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Inhalt:
Für das Internet wurden die Kapitel 2, und Teile der Kap. 4
und 5 ausgewählt.
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2. Herkunft und Entwicklungsgang der Reblaus.
Die Reblaus wurde im Jahre 1854 durch den Entomologen Asa Fitch in
Nordamerika an einer dortigen Rebenart in der blattbewohnenden Form entdeckt.
In jener Zeit hatte man von der praktischen Bedeutung dieses Insektes noch
keine Ahnung. In weitern amerikanischen Reblausfunden, die ebenfalls
die blattbewohnenden Generationen betrafen, handelte es sich insbesondere
um die dortigen Wildreben Vitis riparia und Vitis cordifolia
aus den Missisippiwäldern, und um Vitis caribaca aus dem
tropischen Mittelamerika als Reblausnährpflanzen. Genauer lokalisieren
lässt sich allerdings zur Zeit die engere Heimat der Reblaus noch
nicht, da dieser Frage bisher von den amenkanischen Entomologen nicht die
gleiche Aufmerksamkeit zugewendet wurde wie diesseits des Ozeans. Schon
die bisherigen Funde lassen aber erkennen, dass die oberirdische Entwicklung,
d. h. der Befall der Rebenblätter in Amerika, eine viel bedeutendere
Rolle spielt als es später in den europäischen Weinbergen der
Fall war. Der deutsche Reblausforscher BÖRNER vermutet sogar, dass
der Entwicklungsgang der Reblaus im tropischen amerikanischen Urwalde sich
noch heute ausschliesslich auf den oberirdischen Rebenteilen abspielen
könnte.
Es darf als sicher angenommen werden, dass die Reblaus kurz nach der
Mitte des vorigen Jahrhunderts mit bewurzelten Amerikanerreben in die europäischen
Rebberge eingeschleppt wurde. Man importierte damals, besonders in Frankreich,
solche fremden Reben teils als Zierpflanzen, in der Hauptsache aber in
der Erwartung, dass sie dem kurz vorher eingeschleppten echten Rebenmehltau
besser widerstehen würden als die einheimischen.
Im August 1868 legte PLANCHON seine erste Mitteilung vor, nach welcher
er die Reblaus, Phylloxera vastatrix, verantwortlich machte für eine
verheerende Krankheit, die in Südfrankreich in kurzer Zeit Tausende
von Hektaren Rebland in "einen Kirchhof vertrockneter Reben" verwandelt
hatte. Später stellte es sich heraus, dass die von PLANCHON festgestellte
Art mit der von FITCH beschriebenen amerikanischen Peritymbia vitifolii
identisch sei, nur waren es in Frankreich nicht die blattbewohnenden,
sondern die an den Wurzeln saugenden Generationen des Insektes, welche
das Unheil anstifteten. Mit einer Schnelligkeit von 20 und mehr Kilometer
pro Jahr rückte in der Folge die Verseuchung in Frankreichs Weingelände
vor, so dass man bald auch in der Schweiz auf das Erscheinen der Reblaus
gefasst sein musste. Fraglich blieb vorerst nur, ob das Eindringen in unser
Land aktiv durch das Tier selber oder passiv durch Verschleppung mit angesteckten
Reben erfolgen würde. Im Jahre 1874 entdeckte man den ersten schweizerischen
Reblausherd, und zwar in der Nähe von Genf. Von importierten amerikanischen
Gewächshausreben aus hatte hier die Verseuchung in einen anstossenden
Weinberg hinübergegriffen; auch andernorts, z. B. in den Kantonen
Zürich und Thurgau, erfolgten später die ersten Reblausfunde
in der Nähe oder direkt an importierten amerikanischen Reben.
