NGZ-Neujahrsblatt 1881, 32S., 1Abb.
Wenig bekannte
Gesellschaften kleiner Thiere
unserer Schweizerseen
Dr. G. Asper
Bythotrephes longimanus, Leptodora hyalina (Lilljeborg), Daphnia hyalina
German only
Tafel (17.5 x 22cm, Litho):
Fig. 1 unserer Tafel stellt Leptodora hyalina dar. Bis vor Kurzem war das fabelhafte Thier dem Naturforscher ebenso unbekannt als dem Volke noch jetzt. Kein Wunder! Man kann stundenlang die eingefangene Beute durchsuchen, ohne dass ein ungeübtes Auge das Thier auffinden wird. Es hat die wunderbare Eigenschaft, für gewöhnlich unsichtbar zu sein. Die Tafel stellt es dar, wie es sich bei 20-facher Vergrösserung und abgeblendetem Lichte unter dem Mikroskop präsentiert. Ins Wasser gebracht, erkennen wir nur das kleine Auge als schwarzen Punkt. Wenn wir jedoch das Gefäss gegen starkes Licht halten, so sehen wir den wunderlichen Krebs in langsamen Zügen ruhig sich fortbewegen.
Seine mächtigen Ruderarme leisten dazu vorzügliche Dienste. Sie sind an den Enden mit dicht stehenden Federchen versehen, welche im Wasser dieselben Dienste leisten, wie die Schwungfedern des Vogels in der Luft. Kräftige Muskeln befähigen die grossen Ruder ihre steten Bewegungen zu machen.
Gleich hinter diesen ausgiebigen Bewegungsorganen sitzen dicht gedrängt sechs zylindrische Beine. Im Centrum derselben ist die Mundöffnung zu suchen, umstellt von zwei starken, klauenförmigen Kiefern. An dem kleinen gefalteten Herz (H) der Leptodora gewahrt man leicht die rasch sich folgenden Zusammenziehungen und Ausdehnungen, wodurch das gänzlich farblose Blut im Körper herum getrieben wird.
Ein ebenso wunderbares Bild bietet der Verdauungsapparat. Er zeigt namentlich in seinem weiteren Theil immerwährend langsame Contractionen. Alles glänzt dabei so hübsch, dass sich der Naturforscher kaum satt sehen kann.
Ein friedlicher Seebewohner ist aber die Leptodora nicht. Sie benutzt ihre glasige Durchsichtigkeit dazu, ihre Genossen hinterrücks zu überfallen und zu ermorden. Wehe dem kleinen Flohkrebs, der dem hungrigen Thier zu nahe kommt! Sehr rasch werden die sechs Beinpaare um das Opfer geschlungen, das, von Beinen und Borsten umgeben, sicherer in dem todtbringenden Gefängniss sitzt, als der Fuchs im Tellereisen.

 
Die Durchsichtigkeit ist bei unserm Thier endlich auch der Grund, warum es den nach solcher Nahrung lüsternen Fischen regelmässig entgeht. Es gelang mir bis jetzt nicht, im Darme irgend eines Felchens die leicht kenntlichen Reste einer Leptodora zu finden.
Ein nicht weniger eigenthümliches Thier stellt Fig. 2 dar. Es ist die von Leydig entdeckte Bythotrephes longimanus. Vor allem springt hier der enorme Schwanzstachel in die Augen. Diese ewig schwimmenden pelagischen Thiere bedürfen offenbar Apparate, die ihnen die Aufrechthaltung ihres Körpers beim Schwimmen erleichtern. Wie nun der Fisch in seinen paarigen Flossen und dem verticalen Schwanzende solche Balancen besitzt, so finden wir einen derartigen Gleichgewichtsapparat bei der Bythotrephes. So fasst man nämlich den langen Stachel am Körperende auf.
Die zwei grossen gegabelten Fühler auf der Höhe des Rückens dienen mit ihren Federn als Ruderorgane und bei den raschen Bewegungen späht das riesig grosse Auge überall nach Feinden und Beute. Es ist sehr schön gebildet, dieses Sehorgan. Ein intensiv schwarzer Pigmentfleck ist von zahlreichen grossen Krystallkegeln rings umstellt und diese brechen die auffallenden Lichtstrahlen und leiten sie zu dem am Augengrunde sitzenden Sehnerv. Das Gehirn liegt dem Auge dicht an und ist in der Zeichnung leicht als birnförmiger heller Körper erkennbar.
Der grosse Sack auf der Höhe des Rückens kommt nur beim Weibchen vor. Er enthält im gezeichneten Falle zwei junge Thiere; es können aber 6-8 darin enthalten sein. Die Vermehrung ist also eine ausgiebige.
Die Bythotrephen sind nicht so durchsichtig wie die Leptodora hyalina; sie werden darum leicht den Fischen zur Beute fallen können. Ich fand in dem Magen eines einzigen Felchens vom Vierwaldstättersee etwa 200 Exemplare.
Das rundliche kleine Thier in Fig. 3 heisst Daphnia hyalina. Obschon sein Körper ebenfalls jeglichen Farbstoffs entbehrt, also auch glasartig durchsichtig ist, so können wir doch die Anatomie desselben nicht ebenso leicht studiren, wie bei Leptodora hyalina. Sein Leib ist nämlich mit einer nach unten schlitzartig sich öffnenden Schaale umschlossen, und diese zeigt auf der hochgewölbten Oberfläche eine Menge stark lichtbrechender rautenförmiger Felder, welche uns den genaueren Einblick in das Innere verwehren. Auch hier ist das Auge sehr schön gebaut, das Herz immer deutlich sichtbar und hinter demselben liegen kleine oft blau gefärbte Eilein, die sich rasch entwickeln und den ganzen Sommer hindurch zu überreich er Nachkommenschaft Veranlassung geben.

...- Der wandernde Vogel hat die ursprünglich dem Léman eigenthümlichen Formen unbewusst in den Bodensee verpflanzt.- ...
Mit einigen Erwähnungen von Fischmagenuntersuchungen. .. Und einem Felchensterben 1813 bis 1815 im Walensee (wegen Linthkorrektur?).

Anhang:
Verzeichnis der bis jetzt (1880) in der Tiefe von 10-400 m in unseren Schweizerseen gefundenen wirbellosen Tiere (mit Unterstützung von F.A. Forel).
mit z.B. 17 Pisidium Arten.
Seen: Léman, Comersee, Ceresio, Maggiore, Zürichsee, Walensee, Greifensee, Pfäffikersee, Aegerisee, Zugersee, Silvaplanersee, Vierwaldstättersee, Bodensee, Lac de Joux
(im Text u.v.a.m., inkl. Hochgebirgsseen).

Zum Autor: Dr. sc. nat. Gottlieb Asper; *15.4.1854 Wollishofen - †23.6.1889 Därstetten, Dr. Polytechnikum Zürich(1877), a.o.Prof. Uni Zürich 1889, war Mitglied der limnologischen Kommission der SNG, Direktor der Fischzuchtanstalt und auch Lehrer am Seminar Unterstrass.

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