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Inhalt: (fehlt im Original)
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Unter den tätigen Vulkanen lassen sich nach der Art, wie ihre Gase
ausgehaucht werden, zwei extreme Typen unterscheiden:
Die einen zeichnen sich durch relativ ruhiges Entweichen der Magmagase
und das vielfache Ausströmen von Laven aus, wodurch sanft geformte
Dome aus übereinander geschichteten Lavadecken entstehen. Das
schönste Beispiel dieser Art finden wir auf der Insel Hawaii inmitten
des pazifischen Ozeans.1)
Die andern lassen die Gase vorherrschend in Form kleinerer oder grösserer
Eruptionen entweichen. Das in der Tiefe des Schlotes befindliche glühend
flüssige Magma wird dadurch spreeartig zerstäubt und zusammen
mit schon verfestigten Gesteinsmassen des Kraterschlundes von den aus dem
Erdinnern entweichenden Gasen bis in bedeutende Höhen mitgerissen,
wie wenn man etwa eine mit Wasser oder Schlamm gefüllte Kanone in
eisig kalte Luft abschiessen würde. So entstehen die vorherrschend
aus Aschen2), Sanden und Blöcken aufgeschütteten Vulkankegel
mit trichterförmigen Kratern in der Mitte als Mündung des zeitweise
verstopften Kanales aus dem Erdinnern. Die Böschung des Schuttkegels
kann bis über 35 Grade erreichen.
Eines der schönsten Beispiele dieses letzteren Typus ist der Smeru
auf Ost-Java. Er ist mit seinem 3667 m hohen Gipfel der höchste Berg
und zugleich der tätigste Vulkan der Insel Java, überhaupt einer
der tätigsten Aschenvulkane der Erde.
Die erste, eingehende, noch heute in mancher Hinsicht unübertreffliche
naturwissenschaftliche Beschreibung der javanischen Vulkane verdanken wir
Junghuhn3). Von ihm wurde am 27. September 1844 der Smeru zum erstenmal
bestiegen. Neuere Beschreibungen wurden veröffentlicht von Fennema,
Verbeek, Brun, Van Gogh u. a.4)
1) vergl. Arn. Heim, Lavafelder des Kilauea, Hawaii,
Geol. Charakterbilder, Heft 16, 1913.
2) Die eingebürgerte Bezeichnung „Asche“ ist nicht
glücklich gewählt, da es sich im allgemeinen nicht um Verbrennungsprodukte
handelt.
3) F. Junghuhn: Java, seine Gestalt, Pflanzendecke und
innere Bauart, II. Aufl. Bd. 11, 1854. Smerugruppe pag. 524 – 605.
4) Verheek et Fennema, Description géol. de Java
et Madoura, t. 1., 1896.
R. Fennema, De vulkanen Semeroe en Lemongan, Jaarhoek
van het Mijnwezen, wetenseh. gedeelte, 1886, p. 5 – 130.
Albert Brun, Recherches sur l'Exhalaison Volcanique,
Genève 1911, p. 208-219, pl. XVI-XXI.
FA. A. van Gogh, De Semeroe-Uitharsting van 15.Nov.1911.
Tijdschr. van het Koninklijke Nederl. Aardrijkskundige Genootschap, 2.ser.
dl. XXX, 1913, Afl. 6, p. 744-756.
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Im folgenden soll die Lage des Smeru unter den javanischen Vulkanen
und seine Gestalt kurz betrachtet werden. Dann möchte ich den Leser
einladen, in Gedanken mit mir den erhabenen lebendigen Gipfel zu besteigen
und der Eruption ins Angesicht zu sehen, wie sie sich vom 14. bis 15. November
1911 vor meinen Augen abspielte. Die Erläuterungen zu den einzelnen
Tafeln sollen dabei nicht wiederholt werden.
* * *
Die Insel Java ist ein Stück des die ganze Erde umspannenden tertiären
Faltensystemes, dem eine gewaltige zentrale Reihe von Vulkanen aufgesetzt
ist. Mit Ausnahme kleinerer Vorkommnisse von Kreidegesteinen und Schiefem
unbekannten Alters besteht die ganze langgestreckte Insel ausschliesslich
aus Sediment- und Eruptivgesteinen tertiären und jüngeren Alters.