Der vollständige Entwicklungsgang der Reblaus, wie er sich auf
reblausempfänglichen amerikanischen Rebensorten in Südeuropa
nach frühern französischen Forschern und nach den neuem
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italienischen Beobachtungen von GRASSI und seiner Mitarbeiter abspielt,
umfasst recht mannigfaltige Entwicklungsformen. Auch mit lothringischem
Reblausmaterial konnte BÖRNER die vollständige Generationenfolge
an Europäerreben nachweisen, allerdings nicht durch ausschliessliche
Freilandzuchten, sondern unter Benutzung eines Gewächshauses.
An den Wurzeln saugen während des Sommers die aufeinander folgenden
Generationen flügelloser, parthenogenetisch entstandener und parthenogenetisch
sich fortpflanzen der Wurzelrebläuse. Durch ihre Saugtätigkeit
erzeugen sie au den jungen unverholzten Rebenwurzeln gelblichweisse Anschwellungen,
die sogenannten Reblausnodositäten. In seichten Vertiefungen,
immerhin an der Oberfläche der Nodositäten, sitzen die Wurzelläuse,
die sich wenigstens im ausgewachsenen Zustande von blossem Auge noch erkennen
lassen. Bei der Untersuchung der Wurzeln fallen dem Beobachter die Nodositäten
durch ihre helle, mit der dunklen Erde kontrastierende Farbe und durch
ihre Dicke von meist 2-4 Millimeter viel leichter auf als die meist 1 Millimeter
Länge nicht überschreitenden Wurzelläuse selber. Besonders
an europäischen Reben geraten diese Nodositäten mit den benachbarten
unverdickten Wurzelteilen bald in Fäulnis, so dass das feinere Wurzelwerk
bei stärkerem Befall mit der Zeit empfindlich leidet. An länger
befallenen Reben siedeln sich die Wurzelläuse auch an den schon verholzten
Wurzelpartien an und erzeugen hier schorfige Missbildungen, selbst deutliche
Gallen, die als Tuberositäten bezeichnet werden. Im Laufe der
Jahre führen diese Wurzelbeschädigungen schliesslich zum Absterben
des befallenen Rebstockes.
Ausgewachsene Wurzelläuse mit ihren abgelegten Eierhäufchen
und daneben junge Tiere in allen Häutungsstadien finden sich im Sommer
in buntem Durcheinander auf den Nodositäten und den Tuberositäten
und zuweilen sogar, auf der Rinde selbst fingerdicker Wurzeln vor. Dazwischen
treten bei uns in der Hauptsache im August und September, im Süden
schon früher, auch schlankere Tiere auf, mit dunkeln Flügelansätzen
auf beiden Körperseiten. Diese Reblausnymphen gehen aus den Eiern
gewöhnlicher Wurzelrebläuse hervor und stellen die Vorstadien
der geflügelten Rebläuse dar. Die Nymphen wandern an die Oberfläche
und häuten sich hier zu geflügelten Reblausweibchen. Die folgenden
Entwicklungsstadien nun sind gegen die Witterungsumschläge des Spätsommers
und Herbstes viel empfindlicher als die im Boden geborgenen Wurzelläuse.
Wir können deshalb die Weiterentwicklung bei uns wohl in Zuchtgefässen
oder im Gewächshaus gelegentlich verfolgen, während sie sich
in südlichen Gebieten auch im Freien Vollzieht. Aus den Eiern,
welche die geflügelten Rebläuse ablegen, gehen die ungeflügelten
rüssellosen Geschlechtstiere hervor, die ohne Nahrung aufzunehmen
nach einiger Zeit geschlechtsreif werden. Das begattete Weibchen legt ein
einziges Ei, das Reblauswinterei. Unter günstigen äussern Verhältnissen
schlüpft aus dem letztern im folgenden Frühjahr eine berüsselte
weibliche Reblaus, die zu ihrer Weiterentwicklung ein junges, eben im Entfalten
begriffenes Rebenblatt aufsucht, auf dessen Oberseite sie sich festsaugt
und eine beutelförmig nach unten vorspringende Blattgalle erzeugt.
