Aus dem Inhalt:
Nach einer Einleitung über die Genussmittel Kaffee, Thee, Cacao,
Maté, der Kolanuss und Tabak und einer geschichtlichen Betrachtung
des Mohnanbaus, von den Pfahlbauern in Robenhausen, den alten Aegyptern,
Griechen und Römern folgt die neuere Zeit:
......
Nächst den Arabern und Türken sollen später
die Portugiesen und die Holländer Opium nach China importiert haben.
Der Anbau von Mohn zur Gewinnung von Opium war in Indien Monopol
der muhamedanischen Herrscher Indiens, die Kulturen befanden sich in der
Gegend von Allahabad, Agra und Ghazipore und die jährliche Produktion
wird auf 60 000 Kilo geschätzt.
Im 17. Jahrhundert setzte sich die englisch-ostindische
Kompagnie in Indien fest und langsam aber sicher nahm sie einen Teil des
Landes, ein Stück des Handels nach dem andern an sich. Dass sich unter
den Gegenständen des Handels auch Opium befunden haben wird, darf
als sicher angenommen werden, indessen blieb der Anbau in den Händen
der Muhamedaner. Erst als 1757 durch den Sieg Clives bei Plassey die Besitzungen
des Grossmoguls in die Hände der Engländer gelangten, fiel ihnen
damit auch das Opiummonopol zu, doch noch nicht sofort oder doch nicht
vollständig. Es hat nämlich den Anschein, als seien die
oben genannten Kulturen allmählich in Verfall geraten und dafür
solche weiter östlich in der Gegend Patna emporgeblüht, die noch
eine Zeit lang unter dem Einfluss der Holländer blieben, die damals
vielleicht Pächter des Monopols waren.
1767 wurden 1000 Kisten Opium (à 1 Picul = ungefähr
60,5 Kilo) in China eingeführt und die Importeure sollen vorwiegend
Portugiesen gewesen sein.
1773 machte die englisch-ostindische Kompagnie ihr erstes
grösseres Geschäft in Opium nach China und hiemit beginnt der
sehr merkwürdige und interessante, wenn auch recht unerfreuliche,
indisch-chinesische Opiumhandel.
Die Entwicklung war in kurzen Zügen folgende: Das
erste Geschäft, das die Kompagnie machte, ist offenbar nicht schlecht
ausgefallen, denn 1750 stellte sie zwei kleine Fahrzeuge als ständige
Depots für Opium in der Larks Bai südlich von Macao auf. Das
Opium wurde als Arzneimittel deklariert und die chinesische Regierung scheint
dem ganzen Handel keine besondere Aufmerksamkeit geschenkt zu haben. Zu
Anfang wollte das Geschäft nicht recht in Gang kommen, offenbar nahm
jetzt in Indien die Kultur und damit die Ausfuhr zu, ohne dass sich in
China zunächst genügend Abnehmer fanden, ein Beweis, dass der
Verbrauch über das medizinische Bedürfnis hinaus etwas Fremdes
war. Die chinesische Regierung erhob einen mässigen Eingangszoll von
3 Taël (1 Taël ungefähr 6 Franken) für die Kiste, die
ein Picul wog, eine Abgabe, die schon 1662 erhoben war und 1687 erhöht
wurde, so dass damals der Zoll etwa 6 % des Wertes der Ware ausmachte.
Allmählich wuchs aber die eingeführte Menge und es wurden (1793)
Klagen laut über die Niederlage in Larks Bay, die desshalb nach Whampoa
(nördlich von Macao) verlegt wurde.
1799 und 1800 erfolgten seitens der chinesischen Regierung
strenge Verbote der Einfuhr und des Opiumrauchens. Letzteres wurde
mit Stockschlägen, Pranger, Deportation, Abschneiden der Oberlippe,
Erdrosselung u. s. w. bestraft.
Damit hörte für lange Zeit die offene Einfuhr
nach China auf, aber eben nur die offene, an ihre Stelle trat umfangreicher
Schmuggelhandel, die Mohnkulturen in Ostindien nahmen zu und nach wie vor
wanderte das hier gewonnene Opium zu allergrössten Teile nach China.
