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Inhalt: Bericht von zwei Spanienreisen in den Jahren 1905 und 1906, von je vier Wochen ab Mitte März. 1906 25 Teilnehmer. Vorwort 3 Südfrankreich 6 Katalonien 11 Barcelona 16 Valencia 23 Denia 28 Elche 33 Cartagena, Orihuela 38 Baza 44 Guadix 45 Granada 46 |
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Blutklees (Trifolium incarnatum L.), der durch seine intensiv
blutrote Färbung schon aus der Ferne erkennbar ist; hin und wieder
werden auch Lupinen (Lupinus albulus L.) angepflanzt.
Bei beginnender Nacht erreichen wir Barcelona. Wenn wir von den toten
Städten Kataloniens gesprochen haben, so gilt diese Bemerkung entschieden
nicht für die Hauptstadt der Provinz. Auch heute ist Barcelona
die betriebsamste und vorgeschrittenste Stadt Spaniens, der wichtigste
Industrieplatz und die grosse Handelsmetropole, aber zugleich eine der
allerunruhigsten Städte Europas, einem Vulkan vergleichbar, in dem
es beständig kocht und brodelt und wo man keinen Augenblick sicher
ist, ob nicht ein verhängnisvoller Kataklysmus unmittelbar bevorsteht.
Nicht vergebens erhebt sich im Süden der Stadt das Castillo de Montjuich,
seine Kanonen sind weniger gegen den äusseren, als gegen den inneren
Feind gerichtet.
Treten wir einen Gang durch die Stadt an. Da ladet die Kathedrale
zu einem Besuch ein. Sie hat eine bewegte Vergangenheit hinter sich.
An ihrer Stelle befand sich zuerst ein römischer Tempel, dann wurde
eine Basilika gebaut. Zur Zeit der Maurenherrschaft entstand aus ihr eine
Moschee, welche nach dein Sieg des Kreuzes über den Halbmond wieder
zu einer Kathedrale umgebaut wurde. Entsprechend dieser wechselvollen Geschichte
ist der Bau nichts weniger als einheitlich. Viel befriedigender ist
das Innere. Die wirkungsvollen Perspektiven, der edle Schwung der
Linien und vor allem eine Eigentümlichkeit fast aller spanischen Kirchen,
- die eigenartige Dämmerung, ja man könnte beinahe sagen Finsternis,
versetzen den Besucher unwillkürlich in eine feierliche Stimmung,
sobald er in den gewaltigen, kühlen Raum eintritt, noch ganz geblendet
von der Lichtfülle, erschlafft von der drückenden Wärme
und betäubt vom Strassengetümmel der Grosstadt. Herrliche Glasgemälde,
deren Farbenfeuer noch durch die umgebende Dunkelheit gesteigert wird,
erhöhen die Gesamtwirkung, den die erste spanische Kirche auf uns
macht und dieser Eindruck hat sich uns tief eingeprägt, denn wo wir
auch spanische Kirchen betreten haben, so verschiedenen Bauperioden dieselben
auch angehören mochten, die stimmungsvolle Dämmerung, die erfrischende
Luft und die schönen Glasmalereien, sie kehrten fast immer wieder.
Vom Turm der Kathedrale geniessen wir eine prächtige Rundschau.