Während die Gebirgsfalten relativ einfach gebaut und von unbedeutender
Höhe sind, erreichen 14 der etwa 120 Vulkankegel eine Höhe von
über 3000 Metern. Mit Ausnahme des 45 km breiten, die Halbinsel Djapara
bildenden erloschenen Muria gruppieren sich alle bedeutenden Vulkane auf
eine zentrale Zone, deren EW-Richtung dem Streichen der Faltenzüge
und der Längsausdehnung der Insel entspricht. Die wichtigsten tätigen
Vulkane sind: Smeru 3676 m, Raun 3332 m, Lamongan 1664 m, Merapi 2800 m,
Kelut 1731 m, Guntur 2248 m, Gedé 2958 m und Krakatau 822 m. Wie
bei den Kettengebirgen, so sind bei den Vulkanen im allgemeinen die jüngsten
auch die höchsten. Denn je älter ein Gebirge oder Vulkan, um
so mehr ist er von der Erosion angegriffen und abgetragen. Es ist
darum kein Wunder, dass unter den javanischen Vulkanen der jugendliche,
lebendige Smeru auch der höchste ist. In manchen Fällen freilich
zerstören sich die Vulkane durch ihre eigenen Explosionen. Stücke
des Kraterringes werden weggesprengt oder stürzen gegen den Schlot
ein, ja es können ganze Vulkanberge, wie es beim Krakatau in der Sundastrasse
im Jahre 1883 der Fall war, in die Luft gesprengt werden. Vielleicht
hat der Smeru jetzt seine grösste Höhe erreicht, vielleicht wird
er später nach längerer Verstopfung des Schlotes durch eine Explosion
teilweise zerstört werden.
Während bei einem Dislokationsgebirge der einzelne Berg durch
die Tätigkeit der Erosion aus der Gesamtheit herausgeschält wird,
ist bei den vulkanischen Erhebungen im Gegenteil der einzelne Berg die
primäre Erscheinung. Das vulkanische Gebirge entsteht durch Summierung
und gegenseitige Durchdringung einzelner Vulkane. Der Smeru legt sich an
einen solchen vulkanischen Gebirgszug an; er ist der jüngste lebende
Vertreter eines der schönsten vulkanischen Gebirgszüge, des Tengger-Gebirges.
Wir folgen zunächst dem in natürlichem Längen.Höhenverhältnis
dargestellten NS gerichteten Querprofil durch Ost-Java über das Teoggergebirge
(Fig. 1).
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Der Tengger.
Von der Javasee (Pasuruan) erhebt sich das Gelände erst kaum merklich
durch die tropischen Niederungen mit Reis- und Zuckerrohrfeldern, dann
rascher durch die Kaffeeplantagen hinauf bis zu dem 2700 m hohen Penandjahan,
den man zu Pferd in 1-2 Stunden von dem berühmten 1800 m hohen Sanatorium
Tosan aus erreicht. Wir befinden uns hier am nördlichen Kraterrand
des ge waltigen alten Tengger-Vulkanes. Den Blick von diesem herrlichen
Aussichtspunkte auf eine der schönsten Vulkanlandschaften der Erde
gibt Taf. 1 wieder. Der zu einem stumpfen Viereck umgeformte Kraterring
hat einen Durchmesser von über 8 km und zeichnet sich fast überall
durch seinen scharf zugespitzten Grat aus. Sein flacher Kraterboden, wohl
früher ein Lavasee, liegt 2100 m über Meer und ist grösstenteils
mit vulkanischem, magnetitreichem Sand überschüttet. Man bezeichnet
ihn als „Sandsee“ oder javanisch „Dasar“.
Mit dem Durchmesser von 7 km ist die Sandsee einer der grössten
Kraterböden der Erde. Wir befinden uns bereits über der regenreichen
Tropenzone, in einem relativ trockenen Steppenklima. Aus der Sandsee
erheben sich als Kindervulkane 4 kleinere Kegelberge. Unter diesen
ist der Widodaren der grösste und älteste. Von seinem Kraterrand
ist aber nur noch der westliche Halbkreis schön erhalten, der mit
2610 m Höhe die Sandsee um 500 m überragt Charakteristisch sind
die regelmässigen, tiefen Erosionsfurchen des Aussen-kegels (Taf.
1).
Der östliche Teil des Widodaren ist von dem nächst jüngeren
Tenggerkind, dem Segara-Wedi durchbrochen, so dass der mit Sand gefüllte
Kraterboden nach N-E zu dem ebenso sandgefüllten, 130 m tieferen Boden
des Segara abfällt (Taf. 1).
Als dritter und am regelmässigsten, wie ein Kaffeekuchen geformter
Sekundärvulkan, hat sich der Batok freistehend aus dem Tengger Kraterboden
aufgetürmt. Aus seiner wunderbar regelmässigen Gestalt möchte
man schliessen, dass er aus einer einzigen, wenn auch vielleicht sich über
Jahre erstreckenden Eruption hervorgegangen sei. Er ist ein jetzt toter
Sandhaufen mit von Vulkansand fast eben zugeschüttetem und vom Wind
gefegtem Kraterkopf.