Im Innern dieser Galle wächst die Laus, die als Stammutter (Fundatrix)
bezeichnet werden kann, heran und legt hier schliesslich sehr zahlreiche
Eier ab. Die daraus hervorgehenden jungen Blattrebläuse erzeugen
an benachbarten jungen Blättern neue Gallen, in denen sie sich ebenfalls
parthenogenetisch weiter vermehren. Die Stammutter selber ist nach den
Feststellungen von GRASSI und BÖRNER nie imstande, anstatt an Rebenblättern
an Wurzeln heranzuwachsen und sich hier zu vermehren. Dagegen finden sich
unter ihren Nachkommen in den Blattgallen, und zwar mit jeder folgenden
Generation in vermehrter Zahl, Junge, die nach dem Ausschlüpfen aus
dem Ei die Blätter verlassen und an die Rebenwurzeln übersiedeln.
Sie verhalten sich hier gleich wie richtige Wurzelläuse und können
in der Folge auch nach ihrem Aussehen nicht von den letzteren unterschieden
werden.
In unsern ostschweizerischen Lagen erklärt aber das Vorhandensein
der vom Vorjahre her im Boden überwinterten gewöhnlichen Wurzelrebläuse
die Weiterführung des Zerstörungswerkes im folgenden Sommer genügend.
Wenn auch die Zahl der Wurzelläuse durch die äussern Verhältnisse,
vor allem durch die Bodennässe während des Winters stark reduziert
wird, so kann der erlittene Verlust bei ausschliesslich parthenogenetischer
Vermehrung schon in der ersten oder zweiten Generation im folgenden Sommer
wieder ausgeglichen sein.
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Bisher sind die Blattrebläuse mit ihren Gallenbildungen in den
Rebbergen der Ostschweiz nie beobachtet worden, während diese Entwicklungsstadien
im Süden durchaus nicht selten sind. In Lothringen ist es BÖRNER,
der in seinen schon erwähnten Zuchtversuchen mit Reblausmaterial aus
den dortigen grossen Herden mit Zehntausenden von Reblausgeflügelten
experimentieren konnte, nur ein einziges Mal gelungen, aus einem Winterei,
das zudem im Gewächshaus überwintert wurde, die folgenden blattgallenbildenden
Generationen zu züchten. Die einmal erhaltene Gallenrebläuse
konnte der genannte Forscher vom Jahre 1910 bis 1917 durch 67 Generationen
hindurch ununterbrochen im Gewächshaus weiter züchten, indem
er ihnen immer wieder frische Reben mit Blättern im geeigneten Infektionsstadium
darbot. Im Freien dagegen muss die oberirdische Generationsfolge mit dem
herbstlichen Laubfall erlöschen.
Im waadtländischen Weinbaugebiet traten schon vor Jahren gelegentlich
Blattgallen in Sortimenten amerikanischer Reben auf. Wie mir Herr Dr. Faes
mitteilte, handelte es sich dabei fast immer um solche Rebenpflanzen, die
kurz vorher aus Südfrankreich importiert worden waren. Es ist demnach
anzunehmen, dass die Geschlechtsgeneration und das Winterei sich daran
schon in Südeuropa entwickelt hatten, so dass nach der Ankunft in
der Westschweiz die Stammutter nur aus dem Ei auszuschlüpfen brauchte.
Im September 1922 wies mir Herr Oberregierungsrat Dr. BÖRNER in seinen
Reblausversuchsfeldern bei Naumburg an der Saale, also in einem noch bedeutend
nördlicher gelegenen Gebiete zahlreiche frische Reblausblattgallen
vor. Diese aus seinen neuesten Infektionsversuchen stammenden Blattgallen
standen aber in keinem Zusammenhang mit der Geschlechtsgeneration und dem
Winterei der Reblaus. In Fortführung früherer Beobachtungen anderer
Forscher war es BÖRNER gelungen, in seinen Naumburger Gewächshauszuchten
durch Überdecken der Versuchsreben mit Gläsern und somit durch
Erzeugung einer hohen Luftfeuchtigkeit gewöhnliche junge Wurzelrebläuse
zur Ansiedlung auf Rebenblättern zu veranlassen. Nicht nur entstanden
so typische Blattgällen, sondern auch die Versuchstiere selber nahmen
in den spätem Häutungsstadien die morphologischen Merkmale
der Blattrebläuse an und schritten in den Blattgallen zur Eiablage.
