzten Jahre zu Freiburg im Breisgau, wo er für die Herder'sche Buchhandlung einen Atlas von Europa und einen Spezialatlas von Deutschland bearbeitete. Immerhin sind die besten Theile des Meyer'schen Atlasses nicht ihm, sondern dem Ingenieur Joachim Eugen Müller von Engelberg (1752-1833) zu verdanken, - demselben, der das schöne Relief der innern Schweiz verfertigte, welches eine der Hauptzierden der Stadtbibliothek in Zürich bildet. Ich hoffe später einlässlich über Meyer, Müller und ihre topographischen Arbeiten eintreten zu können, und verweise einstweilen auf die in Bd. 2 meiner « Biographien » gegebene Darlegung.
10) Vergl. für dasselbe vorläufig die einlässliche, « Zürich, den 26. Dezember 1802 »datirte Critik in Bd. 7 und 8 von Zachs Mon. Corresp., oder auch die in Bd. 2 meiner « Biographien » daraus gegebenen Auszüge, sowie Note 9.
 
Johannes Feer, pinx. Christophine Reinwald geb. Schiller
Erklärung der Tafel.
Johannes Feer
Ingenieur und Schanzenherr
Geb. 3.Jan 1763 - gest. 14.Sept. 1825
Gez. v. Christophine Reinwald geb. v. Schiller 
Druck v. D.Herder 
H.Zollinger sculp.

 

Originalgrösse: 12.2 x 14.7 cm 

...
Feer nahm 1796 eine Karte des unteren Alpenrheintals auf. Die Ausgleichsrechnung wurde nicht vollständig ausgeführt, was Feer später bedauerte. Die eigene Basislinie Wydnau-Kriesseren ergab den Masstab. Die geographische Länge wurde mit einer Verfinsterung der Io bestimmt und von zwei Punkten wurde die geographische Breite aufgenommen.
Feer beschäftigte sich mit Mass & Gewicht:
1 Zürcher-Kubikfuss Brunnenwasser bei 13°R 51Pfund 21.27 Loth (51.66469 lb, 16.25°C).
1000 Zürcher Pfund habe 1079.166 franz. Pfund (poids de marc)
Zürcher Fuss = 0.92632 Pariserfuss (pied du roi)
mit Pariser Fuss = 32.43 cm lässt sich 1 ZH-Kubikfuss zu 27.235 Kubikdezimeter mit etwa 27.2104 kg Brunnenwasser (Chen/Bührer) berechnen, damit wären 1 Züripfund etwa 0.52667 kg und ein Zürifuss etwa 30.087 cm.
Feer errichtete die Zürcher Sternwarte neu und machte Ortsbestimmungen.

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