Während die vulkanische Tätigkeit der bisher genannten Vulkane
völlig erloschen ist, befindet sich das vierte Kind, der berühmte,
von Tosan aus viel besuchte Bromo noch frisch am Leben. Er lehnt
sich südöstlich an den Batok und schliesst sich anderseits durch
einen gemeinsamen Südgrat an den Segara an. Dem Beschauer springt
unter allen der Bromo in die Augen durch den äusserst scharfen Grat
aus weissen verkrusteten Aschen und das sehr tiefe Kraterloch,
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aus dem er beständig Dampfwolken aushaucht. Hand in Hand mit den
grösseren
Eruptionen von 1804, 1822, 1830, 1838, 1842, 1848 veränderten
sich Form und Tiefe des Kraters. Zurzeit befindet sich der Bromo
in einem relativen Ruhestadium. In der Nacht leuchtet die Glut des tiefsten
Kraterloches, aus dem unter sturmartigem Rauschen Dämpfe von Wasser
mit H2S und HCI ausgestossen werden.
Die Ajek–Ajek–Gruppe.
Nach den verwischten Formen dieser zwischen Tengger und Smeru eingeschalteten
vulkanischen Gebirgsgruppe zu schliessen, handelt es sich wohl um den ältesten
Teil des Querprofils. Die früheren Vulkankegel und Kratertrichter
lassen sich nur noch teilweise rekonstruieren. Am deutlichsten ist
noch die westliche Ringmauer vom Djambangan 3019 m, bis Ajek–Ajek 2819
m, erhalten. Der einsame Bergsee Kumbala entspricht dem dazu gehörigen
Kraterboden. Es scheint, dass sich im Laufe der Jahrhunderttausende die
eruptive Tätigkeit von hier aus erst nach Norden zum Tengger, dann
nach Süden zum Smeru abgespaltet habe.
Der Smeru.
In elegant geschwungener Profillinie, erst sanft, dann 28-37° steil
ansteigend, erhebt sich im Süden dieser jüngste und höchste
Kegel über dem aus miocaener Breccie bestehenden Hügelland der
Südküste (Fig. 1). Im Norden lehnt sich der Gipfelkegel in einer
Höhe von rund 2700 m an den älteren Kapala der Ajek-Ajek-Gruppe
(Taf. II). Er besteht grösstenteils aus lose aufgeworfenen Aschen,
Sand und Blöcken von Augitandesit-Gestein. Die Blöcke nehmen
nach oben zu und werden grösser, bis wir auf dem Gipfel metergrosse,
scharfeckige Andesitblöcke finden (Taf. V). Nur auf der Südseite
des aktiven Kraters kann man Einschaltungen von Laven beobachten, die mit
losem Auswurfmaterial wechsellagern und bei früheren Eruptionen aus
dem Krater ausgeflossen sind. (Fig. 3 und Taf. III). So einheitlich der
Smeru von weitem gebaut erscheint, so ist doch seine Gipfelpartie nicht
einheitlicher Art und aus zeitlich und örtlich wechselnden Eruptionen
hervorgegangen. Die höchste Erhebung, der Mohameru, 3676 m, ist eine
oben fast ebene Kappe von vulkanischem Auswurf. Bevor man diese erreicht,
muss man beim Aufstieg von Norden her eine kleine Wand aus Sand und Steinen
überklettern. Hier kann man deutlich beobachten, dass die unter
dem Abhang parallele Schichtung umknickt in horizontale Lage. Es scheint,
dass der Mohameru ein zugedeckter älterer Krater sei, wie in Fig.
3 angedeutet ist. Bei jeder grösseren Eruption wird der Mohameru
mit einer neuen Schicht von vulkanischem
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Trümmerwerk erhöht. Er ist also im Wachsen begriffen,
bis er früher oder später einmal weggesprengt oder der Erosion
verfallen wird.
Südlich des Mohameru liegt der aktive Krater mit etwa 300 m Durchmesser.
Sein nördlicher Ringwall erreicht etwa 3650 m (Taf. IV-V), während
der süd-östliche Rand infolge von Absprengung stark erniedrigt
ist und mit einer scharfen Kerbe nach SE mündet. Auf Taf. III,
Fig. 2 kann man ausserdem im Kraterinnern einen dunkeln Fleck deutlich
erkennen. Das ist, wie Albert Brun gezeigt hat, eines der Eruptionszentren,
bestehend aus heisser Lava. Diese Aufnahme wurde in der kurzen Zeit zwischen
zwei aufeinanderfolgenden Explosionen gemacht.
Fig. 3. Profilskizze durch den Gipfel des Smeru vor der
Eruption des 15. Novembers 1911. 1: 20000
L = Lava, schwarz gezeichnet.
K = vermutlich eingedeckter früherer Krater.
