David Friedrich Wiser war erst Eisenhändler und dann Privatgelehrter
in Zürich.
|
Einleitung, Verdankung
David Friedrich Wiser.
Die Abfassung des nachfolgenden Lebensbildes wurde veranlasst durch
den Umstand, dass im Laufe des verflossenen Jahres die Wiser'sche Mineraliensammlung
aus dem engen Raume im alten Hauptgebäude des Polytechnikums in das
neue Naturwissenschaftliche Institut der Eidg. Techn. Hochschule verlegt
werden und dort eine besondere Aufstellung finden konnte. Bei dieser Gelegenheit
schien es dem Verfasser eine dankbare und pflichtgemässe Aufgabe zu
sein, das Lebensbild und Lebenswerk des Mannes, dem wir so viel Schönes
und Kostbares zu verdanken haben, der Mitwelt vor Augen zu führen.
Manche wichtige Mitteilung oder wertvolle Mithülfe verdanken wir
dabei seinem nächsten noch lebenden Anverwandten, Herrn Dr. F. O.
Pestalozzi-Junghans, ferner Herrn Fr. Amberger, den Herren Professoren
A. Heim, H. Schinz,
F. Rudio und Universitätssekretär Rüegger in Zürich,
sowie Herrn Georges Claraz in Lugano und Professor P. von Groth in München.
Für gütige Überlassung der Originale zur Herstellung des
Titelbildes und Frauenbildes sind wir Herrn Dr. F. O.Pestalozzi-Junghans,
für das Bild aus den späteren Tagen Herrn Prof. H. Schinz und
für den Sammlungsplan Herrn Prof. G. Gull zu besonderem Danke verpflichtet.
Der Verfasser.
als Auszug, die Seiten 11-13
...
Alljährlich pflegte er auch eine Reise in die Berge zu machen
und dabei die „Straler“, die Mineralienhändler und Mineraliensammlungen
zu besuchen. Seine häufigste Route war die neu angelegte Gotthardstrasse
bis Airolo und Faido, wobei er unterwegs in den Dörfern nach Mineralien
fragte. Aber auch ins Tavetsch und Bedretto, ins Binnenthal und Berneroberland
zog er wieder-
- 11 -
holt, reiche und seltene Schätze sammelnd. Dabei kam er
mit vielen Kristallgräbern in persönliche Berührung, machte
sie, die vorher fast nur die Bergkristalle ihrer Aufmerksamkeit gewürdigt
hatten, auch auf die anderen Schweizermineralien aufmerksam und lehrte
sie dieselben kennen. Mit vielen derselben stund Wiser in einem gewissen
Vertrauensverhältnis, und sie boten ihm stets gern als erstem ihre
Funde an. Damit erhielt er überall die ersten Stücke, und diese
waren oft auch die besten und konnten gegenüber heute zu recht billigen
Preisen erworben werden. Stücke und Stufen, denen er nicht traute,
behielt er sich vor, eine Zeitlang ins Wasser zu legen. Durch solch
engen Verkehr mit den Stralern wurde Wiser im Verlaufe der Jahre eine wahre
Fundgrube von Wissen über Schweizermineralien; besondere Mühe
hat er sich gegeben, die Mineralfundorte möglichst genau zu eruieren
und den spezifisch lokalen Charakter der einzelnen Vorkommnisse und Fundstellen
festzulegen.
Er war und blieb stets ein begeisterter Sammler; in den Bergen selber
herumzusteigen und die eigentlichen mineralischen Fundstellen zu besuchen,
wie z. B. J. Königsberger in der Neuzeit mit so schönem Erfolge
es getan hat, das erlaubte ihm seine zarte Konstitution und schwache Gesundheit
nicht. Aber durch sein nahezu 50 Jahre lang fortgesetztes eifriges und
kritisches Sammeln und Sichten schuf er sich nach und nach unter grossen
Kosten eine wundervolle und einzigartige Sammlung von zuverlässigsten
Objekten aus der Schweizermineralwelt von allen ihm bekannt gewordenen
Fundstellen. Einzelne Mineralien sind in derselben in ungewöhnlich
grosser Zahl und Mannigfaltigkeit der Stufen vertreten, so namentlich die
Bergkristalle, Brookite, Anatase, Rutile, Flusspate, Apatite, Eisenrosen
und Titanite. Aber auch die Turmaline, Feldspäthe, Epidote,
Byssolithe, Aragonit und Magnesit, unter den Zeolithen die Stilbite, Desmine,
Chabasite und Laumontite hatten es ihm angetan und liegen darum jetzt in
geradezu wundervollen Stufen vor. In der Untersuchung seiner Objekte hielt
Wiser sich besonders an die Löthrohrprobe, in deren Handhabung er
mit allen Details praktisch aufs gründlichste vertraut war; er benutzte
aber auch die Winkelmessungen mittelst Anlegegoniometer oder durch Ausschneiden
der zu messenden Kristallwinkel in Kartonstreifen, die stets den Objekten
beigefügt wurden. Auf den immer höchst sauber geschriebenen,
meist recht ausführlichen Etiketten der Stücke notierte er gerne
auch das Urteil von Fachgelehrten über die betreffende Stufe, ferner
den Preis und immer auch die französische Bezeichnung nach R. J. Hauy,
was einen einstigen Aufenthalt in Paris vermuten lässt.