Von unserer hohen Warte aus macht das Häusermeer einen ganz gewaltigen
Eindruck. Eng gebaut ist die Altstadt, sie wird von schmalen, schluchtenartigen,
planlos hin und her gebogenen Strassen durchzogen. Diese enge Bauweise
ist ein wirksamer Schutz gegen die reflektierte Wärme der hohen Häuserfronten;
in diesen Strassenzügen ist es verhältnismässig kühl
und fast immer schattig. Die Grosszahl der Häuser ist von unansehnlicher,
schmutzig rötlich-brauner Färbung; die flachen, oft sogar ganz
ebenen und dann von einer Umfassungsmauer umgebenen Dächer sind ein
sprechendes Zeugnis für die Regenarmut der Gegend. Würde
statt der
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Türme der Kirchen der Kuppelbau von Moscheen sich aus dem Häusermeer
erheben, man könnte sich nach Algerien versetzt glauben. Da auch die
umgebenden Hügel und Berge infolge der langen Trockenperiode meist
kahl und bereits verbrannt sind, so bekommt man, den Blick landeinwärts
gerichtet, ganz den Eindruck einer gewaltigen Wüstenstadt. Die
grossen, palastartigen, viereckigen Gebäude, welche sich besonders
in den Vorstädten aus dem Häusermeer erheben, sind klösterliche
Erziehungsanstalten. Ihre Leistungen sollen recht gut sein, sie übertreffen
bei weitem die entsprechenden weltlichen Institute, welche übrigens
grösstenteils wieder eingegangen sind. Bei ausgesprochen reaktionär-ultramontaner
Tendenz suchen sie den hygienischen Anforderungen der Neuzeit so viel als
möglich gerecht zu werden. Durch Anlage von Spielplätzen, Turnhallen,
Bädern und durch Unterstützung aller Sportsbestrebungen, sowie
durch einen fast luxuriösen Ausbau der Lehrgebäude. Sie
verfügen über bedeutende Mittel. Ebenfalls in den Vorstädten
ist der Sitz der grossen Fabrikgebäude, die fast alle der Baumwollenspinnerei
und -Weberei dienen und die Hauptindustrie und gleichzeitig die Haupterwerbsquelle
der Stadt bilden.
Unser nächster Gang gilt der Universität. Das monumentale
Gebäude wurde erst 1873 bezogen. Es ist ein gewaltiges Viereck, durch
einen, Vorder- und Hinterfassade verbindenden Mittelbau, entstehen zwei
Höfe, in denen einige immergrüne Baumgruppen das Auge erfreuen.
Um diese Höfe zieht sich ein Kreuzgang und darüber im ersten
und zweiten Stock Arkaden mit zierlich gewundenen Säulen. Ganz besonders
pompös ist aber die Aula: Noch in keiner Universität habe ich
einen Prachtsaal gesehen, der auch nur entfernt diese Aula erreicht hätte.
In maurischem Stil ausgeführt, hat sie die Dimensionen einer Kirche.
Sechs prachtvolle, riesenhafte Wandgemälde bringen einige Episoden
aus der Glanzperiode der spanischen Geschichte zur wirkungsvollen Darstellung.
Von den prächtigen Dimensionen, von der Farbenpracht und Farbenharmonie
waren wir ganz überwältigt, die Ernüchterung sollte jedoch
nicht lange auf sich warten lassen. Wir wünschten nun auch das Naturalienkabinett,
das chemische und physikalische Laboratorium zu sehen. Nur mit Mühe
gelang es uns, unseren Führer zu veranlassen, die betreffenden Säle
zu öffnen. Und was haben wir gesehen. Überall fingerdicker
Staub und grenzenlose Unordnung. Im Naturalienkabinett eine Sammlung
elend aus-gestopfter Tiere, die alle an galoppierender Schwindsucht verstorben
waren; ein kleines, schmutziges chemisches Laboratorium mit kaum acht Plätzen;
etwas besser stand es mit der physikalischen Sammlung, doch auch hier hauptsächlich
nur veraltete Instrumente, uns an eine Antiquitätenhandlung erinnernd.
So stossen wir auch hier wieder auf einen jener merkwürdigen Gegensätze
und Widersprüche, an denen Spanien so reich ist. Die Organisation
der Universität ist noch ganz mittelalterlich. Für Botanik, Zoologie,
Mineralogie gibt es nur einen einzigen Lehrstuhl, dagegen besitzt die Universität
noch eine fünfte, pharmazeutische Fakultät mit
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nicht weniger als fünf Professoren, und wie im Mittelalter müssen
die akademischen Lehrer ihre Vorlesungen dem Erzbischof zur Zensur unterbreiten.