Solange die Ueberlieferungen zurückreichen, ist der Smeru tätig,
wenn auch oft mit jahrelangen Ruhepausen. Seine normale Tätigkeit
besteht aus kleinen Eruptionen mit Auswurf von Steinen und dunkeln Rauchwolken,
aus denen Sand und Aschen niederfallen. Sie finden zuweilen mehrere Male
in einer Stunde, zuweilen auch nur wenige Male in einem Tage statt. In
grösseren Zeitabschnitten, ähnlich wie beim Bromo, besonders
nach längeren Ruhepausen, erfolgen grössere Eruptionen, wie z.
B. nach Junghuhn in den Jahren 1818, 1829 nach 10 Jahren Ruhe, 1831.
Hand in Hand mit den Eruptionen hat sich die Kratergestalt verändert.
Durch die gewaltige Eruption von 1885, wobei ein Lavastrom ausgegossen
wurde und eine Sandlawine 70 Personen tötete, ist der vorher kleine
Krater erweitert worden, derart, dass der ehedem zwischen Mohameru und
Krater getrennt dastehende Kamm von 3650 m abermals zum direkten Kraterrand
wurde, wie in Taf. III und Fig. 3 zu sehen ist.
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Die Eruption vom 15. November 1911.
Gemeinsam mit Herrn Mineningenieur F. A. A. van Gogh habe ich morgens
2 Uhr des 12. November 1911 im Halbmondschein von Tosan aus die Reise nach
dem Smeru angetreten. Da mein Freund an Malaria-Anfällen litt, nahmen
wir ausser einem Dutzend Kulis als Träger für Zelte, Proviant
und Apparate zwei jener ausgezeichneten Bergpony-Hengste mit. So gelangten
wir rasch auf die Höhe des Mungalpasses 2482 m am Tenggergrat, wo
zum erstenmal der Blick nach der mondartigen und nun zudem vom Mond beglänzten
Vulkanlandschaft des Tengger frei wird. Der Weg führt von dort im
steilen Zickzack zur Sandsee hinab, dann in südlicher Richtung quer
über die Sandsee und wieder steil hinauf auf den Ider-Ider, den südlichen
Grat des Tenggerkraters. (In Taf. 1 senkrecht unter dem Smeru). Durch die
langen „Nadeln“ der Tjemara- (Casuarina-) Bäume rauschte melodisch
der kalte Wind.
Unterdessen hatte die Morgensonne einen zarten roten Schimmer auf den
erhabenen Smeru geworfen. Ein gekräuseltes dunkles Wölklein erhob
sich darüber, das sich bald wieder verwischte und vom Winde nach Westen
abgetrieben wurde. Acht Monate hatte der Smeru in Ruhe gelegen, und nun
beglückte er uns mit einem Lebenszeichen! Ein schmaler Pfad
biegt nun rechts ab und führt in südlicher Richtung über
den sanft abfallenden Aussenkegel des Tengger hinab, zwischen malerischen
Tjemarawäldchen und vergilbten Grasflächen hindurch zu einem
grünen Seelein, dem Ranu Pani. Gänse schnatterten und eine Ziegenherde
kam zur Tränke. Hinter dem Seelein stehen zwei Sennhütten auf
einem leuchtend grünen Rasen. Hölzerne Glocken der Kühe
schallten herüber. Es war, als ob wir in den heimatlichen Bergen
weilten. Weiter südlich folgt ein Hügelrücken, dann
ein zwischen Tjemarawald eingesenkter herrlich grüner Rasenboden mit
einer weiteren Hütte, gedeckt mit Wellblechdach, die von einem alten,
gutmütigen Chinesen bewohnt war! Er züchtete Pferde, Schafe,
Ziegen, Schweine. Ein Quellbächlein murmelt durch das blumenreiche
Grün. Von hier an geht der Pfad steil durch den herrlichsten Tjemaraurwald
aufwärts. Der Waldboden ist voller Blumen, Ranunkeln, Vergissmeinnicht,
Umbelliferen, Kompositen, Veilchen, und auf den knorrigen mit Moos und
Flechten bedeckten Tjemaraästen blühen Orchideen von der Farbe
unserer Alpenrosen. Je höher wir im Tropengebiet in die Höhe
steigen, um so ähnlicher werden die Lebensverhältnisse der Organismen
mit denen der nördlichen Erdteile. Brombeersträucher und das
mannshoch werdende „Kenggeng“ - Schlinggras versperrten den Pfad und machten
den Aufstieg immer mühsamer. Doch nach zweistündigem Ringen
war der Ajek-Ajek-Grat (2819 m) erreicht. Zwischen
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Tjemaranadeln und herrlich hellgrünen Baumfarren hindurch winkte
der Smeru in vollkommener Ruhe. (Standpunkt der Fig. 3, Taf. VI).