Mit derartigen experimentell erzeugten Blattrebläusen konnten dann
weitere reblausempfängliche Reben nicht nur im Gewächshause,
sondern auch im Freien angesteckt und zur Bildung weiterer Blattgallen
veranlasst werden, von denen aus dann auch spontane Wurzelinfektionen erfolgten.
Andere Abweichungen, bewirkt durch die ungleichen äussern Verhältnisse
in Südeuropa und bei uns, ergeben sich auch in bezug auf die Zahl
der jährlichen Wurzellausgenerationen. In unsern zürcherischen
Reblausherden treten im Laufe eines Sommers durchschnittlich vier solche
Generationen auf. In Südfrankreich müssen es nach den Literaturangaben
deren doppelt bis dreifach so viele sein. Rechnen wir mit einer Eiablage
von 30 bis 50 Stück pro Wurzellaus, so lässt sich die ungleich
grössere Vermehrungsfähigkeit der Reblaus im Süden leicht
ausdenken. Die befallenen Reben müssen deshalb dort nach kürzerer
Zeit absterben. Man nahm früher für unsere Lagen an, dass spätestens
im siebenten Jahre des Befalls die einheimische Rebe abgestorben sei.
Es fällt aber nicht leicht,
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genaue Zahlenangaben zu gewinnen, weil die einheimischen Reben in der
Regel im gleichen Jahre, in dem man ihren Befall feststellt, durch die
Reblausbekämpfungsmassnahmen beseitigt werden müssen. Als mir
im Jahre 1914 durch Vermittlung des Rebbaukommissariates des Kt. Zürich
und der Schweizerischen Versuchsanstalt in Wädenswil ein Reblausversuchsfeld
in einem abgelegenen Teile des zürcherischen Seuchengebietes zur Verfügung
gestellt wurde, benützte ich deshalb gerne die Gelegenheit, auch dieser
Frage näher zu treten. Es konnte damals in das Versuchsfeld
auch eine Parzelle mit 45 alten einheimischen Reben, die den letzten Rest
eines von der Reblaus zerstörten Rebstückes darstellte einbezogen
werden. Die Reblaus blieb hier in der Folge sich selber überlassen,
wobei die Fortschritte der Verseuchung durch regelmässige Bodenuntersuchungen
festgestellt wurden. Von diesen 45 Reben erwiesen sich zu Versuchsbeginn
im Jahre 1914 drei Stück als reblausbefallen. Ob sie schon im Vorjahr
angesteckt waren, liess sich nicht mehr feststellen. Jahr für Jahr
nahm die Zahl der befallenen Reben zu: Im Sommer 1917 waren es schon 28,
1920 wiesen 44 und 1921 alle 45 Stöcke Rebläuse auf. Noch
im Herbst 1920 waren jedoch in dieser Parzelle an den oberirdischen Rebenteilen
keine Schädigungen erkennbar; der Traubenertrag konnte als normal
taxiert werden. Erst 1921 blieben einige Reben in ihrer Entwicklung deutlich
zurück; der Rückgang verstärkte sich bis zum Herbst 1922
soweit, dass jetzt 16 Stöcke keine Trauben mehr trugen, 18 nur noch
1 bis 3 während 11 Reben mit 4 bis 10 Trauben noch ein normales Aussehen
aufwiesen. Abgestorben war aber auch jetzt, nachdem die ersten Ansteckungen
mindestens um 9 Sommer. zurücklagen, noch keine dieser Reben, abgesehen
von einem Stocke, der im Vorjahre versehentlich bei der Bodenuntersuchung
abgehauen worden war. Wir sehen daraus, dass in Reblausherden, in
denen zur Zeit der Entdeckung der Verseuchung schon zahlreiche Reben abgestorben
sind, der Zeitpunkt der ersten Ansteckung um 10 oder mehr Jahre zurückliegen
kann. Nach einem so langen Zeitraume muss es in vielen Fällen unmöglich
sein, nachträglich festzustellen, wie die erste Ansteckung erfolgte.