In seiner Wohnung im Münsterhof 12 hatte Wiser ein eigenes Sammlungszimmer;
rings an der Wand standen die Sammlungskästen, gegen das Fenster hin
in der Mitte ein Tisch mit Stühlen ringsum und oben an demselben,
mit dem Rücken gegen das Fenster, ein Fauteuil für den „Steinhauptmann“,
wie Arnold Escher von der Linth seinen Freund scherzweise zu nennen pflegte.
Für längere Sitzungen stunden auf einem kleinen Nebentisch stets
einige Gläschen
- 12 -
für Marsala, sowie „Hüpen“ bereit. Der liebenswürdige
und bescheidene Gelehrte hatte eine grosse Freude, Kennern oder Liebhabern
seine Sammlung zu zeigen, sich an ihrem Staunen, ihrer Freude oder ihrem
Neid zu weiden. Kaum je zeigte er die ganze Sammlung, sondern immer nur
Teile derselben, in späteren Jahren unter Anwesenheit und Mithülfe
seiner Haushälterin, welche auf Besuche von Interessenten und deren
Behandlung genau eingeübt war. Sie war es, welche die von Wiser
bezeichneten Schubladen herauszog und auf den Tisch stellte, eine nach
der andern, niemals eine neue, bevor die vorangegangene wieder an ihrem
Platze war. Bei Besuchern, deren Sachkenntnis Wiser nicht bekannt
war, erschien immer zuerst eine bestimmte Schublade, in welcher verschiedenwertige
zur Prüfung dienende Stücke lagen, Scheinstücke, neben unscheinbaren
sehr interessanten auch „kuriose Käuze“, und Wiser beobachtete nun
von seinem Lehnstuhl aus, wie der Gast sich die Dinge ansah, auf welche
er zuerst losging, welche er näher, welche flüchtiger betrachtete,
und daraus bestimmte er für sich, welche weiteren Schubladen er nun
diesem Gaste zeigen wolle, und für welche derselbe hingegen nicht
reif genug war, um ihre Bedeutung würdigen und geniessen zu können.
Das Allerbeste liess er immer zuletzt aufmarschieren. - Die Wiser'sche
Sammlung genoss mehr und mehr eines hohen Rufes, und unter den mineralogischen
Fachleuten des In- und Auslandes galt es gewissermassen als Ehrensache,
sich bei Wiser einführen und die Sammlung zeigen zu lassen; weitaus
die meisten waren ein- oder mehreremal bei ihm zu Gaste. Daraus entwickelten
sich für den Genannten wieder manche wertvollen freundschaftlichen
Beziehungen, die ihn mit Freude und Genugtuung erfüllen mussten; stand
er doch mit schier allen zeitgenössigen Mineralogen in mehr oder weniger
engem Verkehr! Auch den Studierenden der Geologie, welche für
Mineralien Interesse zeigten und von Freund Escher ihm empfohlen wurden,
demonstrierte er seine Sammlung mit bekannter Liebenswürdigkeit und
machte sie dabei auf vieles Wesentliche aufmerksam; dafür sind ihm
die meisten ihr Leben lang dankbar geblieben. Dem Privatdozenten
G. H. O. Volger von der Universität Zürich stellte er einzelne
seiner Objekte (Granate, Epidote, Talke, Glimmer etc.) für seine privaten
Untersuchungen mit grösster Liberalität zur Verfügung.