Nach der Mittagsrast ging es südlich auf schlüpfriger Erde
durch das Walddickicht hinab und dann aus dem Wald hinaus auf ein sonniges
Tal, das wie ein Trog zwischen die bewaldeten Höhen eingesenkt liegt
und wie ein langhaariger Teppich mit hohem seidenglänzend gelbem Steppengras
bekleidet war. Das ist ein Teil des alten Ajek-Ajek-Kraterbodens, und der
Berggrat zur Rechten mit den Lavafelsen muss ein Stück des einst geschlossenen
Ringgrates sein. Wir folgten dem Steppental und gelangten zwischen weich
geformten nach links sich öffnenden Halden zu einem träumerisch
einsamen blauen Bergsee. Die Ufer sind von gelben Grashalden und Tjemara-Baumgruppen
umgeben, die sich im stillen Wasser spiegeln. Das ist der Ranu Kumbala
(2400 m), ein mit Wasser gefülltes ehemaliges Kraterloch. Hier am
Ufer schlugen wir das Zelt auf, denn es war der letzte Wasserplatz auf
unserer Reise. Bald kamen Nebel um die Bäume hergeschlichen,
und der Abendwind löschte den Spiegel aus. Es war die Wendezeit des
Ostmonsuns, und wir befürchteten eine Wetteränderung.
Am folgenden frühen Morgen, während die Sonne die von Osten
herziehenden Schäfchenwolken rötete und aufzulösen begann,
zogen wir weiter dem versteckten Smeru entgegen, zuerst über einen
Steppensattel, dann wieder über einen ehemaligen Kraterboden mit hohem,
gelbglänzendem Büschelgras, und jenseits desselben in den herrlichen
Tjemara-Urwald des Kapala hinein, uns durch Brombeergestrüpp mit bis
mannshohem Waldgras und zwischen gefallenen Stämmen hinaufwindend.
Von einem Wege war keine Rede mehr, doch die Route war durch Buschmesserhiebe
in die Baumrinden angedeutet, die wir früheren Smerubesteigern zu
verdanken hatten.
Bei 2700 m Höhe, am Westfuss des Kapala (das heisst Kopf) öffnet
sich der Wald zu einer neuen Graslichtung mit parkartigen Baumgruppen.
Eine schwarze Waldziege, an eine Gemse erinnernd, jagte aufgescheucht vor
uns her, und ein Hirsch „bellte“ im nahen Busch. Der Blick auf den Smeru
war nun frei geworden. Breit und schwerfällig sieht der gewaltige
Aschenkegel in der Verkürzung von unten aus. Nebeln gleich trieb der
Vulkanstaub im Ostmonsun (Taf. II). Sonst stand der Berg in tiefer Ruhe.
Vom Nordfuss des Kegels, einem scharfen Satteleinschnitt wo wir die
Pferde und einen Teil der ausgezeichneten javanischen Kulis zurückliessen,
sind noch rund 1000 m Steigung bis zum Gipfel zu bewältigen, davon
400 bis zur oberen Waldgrenze. Im Zickzack führt ein Weglein neben
schlackensteinigen Runsen steil durch den Wald hinauf bis zum Kopf einer
der breiteren Rippen, wo auf einem ebenen Plätzchen bei rund 3000
m Höhe seit unbekannter Zeit zwei kleine, in Stein gehauene Hindu
Bildnisse aufgestellt sind. Der Waldplatz wird von den Holländern
als „Oudheid“, von den Javanen als Retjåpådå be-
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zeichnet. Die Eingeborenen betrachten die beiden, den Senopati und
die Aruman, als die den Smeru bewachenden Schutzgötter, und bringen
ihnen bei jeder Besteigung betend Weihrauchopfer, Geld und Brot. 1) Hier
haben wir das Zelt aufgeschlagen. Obwohl es erst Mittag war, mussten
wir der Nebel wegen, die gewöhnlich am Nachmittag den Berg verhüllen,
den letzten Aufstieg bis auf den folgenden Morgen früh verschieben.
Während der sternenlosen Nacht rauschte ein für den Tropenmenschen
grimmig kalter Ostwind in den Bäumen und das Zeltdach flatterte, bis
es auf einmal windstill wurde. Die Calmenzone zwischen Ostmonsun und dem
dieses Jahr verspätet eintretenden Westmonsun der grösseren Höhen
hatte sich auf unsere Höhe von 3000 m herabgesenkt. Um zwei Uhr des
14. Novembers wollten wir aufbrechen, um bei Tagesanbruch auf dem Gipfel
zu sein, doch die Nacht war lichterlos. zu finster, um den eigenen Fusstritt
zu sehen. So schliefen wir weiter bis um 3 Uhr. Da kam die Mondsichel zwischen
den Bäumen zum Vorschein. In einer Viertelstunde erreichten wir bei
3100 m die auffallend scharfe Waldgrenze. Nicht die klimatischen Faktoren
sind es, die hier dem Baumwuchs Halt gebieten, sondern allein der Stein-
und Aschenfall. Die oberen Bäume sind zerschunden und die Rinde ist
mit Asche überkrustet.