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4. Der Kampf gegen die Reblaus.
Durch die internationale Reblauskonvention und die Bundesbeschlüsse
vom Jahre 1878 wurden die Richtlinien, die bei der Reblausbekämpfung
einzuschlagen sind, vorgezeichnet. Leider ist noch keine chemische Methode
bekannt geworden, welche uns eine zuverlässige Vernichtung der Reblaus
unter Erhaltung der Rebe ermöglichen würde. Das gebräuchliche
Vernichtungsverfahren, bei welchem in den verseuchten Böden grössere
Mengen von Schwefelkohlenstoff eingebracht werden, der sich rasch verflüchtigt,
tötet nicht nur die Rebläuse, sondern auch die Reben ab. In geringeren
Dosen verwendet ist die Wirkung auch gegen die Reblaus keine vollständige.
Die besten Erfolge lassen sich mit dem Schwefelkohlenstoffverfahren da
erzielen, wo einzelne kleinere Reblausherde frühzeitig entdeckt und
behandelt werden. Schwieriger, ja unhaltbar gestaltet sich die Situation
in solchen Fällen, wo zur Zeit der Entdeckung die Verseuchung schon
grosse Flächen erfasst hat, oder wo sie sich in Form sehr zahlreicher
Einzelherde über ein grosses Rebgelände erstreckt. Da ist
es oft nicht mehr möglich, mit Schwefelkohlenstoff der Reblaus völlig
Herr zu werden und die strenge Anwendung des Vernichtungsverfahrens beschleunigt
geradezu den Untergang des Rebenbestandes, weil nach den geltenden Vorschriften
nicht nur die angesteckten Reben selber, sondern auch die angrenzenden,
im sogenannten Sicherheitsgürtel stehenden mit vernichtet werden müssen.
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5. Die Reblaus und die Amerikanerreben.
Abschnitte über Lothringische Versuche und Vorversuche im Kanton
Zürich fehlen hier.
Die zürcherischen Versuche zur Nachprüfung der Frage begannen
im Jahre 1914 und bestätigten das Vorhandensein solcher immuner Unterlagssorten
auch für unser Gebiet. Es wurden im Versuchsfeld zuerst 56, später
noch mehr Töpfe mit 9 für unsere Verhältnisse in Betracht
kommenden amerikanischen Unterlagssorten eingegraben und die Topfpflanzen
in vielen Parallelversuchen mit reichlichem Material von Wurzelrebläusen
aus verschiedenen zürcherischen Herden versehen. Junge Topfreben sind
zu solchen Infektionsversuchen besonders geeignet, weil die neuen Nodositäten
in der Mehrzahl an der Peripherie des Wurzelballens entstehen und durch
einfaches Herausheben der Pflanze aus dem Topfe nach Belieben kontrolliert
werden können, ohne dass die Weiterzucht dadurch ungünstig beeinflusst
wird. Vergleichsweise bezog ich auch junge Topfpflanzen einheimischer
Rebensorten (Räuschling, Gutedel, Burgunder), sowie zwei amerikanische
Direktträgersorten in den Versuch mit ein.