Obwohl das Strassenleben durch seine Vielgestaltigkeit Interesse gewährt,
so ist doch der Gesamtcharakter der Stadt durchaus international, das spezifisch
spanische Volksleben tritt sehr zurück. Die alten, bunten Nationaltrachten
sind sozusagen ganz verschwunden. Auch im farbenliebenden Spanien
hat der Grossfabrikationsbetrieb der Konfektionswaren den unbestrittenen
Sieg davon getragen. Auffallend ist das fast völlige Fehlen jeglicher
öffentlichen Armenpflege, daher ist der ,Strassenbettel eine eigentliche
Landplage. Es gilt dies für alle spanischen Städte, nach
unseren Erfahrungen macht nur Granada eine rühmliche Ausnahme, auch
in Madrid steht es damit etwas besser, als in den meisten übrigen
Städten. Diese Bettler und Krüppel sind oft mit den Spuren
der schrecklichsten Krankheiten behaftet, - pockennarbige Gesichter, Lahme
und Blinde sind besonders häufig, - wieviel Elend begegnet man da
auf Schritt und Tritt! Der Menschenschlag ist nach unseren Begriffen
meistens unter Mittelgrösse, oft sogar klein; besonders auffallend
ist dies beim Militär. Angenehm sind wir von der guten Haltung
und den farbenprächtigen Uniformen überrascht. Rote Hosen, blaue
Jacken mit roten Aufsätzen, der Tschakot mit schwarzem Glanzleder
überzogen, da zu grasgrüne Handschuhe, - wer wollte da nicht
Soldat sein? In den Strassen kann man die ganze Entwicklungsgeschichte
der Wagentechnik studieren, von den primitivsten Lastfuhrwerken bis zu
den modernsten Automobilen. Das wichtigste Transportmittel, das besonders
auf dem Lande allgemein verwendet wird, ist die spanische Tartane, ein
zweirädriger Wagen, mit dem wir noch genügend Bekanntschaft machen
sollten. Die Tartanen werden fast immer von Maultieren gezogen, die auf
dem Rücken bis auf wenige bestimmte Stellen ganz glatt rasiert sind,
so dass die nackte Haut sichtbar ist. Das Geschirr der Tiere ist
zudem öfters mit allerlei Glöckchen, mit Fähnchen, gelegentlich
auch mit phantastischen, hornartigen Aufsätzen oder mit bunten Bändern
geziert. All diese Dinge besitzen irgendwelche abergläubische
Bedeutung. An das Federwerk der Tartane darf man keine zu grossen
Anforderungen stellen, sondern froh sein, wenn es überhaupt einen
solchen Luxusartikel gibt. Wenn man dann den ganzen Tag geschüttelt
und gerüttelt wird, so erregt dies einen geradezu beängstigenden
Appetit; abends schmerzen Glieder und Rücken an allen Ecken und Enden.
Doch man gewöhnt sich an alles.
In den Städten werden morgens und abends ganze Ziegenherden mitten
durch die belebtesten Stadtteile getrieben. Die Tiere werden auf
offener Strasse gemolken. Der ganze Süden kennt keine Milchkontrolle,
so hat sich die Bevölkerung auf diese einfache Weise gegen die einst
in grossem Masstab betriebene Milchverfälschung zu schützen vermocht.
Auch noch in einer anderen Hinsicht muss das Volk mangels einer genügenden
staatlichen Oberaufsicht eine beständige Kontrolle ausüben, im
Geldverkehr. Es sind sehr viele falsche Silbermünzen im Um-
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lauf. Das Klingenlassen des Silbergeldes auf der Marmorplatte
im Laden, auf dem Strassenpflaster, oder, wo keine Gelegenheit dazu ist,
gar das Prüfen der Härte zwischen den Zähnen, gehört
zu den bezeichnendsten Reiseerinnerungen an Spanien.