Von hier an beginnt der völlig pflanzenleere Aschenkegel. An Stelle
des tiefer durchfurchten Waldes treten ungezählte kleinere, frische,
zum Gipfel radiale Erosionsrinnen und Gräte. Mit jedem Tritt, den
man auf dem 300 steilen Gehänge aus hellem Staub und scharikantigem
Sand mit Steinen von Schlacke und klingend harter Andesitlava aufwärts
schreitet, rutscht man wie auf einem Sandhaufen die Hälfte zurück.
Die besten Fusstritte bieten die grösseren, in der verkrusteten Asche
eingebetteten Lavablöcke, die nach oben an Häufigkeit und Grösse
zunehmen. Im fernen Norden, am Ider-Ider-Grat, wo wir hergekommen waren,
leuchtete das dumpfrote Feuer eines Steppenbrandes. Unterdessen war
es Tag geworden. Wir brauchten bis hierher gute zwei Stunden zum Aufstieg.
Bevor man den flachen Gipfelkopf erreicht, muss man erst noch mit Hilfe
des Pickels eine etwa 5 m hohe horizontal geschichtete Schuttwand überklettern.
Kaum merklich weiter steigend erreicht man den höchsten Punkt des
Mohameru, 3776 m, wo früher ein Signal errichtet war. Der Gipfel ist
ein vollkommen kahler Haufen von vulkanischem Schutt.
Uns Tropenmenschen fror es bei dem grimmigen Wind von 60 C. auf dieser
einsamen Höhe. Wir waren durch die Calmenzone in den Westmonsun hinaufgelangt.
Eben hatten sich die Wolken gelichtet und die Aussicht ein wenig geklärt,
da vernahmen wir ein dumpfes sturmartiges Rollen. Im gleichen Augenblick
1) Die Eingeborenen der Berggegend von Tosan sind halb
Hindu, halb Mohammedaner. Um sicher zu geben, schenken sie beiden Religionen
Glauben, und noch mehr dem Aberglauben. Die erbettelten Geldopfer
für den Senopati stecken sie am liebsten in die eigene Tasche,
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flogen aus dem südlich vor uns liegenden Krater eckige, teilweise
dumpf glühende, kopfgrosse Steine in die Luft. Noch bevor sie auf
den Kraterrand zurückgefallen waren, erschien eine schwarze Rauchwolke,
die sich in ungezählten wirbelnden Ballen auseinander bewegte, bis
sie in einigen hundert Metern Höhe vom Westwind verwischt und weggetrieben
wurde. Noch ahnten wir nicht, dass diese kleine, normale Eruption der Beginn
eines gewaltigen Ausbruchs werden sollte. Ich eilte zum östlichen
Kraterrand, um einen photographischen Schuss nach dem höllischen Kraterloch
abzugeben (Taf. III, Fig. 2). Noch keine hundert Schritte war ich wieder
zurück, als es von neuem donnerte und glühende Steine aus etwa
50 m Höhe dicht neben mir niederfielen. Ich schaute dem wirbelnden
Rauch ins Gesicht, der in zwei aufeinanderfolgenden Stössen wie Pilze
aus dem Kraterloch dicht neben mir emporschoss (Taf. VI, Fig. 1). Wie Regen
aus einer schwarzen Wolke fiel der mitgerissene Sand und Staub aus dem
sich ausbreitenden Qualme hernieder (Taf. IV).
Wir hatten uns zum Picknick auf dem Mohameru niedergelassen und uns
an den frisch ausgeworfenen Andesitlavablöcken die Hände gewärmt,
da donnerte es von neuem. Während der zwei Stunden, die wir auf dem
Gipfel zubrachten, ereigneten sich im ganzen etwa 10 Eruptionen in unregelmässigen
Zeitabständen und von ungleicher Wucht. Die späteren waren die
heftigeren; das Donnern wurde stärker, die Rauchwolken wurden höher
in die Luft geschleudert und die stossweisen Auspuffungen folgten sich
während ein und derselben Eruptionsphase in mehreren Stössen
hintereinander, so dass einige mehrere hundert Meter hoch ansteigende Rauchsäulen
entstanden, die sich oft pinienförmig ausbreiteten, bis sie vom Winde
verwischt wurden (Taf. VI, Fig. 2).
Bevor wir den Abstieg antraten, war die Sonne erschienen, und der Nebelschleier
hatte sich gelichtet, so dass wir die ganze Aussicht geniessen konnten.