Das Infektionsergebnis war folgendes: Stark befallen von der Reblaus
wurden natürlich vor allem die einheimischen Topfpflanzen. Bei den
Topfreben mit amerikanischen Unterlagssorten waren weitgehende Unterschiede
im Verhalten nicht zu verkennen. 5 Sorten (Riparia Gloire de Montpellier,
Riparia x Rupestris 3309, Berlandieri x Riparia 420 A, Aramon
x Rupestris Nr.1 und Mourvèdre x Rupestris 1202) wiesen
nie eine Ansteckung auf; man kann sie demnach für unser Gebiet als
immun bezeichnen. Bei einer weitern Sorte, Riparia Grand glabre
fand ich ein einziges Mal eine saugende Wurzellaus vor, ohne dass es dabei
zur Nodositätenbildung kam. An Riparia x Rupestris 3306 waren
gelegentlich vereinzelte Nodositäten zu beobachten, während wieder
andere Topfpflanzen der gleichen Sorte dauernd reblausfrei blieben. Stärker
erwies sich der Befall an Riparia x Rupestris 10114, bei der alle
in Töpfen stehenden Versuchspflanzen mehr oder weniger zahlreiche
Nodositäten entwickelten. Am stärksten befallen war regelmässig
die Unterlagssorte Solonis x Riparia 1616. Hier traten kaum
weniger zahlreiche, mit Wurzelrebläusen besetzte Nodositäten
auf
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als bei den europäischen Kontrollpflanzen, ohne dass jedoch die
genannten Amerikanerreben dabei irgend welche Wachstumsstörungen erkennen
liessen.
Die Topfpflanzen von zwei geprüften Direktträgersorten verhielten
sich zu unserm Reblausmaterial ebenfalls ungleich. Riparia x Gamay 595
blieb immun, trotzdem diese Oberlinsche Züchtung aus einer Kreuzung
von Amerikaner- und Europäerreben hervorgegangen ist. Dagegen wies
die Amerikanersorte Taylor-Sämling Blankenhorn ziemlich viele Nodositäten
auf, was insofern nicht unbegreiflich erscheint, als diese im Ausland schon
viel angebaute Direktträgersorte ein Kreuzungsprodukt darstellt, an
dem die reblausempfindliche amerikanische Vitis Labrusca stark beteiligt
ist.
Man könnte einwenden, dass derartige künstliche Topfversuche
doch nicht die gleichen äussern Verhältnisse wiedergeben, wie
sie die Reblaus an den frei im Weinbergboden wurzelnden Reben vorfindet.
Deshalb wurden Infektionsversuche im zürcherischen Reblausversuchsfeld
auch an frei ausgepflanzten amerikanischen Reben, sowohl im ungepfropften
als auch im gepfropften Zustande durchgeführt. Keine einzige
der vorher im Topfversuch befallenen Unterlagssorten liess sich aber mit
unserm Reblausmaterial anstecken, wenn sie frei im Weinbergboden wurzelte.
Selbst jene Topfpflanzen von Solonis x Riparia 1616 und Riparia
x Rupestris 10114, die im Innern der Töpfe zahlreiche Nodositäten
gebildet hatten, blieben an den aus dem Topf in den Boden frei hinauswachsenden
Wurzeln reblausfrei, ja sie verloren späterhin sogar den Reblausbefall
im Topfinnern. Beschränkte ich dagegen die gesamte Wurzelentwicklung
dauernd auf das Topfinnere, indem alle aus dem Topf herauswachsenden Wurzeln
regelmässig beseitigt wurden, so blieben Solonis x Riparia 1616
und Riparia x Rupestris 10114 durch viele Jahre hindurch reblausbefallen.
Eine solche im Jahre 1915 infizierte Solonis x Riparia 1616 wies
noch im Sommer 1922 zahlreiche frische Nodositäten mit lebenden Wurzelläusen
auf. Die Topfversuche geben demnach gewissermassen die Maximalwerte
der Reblausanfälligkeit an.