Barcelona war dei Ausgangspunkt für zwei botanische Exkursionen,
die uns einen Einblick in den Landschafts- und Vegetationscharakter dieser
Teile Kataloniens verschafften. Unser erster Besuch gilt dem Tibidabo,
einem beliebten Ausflugsort der Barcelonesen. Dieser im äussersten
Westen der Stadt gelegene Vorberg erreicht eine Meereshöhe von 532
m. Eine lange Fahrt im elektrischen Tram bringt uns, immer etwas ansteigend,
durch die industrielle Vorstadt Gracia bis an den eigentlichen Fuss des
Berges. Hier an der Peripherie der Stadt macht sich eine sehr lebhafte
Bautätigkeit bemerkbar, ein ganzes Villenquartier ist in Entstehung
begriffen. Eine prächtige Fahrstrasse, zahlreiche Fuss- und
Feldwege und sogar eine Zahnradbahn führen auf den Gipfel. Lichte
Pinien- und Aleppoföhrenwaldungen, mit Macchien als Unterholz und
ausgedehnte Garigues, vereinzelt auch kurzrasige, dürftige Weiden
bedecken den Berg. Im unteren Teil mischen sich hin und wieder auch einzelne
Steineichen (Quercus ilex L.) bei. Der verändernde Einfluss
des Menschen auf die ursprüngliche Vegetation kommt hier in der Nähe
der Grossstadt überall zum Ausdruck. Die Macchie ist ziemlich einförmig
und niedrig, kaum über 1 ½ m hoch, sie wurde stellenweise abgeholzt,
um hernach beweidet zu werden. An einer Stelle ist sie durch Feuer zerstört
worden, doch beginnt sie sich wieder aus den verschont gebliebenen Wurzelstöcken
zu erneuern. Häufiger ist der umgekehrte Fall, dass der Wald
abgeholzt und die Macchie dann allein übrig bleibt.
Auf der Höhe des Tibidabo angelangt, schweift das Auge über
die imposante, von Hügeln rings umgebene Stadt und auf die weite,
vom Castillo de Montjuich begrenzte Fruchtebene des Llobregat bis zu dem
von zahlreichen Segelschiffen und einigen Dampfern belebten Meer.
In nächster Nähe erheben sich andere Hügel: der Monte Putchet,
die Montana Pelada, alle mit Villen, Klöstern, Kapellen, Aussichtstürmen
und mit Gruppen von gewaltigen Pinien ganz besetzt und von vielen Strassenzügen
durchzogen, - eine dicht bevölkerte Kulturlandschaft. Wir wenden
nun unsere Blicke landeinwärts. Wie ganz anders ist doch diese Landschaft!
Vor uns ausgebreitet liegt unabsehbar das weite katalonische Bergland.
Gebirgswelle an Gebirgswelle, so weit der Blick reicht; alles ausnahmslos
ausgeglichene, abgerundete Bergformen, dem Typus einer geologisch-alten
Gebirgslandschaft entsprechend. Ansiedelungen scheinen fast ganz zu fehlen,
denn sie liegen, zumeist unseren Blicken verdeckt, in den Talfurchen zwischen
den koulissenartig verlaufenden Bergketten. Und im Nordwesten erhebt sich
mitten aus diesem monotonen Bergland der wild zerrissene, zackige Montserrat,
ein durchaus fremdes Element im ganzen Landschaftsbild. Ihm gilt
unsere nächste Tagestour.
Durch dicht bevölkerte, industriereiche Bezirke führt die
Bahn nach dem kleinen, 51 km von Barcelona entfernten, an der Linie nach
Lerida gelegenen Monistrol.