Mit einem Blick überschaut man die Insel von der Javasee und dem Tengger
im Norden bis zur brandenden Küste der offenen Südsee. Tief unter
uns am Fussgehänge des Smeru erkennt man grosse Kaffeeplantagen. Im
Osten überragten die riesigen Vulkangruppen des Hiang (3086 m) und
der ferne Raung (3330 m) den zarten Nebeldunst, und im Westen tauchten
der Kawi und der Ardjuno (3393 m) auf. Dann stiegen wir ab und übernachteten
wieder im Zelt am Ranu Kumbala. Wegen Nebel konnten wir nichts mehr sehen.
Doch die Nacht wurde sternenhell, windstill, und das Thermometer sank auf
3° C
Am folgenden Tage, dem 15. November 1911, brachen wir mit der Sonne
auf, die dem letzten Nebelstreif am Kapala einen warmen Abschied gab. Es
blieb nur noch eine grosse düstere Wolke am blauen Himmel stehen,
den Berg selbst überschattend, der sie erzeugt - der Rauch des Smeru!
„Wären wir heute oben statt gestern“, dachten wir. Doch nein, wir
würden vielleicht totgeschlagen.
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Man hörte ein beständiges dumpfes Rollen. An Stelle
der intermittierenden Explosionen war eine kontinuierliche Eruption getreten.
Ohne Unterbruch folgte ein Stoss dem anderen; die Rauchsäule stieg
noch einmal so hoch zum Himmel wie der Smerugipfel, bis sie vom Westmonsun
glatt abgestrichen und nach Osten zu einer Schattenwand verlängert
wurde.
Noch einmal und leider zum letztenmal – sahen wir den Smeru
auf unserem Rückwege, nämlich um 8 Uhr des gleichen Morgens auf
dem
Ajek-Ajek. Da hatte die Rauchsäule eine Höhe von 6000 m über
Meer erreicht. Ihr gekräuselter Kopf glänzte vor dem dunkelblauen
Himmel wie ein weisserWolkenrand.
Nun ballten sich die Nebel in den Tälern und hüllten alle
Berge ein. Aber das Donnern dauerte fort, ja immer heftiger, obwohl wir
uns immer weiter vom Smeru entfernten.
Statt den geraden Rückweg anzutreten, stiegen wir vom Ider-Ider-Grat
in das Ringtal des Tenggerkraters hinab und ritten galoppierend über
die wunderbar grüne Fläche mit ihren wilden Pferden und dann
über die kahl werdende wüstenhafte Sandsee um den Bromo und Batok
herum nach dem Mungalpass. War das Dröhnen hinter dem dampfenden Bromo
verstummt, so vernahmen wir es wieder auf der Höhe. Wir waren
in der Luftlinie gemessen rund 20 km vom Smeru entfernt, und doch hörten
wir das Donnern etwa in gleicher Stärke, wie am Tage zuvor morgens
7 Uhr auf dem Mohameru, als wir nur einen halben Kilometer vom Krater entfernt
waren. Die Eruption musste also mehr als die tausendfache Wucht entfaltet
haben. Es war um zwei Uhr nachmittags. Wir rasteten in der Unterkunftshütte
des Mungalpasses, wo sich auch andere Touristen eingefunden hatten, hoffend,
dass sich die Wolken lösen möchten. Da, mit einem Mal entstand
im Süden ein blaues Wolkenloch und in dieses hinein drang ein lebendiger,
weiss gekräuselter Wolkenkopf, wie ein Blumenkohl – das war der von
der Sonne beleuchtete Kopf des Smeruqualmes! Der Winkel mit der Horizontalen
betrug 15°. Wenn wir von einer Ausdehnung nach Norden bei dem vorhandenen
westlichen Höhenwind absehen, so ergibt sich daraus eine Höhe
des Wolkenkopfes von 7500 Metern (Fig. 1).
Um vier Uhr kamen wir wieder ins Sanatorium Tosan zurück und konstatierten
mit dem Wasserglas ein Beben der Erde. Das ganze Smeru-Tengger Gebirge
zitterte. Das Donnern hatten die Kurgäste einem Gewitter zugeschrieben.
Da öffnete sich kurz nach fünf Uhr die Wolkenschicht zum zweitenmal.
Über 30° hoch stand der fabelhafte Blumenkohl am Himmel. Wie Fig.
4, Taf. VI deutlich zeigt, hatte sich die Smeruwolke auch nach Norden ausgebreitet,
so dass aus dem Winkel die Höhe nicht bestimmt werden kann. Dass sie
10,000 m erreichte, ist kaum zu bezweifeln. Obwohl wir nun weit vom
Smeru entfernt waren, kam mir die Lage weniger gemütlich vor als am
Tage vorher auf dem Kratergipfel zwischen den fallenden Steinen. Man erinnerte
sich an den Krakatau
und erwog die Möglichkeit, dass der Smeru in die Luft gesprengt,
Ostjava verwüstet und durch einen Meerarm vom Westen abgetrennt werden
könnte. Doch der Gewaltakt war vorüber. Es wurde still.