Diese Ergebnisse konnten dann auch ausserhalb des Versuchsfeldes in
andern zürcherischen Seuchengebieten nachgeprüft und bestätigt
werden. Stehen veredelte Reben an steilen Hängen, so kann es nach
starken Regengüssen oder infolge unsorgfältiger Bodenbearbeitung
geschehen, dass bei einzelnen die Veredlungsstelle mit Erde zugeschüttet
wird. Kommt die Basis des europäischen Edelreises aber mit Erde in
Berührung, so bildet sie mit Leichtigkeit aus dem Überwallungswulst
Wurzeln. Der gleiche Rebstock kann dann gleichzeitig amerikanische, aus
der Unterlage entstammende, und europäische, vom Edelreis entspringende
Wurzeln aufweisen. An etwa 60 derartigen Reben fanden sich bei den
Reblausuntersuchungsarbeiten frische Nodositäten vor, so dass sich
hier gute Gelegenheit bot, das Verhalten der amerikanischen Unterlagen
auch im spontan verseuchten Boden nachzuprüfen. In allen diesen Fällen
sassen die Rebläuse ausschliesslich auf den Edelreiswurzeln, wogegen
am Wurzelsystem der zugehörigen amerikanischen Unterlagen nie eine
Reblausansteckung festgestellt werden konnte. Und doch handelte es sich
dabei vorwiegend um die Unterlagssorte Riparia x Rupestris 10114,
welche in den Topfversuchen zahlreiche Nodositäten gebildet hatte.
Diese Beobachtungen im spontan verseuchten Weinbergsboden, zusammengehalten
mit den direkten Infektionsversuchen im Versuchsfeld zeigen, dass auch
jene Unterlagssorten, die im Topfversuch mehr oder weniger von der Reblaus
angesteckt wurden, im freien Weinberg doch reblausfrei blieben. Damit soll
freilich nicht gesagt sein, dass auch alle andern, hier nicht geprüften
Amerikanersorten bei uns reblausfrei bleiben würden. Besonders
für Vitis Labrusca und ihre Abkömmlinge wäre eine
solche Annahme recht unwahrscheinlich. Dagegen kann gegen die Verwendung
der von den Praktikern sehr geschätzten Riparia x Rupestris 10114
nach den vorliegenden Ergebnissen kaum ein ernstlicher Einwand erhoben
werden, da sie sich zumindest im Freiland bei uns als reblausfrei erwies.
Wollen wir aber sichere Gewähr haben, dass die Wiederanpflanzungen
mit veredelten Reben keine Ansteckungsmöglichkeiten für benachbarte
unveredelte Rebenbestände bieten, so muss jedenfalls mit Nachdruck
verlangt werden, dass die verschütteten Pfropfstellen regelmässig
wieder frei gelegt und etwa entstandene Edelreiswurzeln sorgfältig
weggeschnitten werden. Erst dann ist es möglich, dass in unserm Weinbaugebiet
die Neubepflanzung vermittelst entsprechend ausgewählter Unterlagssorten
nicht bloss ein Ausfüllen entstandener Lücken im Rebenbestande,
sondern gleichzeitig ein neues Vernichtungsverfahren gegen die Reblaus
bedeutet. Findet der Schädling an den gepfropften Reben keine Existenzbedingungen
mehr vor, so ist damit das Haupthindernis für den energischen Wiederaufbau
der zerstörten Rebberge, wie ihn jetzt die Rebbaukommissariate der
Kantone Zürich und Aargau erfreulicherweise an die Hand genommen haben,
beseitigt. Damit werden auch die Wartezeiten bis zur Wiederanpflanzung
überflüssig.
Nachtrag:
Verschiedene wissenschaftliche Namen der Reblaus:
Gattung\Art | vitifoliae | pervastatrix | vastatrix | vitifolii | vitisana |
Viteus | Heute | (Planchon) | |||
Dactylosphaera | Fitch (Shimer) | (Planchon) | |||
Pemphigus | Fitch | ||||
Peritymbia | (Planchon) | Fitch | Fitch 1854 | Westwood | |
Phylloxera | (Fitch) | Börner >1906 | Planchon 1868 | (Fitch) | |
Rhizaphis | (Planchon) |