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Inhalt:
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Aus der Einleitung:
Die Menschen der primitiven Stufe ernähren sich durch das Sammeln
vegetabilischer Nahrung. Wohl wird auf dieser Stufe Jagd betrieben.
Sie ist Sache des Mannes, die eine erwünschte Vervollständigung
der Tafel ergibt, aber unsicher ist. Deshalb baut sich die Ernährung
des Menschen beinahe immer auf dem Sichern, aber mühsamen Sammeln
der Pflanzennahrung auf. Als eine höhere Kulturstufe bezeichnen
wir die Hackbaustufe, die bereits Kulturpflanzen zur Voraussetzung hat
und der dann als dritte Stufe die Pflugbaustufe folgt.
Als der Mensch zum Hackbau überging, nahm er selbstverständlich
immer noch Reste der Sammelstufe mit hinüber. Auch wir - die
wir auf der dritten Stufe stehen, haben sowohl Reste der Sammelstufe, wie
der Hackbaustufe mitten in unserer Pflugbautätigkeit beibehalten.
Auch wir sammeln noch Himbeeren, Erdbeeren, Heidelbeeren, Pilze und dergleichen.
Der Anbau von Heidelbeeren ist bei uns auch heute noch gänzlich, der
der Pilze beinahe ohne ökonomische Bedeutung.
Wenn wir diese Reste der Sammelnahrung durchgehen, dann haben wir die
Möglichkeit gewonnen, die älteste Nahrung des Menschengeschlechtes
kennen zu lernen. Neben den Beeren des Waldes, die auch heute noch marktgängig
und uns allen bekannt sind, sammeln die Kinder eine Reihe von Pflanzen,
die "Kinderbrote". Unter ihnen sind solche, die am einen Ort nur von den
Kindern gelegentlich gegessen werden, aber an andern Orten oder in andern
Ländern auch dem Erwachsenen als Nahrung dienen, ja selbst kultiviert
oder auf dem Markte feilgeboten werden, ein Beweis dafür, dass diese
Kinderspielereien oft einen Rest der alten Sammelnahrung darstellen. Es
gilt deshalb ihnen nachzugehen, ihren Gebrauch, ihr Sammeln, ihre Benennungen
festzustellen, und es gelingt in der Tat, dadurch eine ganze Reihe von
Früchten und Kräutern als Reste alter Sammelnahrung zu erkennen.
Die Wertschätzung der Nahrung, welche eine bestimmte Pflanze dem
Menschen bietet und damit die der Pflanze selber, wechselte im Laufe der
Zeit. Im Anfang misstrauisch betrachtet, oft sogar nur durch Zwangsmassregeln
einsichtiger Regierungen eingeführt, haben oft die heute wichtigsten
Nutzpflanzen erst langsam an Ansehen gewonnen. Noch vor sieben Dezennien
kam es in der Schweiz vor, dass Leute die Kartoffeln assen, verachtet wurden
und als halbe Revolutionäre galten. Ist mit der Zeit eine Nutzpflanze
zu Ansehen gelangt, so kann sie nicht genug gelobt werden. Sie gilt
oft genug als heilig. Das Ansäen derselben, die Pflege und Ernte sind
heilige Handlungen und die Pflanzen selbst werden wie Personen behandelt,
denen eine heilende Macht innewohnt. Selbst ein Teil der Pflanze kann Menschen
und Tiere gesund oder auch krank machen. Wird aber eine solche Art schliesslich
doch wieder durch eine andere verdrängt, so sinkt sie oft rasch zu
allgemeinen Verachtung herab. Häufig aber bleibt das religiöse
Moment erhalten und was wir heute als Aberglauben betrachten, der sich
an eine gewisse Pflanze knüpft, ist so oft nichts anderes als der
letzte Rest der Achtung vor einer früher gebrauchten und einst als
heilig geltenden Nutzpflanze. Es gilt aus diesem Grunde auch den
Aberglauben in Bezug auf die Pflanzen zu erforschen, um dadurch wiederum
den alten Nutzpflanzen auf die Spur zu kommen. Wohl sind die vielen Übertragungen
sowohl der Gebräuche als auch der Namen bei dieser Forschung sehr
hinderlich, aber die Resultate sind eben doch recht gute.