Die Depotschiffe wurden von Whampoa nach der Insel Lin-tin zwischen Macao
und der Mündung des Cantonflusses und später nach einer westlich
davon gelegenen Bucht hinter der Insel Kitau verlegt und von hier der Schmuggel
im grossartigsten Masstabe betrieben, bei dem die niederen und höheren
chinesischen Beamten reichlich bestochen wurden.
Ungefähr seit der Mitte der dreissiger Jahre begannen
sich in China die Stimmen zu mehren, die ein energisches Vorgehen gegen
diesen Schmuggelhandel forderten und von kleineren Reibereien abgesehen
wurden endlich 1839 die Schiffe aufgefordert, ihr Opium den Chinesen auszuliefern.
Den englischen Kaufleuten, die nun den Schutz ihrer Regierung anriefen,
wurde derselbe natürlich verweigert, da man nicht Leute schützen
könne, um sie in den Stand zu setzen, die Gesetze des Landes zu verletzen,
mit dem sie Handel trieben. Nach anfänglichem Zögern von beiden
Seiten und darauf erfolgten Gewaltmassregeln der Chinesen wurden über
20 000 Kisten (à 1 Picul) Opium abgeliefert und diese, durch Versenken
ins Meer vernichtet. Im Dezember desselben Jahres wurde aller Handel mit
der englischen Nation verboten.
Nun wurde an China der Krieg erklärt, der unter
dem Namen ,,Opiumkrieg" eine traurige Berühmtheit erlangt hat und
der im Jahre 1843 nach völliger Niederlage der Chinesen, durch den
Frieden von Nangking beendigt wurde. Abgesehen von anderen uns nicht interessierenden
Bestimmungen mussten die Chinesen 105 Millionen Franken (darunter 30 Millionen
Schadenersatz für das 1839 vernichtete Opium) bezahlen. Die mir zu
Gebote stehende Litteratur geht über die Bestimmungen des Vertrages,
die den Opiumhandel betreffen, auseinander, wenn auch der schliessliche
Effekt derselbe sein musste. Nach Wiselius wurde bestimmt, dass bei einer
täglichen Einfuhr von 66 000 Dollars (330 000 Fr.) der Zoll 11 % des
Wertes der Ware bis zur Höhe von 7 Millionen Taëls betragen sollte.
Danach hätte etwa während einem Dritteil des Jahres Opium eingeführt
werden dürfen. Hongkong wurde an England abgetreten, hier und in den
Häfen von Canton, Amoy, Foochow-foo, Ningpo und Shanghai wurde Handel
gestattet mit Ausnahme einer Anzahl verbotener Waren Nach den ausführlichen
Mitteilungen des Basler Missions-Magazin gehörte Opium zu diesen verbotenen
Waren, der Handel damit wurde danach also nicht freigegeben, aber der chinesischen
Regierung überlassen, sich nach dieser Richtung vorkommenden Falles
selbst ihr Recht zu schaffen, wenn sie nach der Erfahrung, für die
sie soeben 30 Millionen gezahlt hatte, dazu Lust verspüren sollte.
Von einer Einschränkung der Opiumgewinnung und Ausfuhr in Indien war
keine Rede. Ich glaube, dass diese Darstellung die richtige ist und dass
Wiselius sich irrt (Im Wortlaut des Friedensvertrages vom 26.Juni 1843
spricht nichts von Opium). Nach Christlieb sind die Anstrengungen des Sir
H. Pottinger, der den Auftrag hatte, wenn irgend möglich die Legalisierung
des Opiumhandels durchzusetzen, vergeblich gewesen; die Chinesen machten
vielmehr den Vorschlag, die Engländer möchten sich in Indien
mit ihnen vereinigen, den Opiumhandel zu unterdrücken.
Im Jahre 1856 kam es zum zweiten Kriege mit England,
dem sich Frankreich und auch Nordamerika anschlossen und der zunächst
1858 durch den Vertrag von Tien-tsin beendigt wurde. In Folge verräterischer
Handlungen der Chinesen, welche glaubten, an die Gebote des internationalen
Rechtes nicht gebunden zu sein, brach der Krieg von neuem aus und der Vertrag
wurde nun erst 1860 nach der bekannten Zerstörung des Sommerpalastes
in Peking ratifiziert. Durch diesen Vertrag, der nach 10 Jahren revidiert
werden sollte, wurde die Einfuhr von Opium nach China geregelt. China hob
das von den Engländern nur offiziell respektierte Verbot auf und gestattete
die Einfuhr ohne Beschränkung der Quantität, erhob aber einen
Einfuhrzoll von 30 Taël (150-180 Franken) von einer Kiste = 1 Picul.