Am folgenden Morgen des 16. Novembers waren Spuren von Aschen gefallen,
so dass man auf dem Tennisplatz mit den Fingern schreiben konnte. Schon
vor sechs Uhr war ich wieder mit photographischen Apparaten auf dem Gipfel
des Penandjahan, 2770 m. Der Himmel war ringsum trübe von Vulkanstaub
mit Nebeldunst gemengt. Der Smeru reckte seinen Riesenkopf aus dem dicksten
Schleier empor und über ihm erhob sich eine scheinbar stehende Rauchsäule
von einem Kilometer Durchmesser. Vom Donner war nichts mehr zu hören,
und von einer nennenswerten Formveränderung des Gipfels war von dort
aus nichts zu bemerken.
Am Abend kamen die ersten telegraphischen Berichte nach Tosan. Ein
Strom von Lava gemengt mit Schlamm und Steinen sei am vorhergehenden Abend
von der Kraterkerbe gegen Südosten ausgeflossen und habe an den Kaffeeplantagen
Schaden angerichtet. In den Orten Lumadjang und Pasirian auf der Ostseite
des Smeru war eine 1-2 cm dicke Schicht von grobkörnigem Sand aus
Magnetit, Feldspat und Quarz mit einzelnen kleineren Schlackensteinen gefallen.
Steine wurden bis 20 km weit vom Srneru nach Osten geschleudert. In Puger
an der Südküste, 70 km weit, musste das Viehfutter erst sorgsam
gewaschen und die Kaffeebäume noch am Idjen Plateau geschüttelt
werden. Die Detonationen wurden bis zur Insel Lombok gehört, und auf
Bali, 200 km weit entfernt, soll die Asche noch 4 mm dick gefallen sein.
Das Material entstammte dem Erdinnern; es war vorherrschend zerstäubtes
Magma.
Zehn Tage nach der Eruption segelten wir nach der menschenleeren Urwaldinsel
Nusa Barung bei Puger an der Südküste Ost-Javas, und konnten
von dort aus beobachten, dass der Smeru noch nicht zu seiner normalen Tätigkeit
zurückgekehrt war. Rauchwolken stiegen auf 5000 m Höhe, und das
Bild änderte sich jede Minute. Einmal sahen wir, wie sich ein dunkler
Qualm mit rasender Schnelle über den steilen Kegel gegen die Südküste
herabwälzte, während der gelblich beleuchtete, losgelöste
Kopf auf 5500 m gestiegen war.
Nach der Eruption vom 15. November 1911 wurde der Smeru zuerst wieder
von Van Gogh bestiegen und zwar Anfang Juni 1912. Im ganzen hat der unterdessen
zur Ruhe gekommene Berg seinen Eruptionen besser standgehalten, als erwartet
werden konnte. Veränderungen von grosser Bedeutung sind nach Van Gogh
nicht eingetreten. Auf dem Mohameru lag eine neue 1-2 m dicke Decke von
noch warmem Auswurf. Der nördliche Kraterrand war steiler und schärfer
zugespitzt; das Kraterloch schien tiefer, steiler und breiter zu sein,
indem die Südwand des Kraters um etwa 100 m ausgesprengt worden war.
Ausserdem konstatierte Van Gogh zwischen Tuffiagen neue Lavadecken an der
weiter südöstlich verlegten Kerbmündung des Kraters.
Wie in vorhistorischer Zeit, so zeigt der Smeru auch jetzt noch die Tendenz,
das Eruptionszentrum in südlicher Richtung zu verschieben.
So gewaltig uns Menschen die vulkanischen Katastrophen auch vorkommen, so sind sie doch in der fortwährenden Umgestaltung der Erdrinde von untergeordneter Bedeutung. Die alternde Erde hatte sich wieder einmal laut geräuspert und gespien. Die grössten Umwälzungen aber vollziehen sich langsam und still.
Tafeln:
I Die Vulkangruppe Bromo-Smeru
II Der Aschenkegel des Smeru von NW gesehen
III 1. Auf dem Weg nach dem Smeru
2. Der Krater des Smeru
IV Am nördlichen Kraterrand des Smeru
V Auf dem Gipfel des Smeru (siehe unten)
VI Aufeinanderfolgende Stadien der Smeru Eruption
1. 14.Nov 1911 7:00
2. 14.Nov. 1911 9:00
3. 15.Nov. 1911 8:00
4. 15.Nov. 1911 17:00
On the summit of Smeru, Nov. 14th, 1911, 8 am