Alte, verlassene Nährpflanzen verlieren oder wechseln oft ihren
N a m e n. Recht häufig kommt es dabei vor, dass der Name verstümmelt
wird, indem dabei ihr Gebrauch als menschliche Nahrung durch die neue Benennung
unerkennbar gemacht wird, wie Saubohne (Vicia Faba), Kühwurz und Hundsmelde
(Chenopodium bonus Henricus) und Mistmilten (Ch. album). Es ist als ob
der einfache Mensch die Vergangenheit abstreifen wolle dadurch, dass er
sich in Worten überhebt. Die Pflanzennamen geben uns also oft
weitere Anhaltspunkte; dabei dürfen schlecht klingende Benennungen
uns aber nicht abhalten, in der Pflanze eine einst gebrauchte und geachtete
Art zu sehen.
Ausser Gebrauch gekommene Nutzpflanzen des Menschen sinken recht häufig
zum Viehfutter herab. Ich darf an die Runkelrübe erinnern, deren Gebrauch
als menschliche Nahrung nur durch letzte Spuren heute noch im Oberelsass,
im Maderanertal (Kt. Uri) und im Tirol nachgewiesen ist. Die auf Blätter
gezüchtete Form der Runkelrübe jedoch wird von Savoyen durch
das ganze Schweizer Mittelland bis ins Allgäu hinein heute noch als
häufiges Gemüse unter dem Namen "Mangold" oder einfach "Chrut"
gepflanzt. Unter städtischen Verhältnissen wird sie als
Gemüse geachtet, auf dem Lande dient sie vor allem als Schweinefutter.
Wenn wir die ältesten Nährpflanzen kennen lernen wollen, so dürfen
wir uns nicht daran stossen, wenn eine Nahrung, bei der wir einen frühern
Gebrauch durch den Menschen glauben annehmen zu müssen, heute nur
den Tieren vorgelegt wird. Wir haben demnach auch das heutige Viehfutter
in Betracht zu ziehen.
Bei Pflanzen, die früher dem menschlichen Genuss gedient haben,
kommt oft nur noch die technische Verwendung, besonders bei Früchten
die Alkoholbereitung, vor. Unsere Jurassier verwenden die Sorbus-Beeren
zur Schnapsbereitung und aus den Holzäpfeln machen sie Essig, indem
sie die Apfel dämpfen, durchschneiden, an die Sonne legen und nachher
zu Essig vergären lassen. Es gilt also, auch die technische Verwendung
einheimischer Pflanzen für unsere Zwecke im Auge zu behalten.
In Zeiten der Not erinnern sich die Menschen immer wieder der Vergangenheit
und sie suchen eine Vermehrung der Nahrungsmittel durch Anwendung früherer
Methoden zu erreichen. Neben dem Pflugbau wird auf vermehrten Hackbau,
aber auch auf Sammelnahrung zurückgegriffen. Die B e r i c h t e aus
den Zeiten der Hungersnöte sind somit von grösstem Werte. Allerdings
sind sie meist sehr lückenhaft, weil sich die Chronisten darauf beschränken,
die Menge der zugeteilten, gewöhnlichen Nahrungsmittel und die Höhe
der Preise zu nennen und im Übrigen zu erwähnen, dass das Volk
sich mit Wurzeln und Kräutern behalf. Sobald sie uns aber erzählen,
mit was für Sammelpflanzen der Mensch die kümmerliche Nahrung
zu vermehren suchte, zu welchem Zeitpunkte er sie sammelte, wie er sie
zubereitete, aufbewahrte und genoss, so geben sie uns wichtige Aufschlüsse.
Leider sind solche Angaben aber äusserst selten.
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Die Blackten wurden "gestraupft", wobei darauf geachtet wurde, dass
der weisse Blattgrund, "Fett" genannt, auch geerntet wurde. - Dann wurden
die Blackten gesotten.
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Fig. 11. Blacktensüdi im Prättigau: Links Herd
mit Blacktenchessi, dann Blacktensiegi mit Mass und Massgrube, meist in
der Erde, mit Steinplatten ausgekleidet. Rechts Brunnen.
Diesem Kochen folgte eine Sauerkrautgärung in einem "Masshus" oder in einer Erdgrube. |
Im Jahre 1921 waren die Blacktengärten noch in Betrieb - wenn auch nur für die Schweine. Das Neujahrsblatt beschreibt die verschiedenen Methoden der Verwertung je nach Gegend in der Schweiz. Die letzten Massgruben wurden in Obersaxen/Platenga zirka 1955 aufgegeben. Die Erinnerung an das gute Mastmittel ist aber im Jahre 2003 noch lebendig.