Dass Wiser immer mehr zu internationaler Bedeutung heranwuchs, hat
er neben seinem Sammlergeschick insbesondere auch seinen zahlreichen Publikationen
zu verdanken, über welche den Leser im Anhang eine detaillierte Zusammenstellung
einlässlich orientiert. Er benutzte dazu fast ausschliesslich Leonhard's
Jahrbuch für Mineralogie, welchem er zwischen 1838 und 1872 fast jedes
Jahr einen oder zwei Beiträge zukommen liess, entweder in Gestalt
von eigentlichen „Abhandlungen“ oder aber als „briefliche Mitteilung“,
die sich in den ersten Zeiten weitaus vorwiegend über schweizerische
Mineralien verbreiteten, welche Wiser auf seinen Reisen erworben hatte,
in denen er in späteren Jahren aber auch allgemeiner
- 13 -
über seinen Sammlungszuwachs Bericht erstattete. Wir müssen
es uns natürlich versagen, an dieser Stelle spezieller auf die vielen
Arbeiten näher einzugehen; jeder Fachmann wird beim aufmerksamen Durchlesen
derselben den Eindruck erhalten, dass in diesen vielen Veröffentlichungen
ein ausserordentlich reiches und vielseitiges mineralogisches Tatsachenmaterial
in überaus bescheidener und anspruchsloser Art der Mitwelt zur Kenntnis
gebracht wird unter geschickter Anlehnung an bereits Bekanntes und mit
öfteren Hinweisen auf die einschlägige Literatur. Besonders zahlreich
vertreten sind in seinen Mitteilungen sorgfältigste Beschreibungen
einzelner Mineralvorkommnisse von bestimmten Lokalitäten, fast ausnahmslos
unter Angabe der Begleitmineralien und des „Muttergesteins“ der bezüglichen
Stufen und verbunden mit wertvollen kritischen Bemerkungen über charakteristische
Eigentümlichkeiten des spezifischen Habitus eines gegebenen Minerals
in den Vorkommnissen aus den einzelnen Lokalitäten. Es mag im besonderen
verwiesen werden auf seine derartigen Angaben über die verschiedenen
Vorkommnisse der Apatite, Flusspäthe, Titanite, Eisenglanze, Stilbite,
Anatase, Brookite etc. In den späteren Jahren verbreitete er sich
sehr gerne über gegenseitige Verwachsungen von Mineralien, über
Einschlüsse und andere paragenetische Verhältnisse in der Mineralwelt;
auch die Pseudomorphosen beschäftigten ihn namentlich im letzten Jahrzehnt
seiner wissenschaftlichen Tätigkeit, und unschwer kann ersehen werden,
wie Wiser immer mehr dazu kommt, sich nicht zu begnügen mit der blossen
Beschreibung eines gegebenen Objektes, sondern dass er sich dazu gedrängt
fühlt, Anhaltspunkte darüber zu suchen, aus welcher genetischen
Grundlage heraus sich die bezüglichen Erscheinungsformen entwickelt
haben mussten. Damit näherte er sich unbewusst den Richtlinien,
nach denen die heutige Zeit die Naturobjekte aufzufassen pflegt. Für
kristallographische Mitteilungen bediente sich Wiser der damals herrschenden
Naumann'schen Bezeichnungsweise; es ist aber interessant zu sehen, wie
er fast immer auch Bezug nimmt auf die bestimmten Typen nach Hauy, über
dessen Auffassungen er sehr gründlich orientiert war. Über
jedes Mineral hatte er sich ein Verzeichnis seiner Fundorte angelegt; daneben
besass er auch ein Register aller Fundorte mit einer Zusammenstellung aller
Mineralien, die an jedem einzelnen Orte gefunden worden waren.
Wiederholt war aus den mineralogischen Fachkreisen, besonders aber
von seite seines Freundes und Mitarbeiters Escher von der Linth, Wiser
dringlichst aufgefordert worden, sein so überaus wertvolles und einlässliches
Wissen über die schweizerischen Mineralien, die er ja kannte wie kein
zweiter, in einem ausführlichen Werke gedruckt niederzulegen und der
Nachwelt zu erhalten. In Leonhard's Jahrbuch findet sich 1846 (S.456)
darüber die erfreuliche Mitteilung, dass er „über wiederholte
Aufforderung von Escher von der Linth und anderen nun begonnen habe, an
einer ausführlichen Beschreibung der „schweitzischen Mineralien“ zu
arbeiten, dass aber wegen der leider immer angegriffenen Ge-
- 14 -
sundheit die Sache nur langsam vorrücken werde“. - Zum grössten
Schaden für die schweizerische Mineralogie ist aber Wiser leider nicht
dazu gekommen, den gefassten Entschluss auch wirklich zur Ausführung
zu bringen. Übergrosse Bescheidenheit und wiederholte Kränklichkeit
hinderten ihn an der Lösung der vorgenommenen Aufgabe; er sei kein
Gelehrter, pflegte er zu sagen, und möge auch nicht als solcher sich
ausgeben.
Als Anhang folgt eine vierseitige Publikationsliste.
Home Liste der
Neujahrsblätter