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Der japanische Riesensalamander (Cryptobranchus japonicus)
Inhalt:
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II. Der fossile Salamander
Andrias Scheuchzeri, Tschudi.
(Homo diluvii testis, Sch.)
Vergleicht man den japanischen Riesensalamander mit den Resten des
fossilen Andrias Scheuchzeri, aus den Steinbrüchen von Oeningen, soweit
man sie kennt, so bemerkt man zwischen beiden eine grosse, ja beinahe vollständige
Uebereinstimmung in der Gestalt und Organisation. Die Wirbelkörper
entsprechen einander in jeder Hinsicht, wahrscheinlich auch in der Anzahl;
nur der Schädel des fossilen ist mehr abgeplattet, also mehr dem des
Menopoma ähnlich, während die Anordnung der Knochentheile mit
dem japanischen Salamander vollkommen übereinstimmt.
Die unvollständigen Reste des fossilen Thieres können uns
freilich keinen Aufschluss darüber geben, ob ihm die Kiemen bis in
seinen ausgewachsenen Zustand geblieben seien oder nicht.
Der fossile Salamander von Oeningen wurde zuerst durch eine Abhandlung
des züricher Professors Joh. Jakob Scheuchzer (starb 1753) bekannt,
der sich grosse Verdienste durch die Pflege naturwissenschaftlicher Studien
erwarb.
Als eifriger Sammler trat er mit vielen Besitzern von Steinbrüchen
in Verbindung und erhielt um 1723 von Oeningen eine Platte, welche ein
ziemlich vollständiges, beinahe drei Fuss langes Skelet einschloss.
Er machte seinen Fund in den philosophischen Transactionen für 1726
bekannt, beschrieb die Skelettheile sehr oberflächlich und erklärte
sie für die eines vorweltlichen Menschen, eines "Zeugen der Sündfluth",
wie er sich ausdrückte, eines Gliedes jenes von Gott verfluchten und
unter den Gewässern begrabenen Volkes". Dass er den menschlichen
Bau ganz aus dem Gesichte verloren und mindestens durch vorgefasste Lieblingsmeinungen
sich habe blenden lassen, wies ihm schon Gessner nach, der 1755 eine andere
Platte des Oeninger Mergels mit gleichen Knochen erhielt. Ein Theil
der Naturforscher sagte sich nun von Scheuchzer's bisher allgemein angenommener
Meinung los und pflichtete Gessner bei, der indessen eben auch fehlte,
indem er in jenen Resten einen Wels erkennen wollte. Erst im Jahr
1787 erklärte Camper, dass das fragliche Skelet einer Eidechse angehört
habe, fand aber keinen rechten Glauben. Endlich gelangte ein drittes,
besser erhaltenes Exemplar in die Hände Ammann's, eines züricher
Arztes. Es gehört jetzt dem britischen Museum an und ward ,1805
von Karg, einem schwäbischen Naturforscher wiederum als Wels beschrieben.
Endlich entdeckte Cuvier, und zwar auf den ersten Blick, dass hier ein
molchartiges Thier vorliege; er erhielt 1811 Erlaubniss, das in das Harlemer
Museum gewanderte Original Scheuchzer's der Bearbeitung zu unterwerfen,
legte einem geschickten Steinmetzen die Abbildung eines Salamanderskeletes
vor und hatte die Genugthuung, das Knochengerüst eines Molches immer
deutlicher hervortreten zu sehen, je mehr Stücke der steinigen Umhüllung
unter dem Meisel absprangen. Aus der genauen Beschreibung Cuviers und der
Untersuchung späterer Paläontologen geht die nahe Verwandtschaft
mit dem japanischen und dem nordamerikanischen Riesensalamander hervor.
Man kennt gegenwärtig wohl fünfzehn sämmtlich von Oeningen
stammende, in grossen Sammlungen zerstreute Platten, welche mehr oder minder
vollständige Skelete, jüngere oder ältere Individuen enthalten.
In der geologischen Sammlung im eidgen. Polytechnikum befinden sich
zwei Exemplare nebst dem von Tschudi beschriebenen Schädel eines ganz
ausgewachsenen Thieres aufgestellt, von welchem letzteren wir eine verjüngte
Abbildung auf der beigefügten Tafel geben.
Gegenüber dieser Aufstellung in der Sammlung hängt das ideale
Bild des Oeninger See's von dem vortrefflichen Kunstmaler Professor Holzhalb
gemalt. Dort sehen wir den riesigen Wassersalamander (Andrias Scheuchzeri)
sich in Gesellschaft seiner Zeitgenossen tummeln. Auf dem Stamme
eines Feigenbaumes sitzt ein Gibbonaffe mit seinen Jungen; ein anderer
trinkt aus der klaren Fluth und noch zwei andere hüpfen durch das
Schilf. Ein Riesenfrosch, verschiedene Schildkröten, Schlangen,
Gänse und Fischreiher beleben die üppige Landschaft. Ein
Viverra-artiges Raubthier späht am Ufer nach Beute und auf der schmalen
Landzunge schreitet das riesige Mastodon.
Die Bildungen der Süsswasserablagerungen der Ober-Miocenzeit liegen
hunderttausende von Jahren hinter uns. Man findet ihre Gesteine nicht
nur in Oeningen, sondern auch in den Kantonen Thurgau, Zürich, St.
Gallen, Aargau, Bern, Solothurn, Neuchâtel, Waadt u. s. w.
Auch weit über unsere Landesgrenze hinaus und an vielen Stellen
mit ähnlichen paläontologischen Einschlüssen, wie sie Oeningen
bietet, nur keine Andrias Scheuchzeri, wohl aber bei Büttikon im Aargau
den Schädel eines Krokodils. Bald bestehen die Niederschläge
aus Sandstein (Molasse), bald aus mehr oder weniger dicken Kalkschieferlagen,
in welchen sich die wohl-erhaltenen Pflanzenabdrücke (Blätter,
zum Theil auch Blüthen) und Insekten finden, die auf ein viel wärmeres
Klima schliessen lassen als das heutige der sogenannten gemässigten
Zone es ist.
Erklärung der Tafel. 1. Cryptobranchus japoniens Y. de Hoev. (Japanischer Riesensalamander.) Nach einer Photographie gezeichnet, in etwas mehr als 1/3 der natürlichen Grösse. 2. Skelet des Cryptobranchus japonicus. A. Vorderarm und Hand. H. Humerus. R. Radius. U. Ulna. C. Carpus. (Die Carpale sind wegen Mangel an Raum nicht eingezeichnet.) II. III. IV. V. Metacarpalea. ph. Phalanges. B. Rechter Hinterfuss. F. Fibia. T. Tibia. Ta. Tarsus. (Die Tarsale sind nicht eingezeichnet.) I. II. III. IV. V. Metatarsalia. ph. Phalanges. 3. Rechte Hälfte des Unterkiefers des Cryptobranchus japonicus, von der innern Seite gesehen. 4. Mehrere Zahne dieses Thieres in verschiedenen Stadien ihrer Entwicklung, in dreimaliger Vergrösserung. 5 .Schädel, von Andrias Scheuchzeri, in halber natürlicher Grösse. Originalgrösse: 35.2 x 22.3 cm (Rahmen) |