Die ursprüngliche chinesische Forderung von 60 Taël war von den
Engländern nicht zugestanden worden. Das Opium durfte von den Engländern
nur im Hafen verkauft werden, und wurde von den Chinesen weiter ins Innere
geschafft, wo der chinesischen Regierung freistand, nach Gutdünken
weitere Zölle zu erheben.
Es ist nicht zu vergessen, dass diese Legalisierung des
Opiumhandels nicht mehr von der ostindischen Kompagnie durchgesetzt wurde,
sondern von der englischen Regierung, die das Besitztum der Kompagnie,
welche sich in der 1856 ausgebrochenen indischen Meuterei den an sie gestellten
Aufgaben nicht mehr gewachsen gezeigt hatte, an jene übergegangen
war.
Im Jahre 1876 wurde dann in Chefoo (am Busen von Petschili)
wieder ein Vertrag zwischen England und China verabredet, der den Opiumhandel
neu regeln sollte und besonders darauf gerichtet war, dem Schmuggel in
China selbst entgegenzutreten. Dasselbe hatte nämlich den Binnenzoll
(Li-kin) bisher möglichst hoch geschraubt und damit den Schmuggel
im eigenen Lande gross gezogen.
Schätzungen der Menge des wirklich aus Indien
nach China exportierten und dort verkauften Opiums in Tonnen:
1767 | 60 | 1865 | 4630 | 1882 | 4992 |
1781 | 169 | 1866 | 4920 | 1883 | 5031 |
1800 | 242 | 1867 | 5234 | 1884 | 4816 |
Von jetzt ab Verbot des Handels und Fortführung desselben durch Schmuggel: | 1868 | 4207 | Chefoo Agreement: | ||
1869 | 5353 | 1885 | 4967 | ||
1870 | 5365 | 1886 | 5363 | ||
1805 | 181 | 1871 | 5171 | 1887 | 5857 |
1825 | 730 | 1874 | 5732 | 1888 | 5501 |
1830 | 1028 | 1875 | 5285 | 1889 | 5503 |
1835 | 1815 | 1876 | 5860 | 1890 | 4972 |
1.Krieg: | 1877 | 5616 | 1891 | 5553 | |
1850 | 4235 | 1878 | 5518 | 1892 | 5504 |
2. Krieg | 1880 | 5859 | 1893 | 5282 | |
1860: | 4840 | 1881 | 4916 | 1894 | 4981 |
Weitere Angaben sind:
Chinesische Handelsbilanz 1893: Gesamtimporte 950 Mio.
Fr. wovon das offiziell importierte Opium ca. ein Viertel.
ab 1842 wurde auch in China Opium produziert (1890 ca.
13000 Tonnen), 1894 Tendenz stark steigend.
Eine von der französischen Regierung seit 1882 in
Saigon betriebene Fabrik für indisches Opium, Jahresgewinn 8 Mio Fr.;
oder der Verbrauch von Opium in Java von 420 Gramm pro niedergelassenem
Chinesen im Jahre 1870.
Gladstone betrachtete schon 1840 den Opiumkrieg als eine
Schande für Grossbritannien und protestierte im Parlament.
Was umso bemerkenswerter ist, da er noch 1830 die Sklaverei in Westindien verteidigte.
Zwecks Erhaltung des Britischen Opium Monopols bezahlte
die britische Regierung Frankreich und Portugal Entschädigungen dafür,
dass sich diese verpflichteten, den Anbau in ihren Besitzungen (Pondichéry
und Goa) nicht zu gestatten.
Nach der offiziellen britischen Lesart (1830 ff.) gehört
der Opiumkonsum zum chinesischen Volksgut, was den Vorwand zum Opiumkrieg
lieferte.
Volltext als PDF-File 1243kB, Zum Hundertsten Neujahrsblatt von Ferdinand Rudio; Das Opium als Genussmittel von Carl Hartwich