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Vor uns steht der gewaltige Felskoloss des Montserrat. die fast senk
rechten Felsmassen stürzen zu dem tief eingeschnittenen Llobregattale
ab. In malerischer Schlucht schlängelt sich der wasserreiche Fluss
durch das enge Tal. Mit seinem Wechsel hoher Felswände und lang
hingezogenen Rasenbändern, erinnert der Montserrat vom Tale aus sehr
an den Absturz der Kurfirsten zum Walensee. Der Vergleich trifft jedoch
nur teilweise zu, denn besteigen wir erst den Berg, so zeigt er in seinen
oberen Lagen einen ganz anderen Charakter. Vom berühmten, in
zwei Drittel Höhe gelegenen Benediktinerkloster (887 m) nehmen wir
den Fussweg durch das Valle Mab, das Hochtal, das zum Gipfel Turo de San
Jeronimo (1241 m) führt und das nach der Legende dadurch entstanden
sein soll, dass der Bergstock bei der Kreuzigung Christi seiner ganzen
Länge nach auseinanderspaltete. Es ist wirklich ein wunderbares
Tal. In zwei Hauptreihen geordnet erhebt sich phantastisch zu unseren
Seiten Felskegel an Felskegel, einer steiler und kahler als der andere,
aber jeweilen rings umgeben von üppigen Macchien, aus deren dunkel-grünem,
glänzendem Laubwerk die wilden Gebirgsformen uni um so wirkungsvoller
zur Geltung kommen (Tafel 1, Fig. 1). Die vielen Felszacken erwecken fast
den Eindruck einer riesenhaften in Trümmer geschossenen Festungsanlage.
All' diese bizarren Säulen, "los Gigantes", wie sie der Volksmund
nennt, bestehen aus einem ,groben, harten Konglomerat. Die Schichten des
das Fundament des Berges bildenden tertiären Kalksteins zeigen beinahe
horizontale Lagerung und lassen sich in den Bänken der umgebenden
Berge deutlich weiter verfolgen. So drängt sich der Gedanke auf, dass
der Montserrat nur deshalb ein ganz fremdes Element im Landschaftsbild
ist, weil sich auf ihm, der höchsten Erhebung des katalonischen Berglandes,
diese abenteuerlichen Konglomerate noch erhalten haben, die vermutlich
einst auch die benachbarten Berge krönten, doch dort durch Erosion
schon längst abgetragen wurden.
Als wir auf dem Gipfel des Berges rasteten und aus all den Schluchten
die Nebel entsteigen und die Felszacken bald wie Klippen aus dem wild tosenden
Meere emporragen, bald vor unseren Blicken verschwinden und wieder erscheinen
sahen, als ob der Berggeist mit uns sein neckisches Spiel treiben wollte,
da glaubten wir uns in die Blockwildnis des Brocken versetzt. Aber
am Abend zerteilt sich nochmals das Gewölk und die wunderlichen Felssäulen
heben sich nun vom reinen, blauen Himmel ab, von der untergehenden Sonne
vergoldet.
Die Fernsicht hat dem Berg den Ehrentitel "Rigi Kataloniens" eingetragen.
Gegenüber dem Tibidabo beherrscht der Blick ein ungleich grösseres
Gebiet. Zu unseren Füssen liegt, wie auf einer Landkarte ausgebreitet,
das katalonische Bergland mit seinem bunten Wechsel kahler Berge und grüner
Waldkomplexe, dem Fell eines Panthers vergleichbar. Statt der Alpen
erhebt sich im Norden die noch schneebedeckte Gebirgsmauer der Pyrenäen
und statt der Seen liegt im Westen das weite unabsehbare Meer, aus dem,
bei ganz klarem Wetter, die mallorquinische Sierra in duftigem Umriss eben
noch am fernen Horizont emporragt.
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Aber nicht nur durch seinen geologischen Aufbau und durch seine aussichtsreiche,
das ganze Land beherrschende Lage ist der Montserrat weit bekannt, weltberühmt
ist er durch seine Benediktinerabtei, deren Gründung in das Jahr 880
zurückgeht, geworden. Er ist einer der ersten Wallfahrtsorte
Spaniens. Hier hat der Gründer des Jesuitenordens, Ignaz von
Loyola, längere Zeit verweilt, sodass dieses Felsenkloster, jetzt
besser Klosterstadt genannt, gewissermassen auch die Wiege des Jesuitismus
ist. Um das Kloster sind über den ganzen Berg noch dreizehn
Einsiedeleien verteilt, welche z. T. wie Schwalbennester an den Felsen
kleben.
* * *
Bevor wir weiter nach Süden reisen, sei es gestattet, zunächst
noch einige Bemerkungen über spanische Post- und Eisenbahnverhältnisse
einzuschalten. Sie sollen einen Einblick in die Kulturzustände
des Landes geben, und zeigen, dass Spanien auch am Anfang des XX. Jahrhunderts
noch keineswegs unter dem Zeichen des Verkehrs steht.
Welch' ganz anderer Masstab an die spanischen Städte im Vergleich
zu mitteleuropäischen von derselben Einwohnerzahl gestellt werden
muss, zeigen wohl am besten die Postverwaltungen. Cartagena, eine Stadt
von 100 000 Einwohnern, hat kein eigenes Postgebäude. Die ganze
Postverwaltung findet sich in zwei Parterrezimmern eines kleinen Hauses
untergebracht. Die Post ist zudem nicht einmal den ganzen Tag offen,
sondern nur während fünf Stunden. Hat der Fremde das Glück,
gerade zur richtigen Zeit vor dem Bureau einzutreffen, um seine Postsachen
zu erheben, so braucht er trotzdem kein Gedränge zu befürchten.
Dasselbe Bild in Valencia. Wenn man vor dem kleinen Postgebäude
steht, das abseits vom Hauptverkehr in einem abgelegenen Gässchen
liegt - für den Fremden nur unter vielen Schwierigkeiten auffindbar
- so würde es niemand für möglich halten, dass dies das
einzige Postgebäude der Hauptstadt der reichen Provinz Valencia, einer
Stadt von über 200000 Einwohnern ist, und doch ist es so. In Orihuela
fragten wir die Polizeiwache vor dem Rathaus nach der "administracion de
correos". Von einer solchen Behörde hat der Mann offenbar noch gar
nie etwas gehört. Mit der Versicherung, so etwas gebe es in Orihuela
nicht, wurden wir abgewiesen. Das Postbureau fand sich aber hernach,
kaum hundert Schritt entfernt, und zwar auf der Hinterseite desselben Rathauses.
Ein Wettbewerb mit dem Postverkehr der Kulturstaaten Mitteleuropas ist
in Anbetracht der grossen Anzahl von Analphabeten (68 %) und der geringen
Volksdichte (34 Einwohner per km²) natürlich unmöglich.
Nicht besser steht es mit den Eisenbahnen. Nur einige Beispiele. Zwischen
Port Bou und Barcelona mit seinen 600000 Einwohnern verkehren täglich
nur 6 Züge, darunter zwei Luxuszuge mit nur erster Klasse und erheblichen
Zuschlagstaxen, es sind die Anschlüsse an französische Expresszüge,
die bis zur Grenze alle drei Wagenklassen führen. Zwei weitere
Verbindungen besitzen eine Fahrgeschwindigkeit von 21 - 24 Km per Stunde
und die zwei letzten Züge sind nur Lokalzüge ohne direkten Anschluss
nach Frankreich. Solche Verhältnisse erwecken geradezu den Eindruck,
als ob Spanien den Fremdenverkehr möglichst abzuhalten sucht. ...
Unsere Reisegesellschaft zwischen Baza und Guadix, Phot. P. Bohny
Bemerkung: Der Eisenbahnbau dieser Strecke war schon seit 8 Jahren
im Gang. - Andere Teile des Textes enthalten wesentlich mehr Information
über Pflanzen und die Bewirtschaftung des Landes. Eine botanische
Abhandlung wurde für die Vierteljahrsschrift versprochen.