Neujahrsblatt der NGZH Nr. 133 auf das Jahr 1931;
48S. mit 1 Fig. und einer Farbtafel (Format des Hefts: 21 x 29 cm)
Der Frühlingseinzug am Zürichsee
von Hans Frey, Küsnacht.
Neujahrsblatt
herausgegeben von der
Naturforschenden Gesellschaft in Zürich
auf das Jahr 1931.
133. Stück.
Der Frühlingseinzug am Zürichsee
von
Hans Frey (Küsnacht)
mit einer phänologischen Karte vom Zürichsee,
12 Figuren
23 Tabellen und 3 Schemata
Beer & Cie. in Zürich
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German only |
Inhalt:
I. Die ersten Frühlingsboten in Küsnacht 3
II. Wo zieht der Frühling im Zürichbiet zuerst ein
5
III. Wo erscheinen die ersten Frühlingsboten am Zürichsee
zuerst?
a. Am Ufer selbst 9
b. Verspätung mit der Höhe 15
c. Phänologische Karte des Zürichseegebiets .
. 18
d. Vergleich der beiden Ufer 18
IV. Frühlingseinzug nach dem Eiszeitwinter 1928/29
a. Werden und Vergehen der Eisdecke 20
b. Die ersten Frühlingsblumen im Jahre 1929
23
c. Erfroren im Eiszeitwinter 1928/29 26
V. Die Eisheiligen
a. Allgemeines 28
b. Zwei Frostnächte 28
c. Die atmosphärischen Verhältnisse bei den
Kälteeinbrüchen 30
d. Bekämpfung der Frostgefahr 34
VI. Weitere Ergebnisse
a. Länge der Blütenzeiten 35
b. Schnelligkeit des Frühlingseinzuges am See
36
c. Sonnenscheindauer 37
d. Zugvögel-Einzug 37
e. Klimazonen 37
VII. Wanderung des Frühlingseinzuges von Palermo bis Hammerfest
38
VIII. Bedeutung der phänologischen Beobachtungen
a. Beurteilung des Klimas 41
b. Anwendung auf Hausbau und Landwirtschaft 41
IX. Anhang
a. Reihenfolge der Frühlingsverkünder in Küsnacht
im Jahre 1926. . 42
b. Beobachtungen über die Frostwirkungen im Winter
1928/29 im Botanischen Garten Zürich 43
c. Verzeichnis der Mitarbeiter 46 |
Aus der Einleitung:
..... Das erste wirkliche Anzeichen des kommenden Frühlings gibt
bei uns der Haselstrauch (Corylus Avellana), der durch die Entfaltung der
schon im vorhergehenden Spätherbst angelegten Kätzchen und die
dadurch bedingte reichliche Verstäubung den Reigen des Erblühens
eröffnet (meist Mitte Februar, selten schon Ende Januar); die kleinen
unscheinbaren, roten, weiblichen Blüten erscheinen etwas später.
Gleich darauf sind es die W e i d e n, die mit dem ersten Frühlingstrieb
namentlich an Quellbächen durch ihre gelblichen, leicht zerstäubenden
Kätzchen den Frühlingsbeginn mitverkünden, zu allererst
Salix caprea und Salix purpurea; letztere zeigt rote schmale Kätzchen,
die sich beim Verstäuben durch die männlichen Staubbeutel schön
gelb färben.
Was man nun zunächst beobachten kann, das sind die tief roten
Vegetationsspitzen der Pfingstrose (Paeonia arborea) und des Rhabarbers,
die sich alsbald zeigen, wenn die Frühlingswärme den Boden ein
wenig über 0 °C erwärmt hat. Ganz wenig später kündet
sich das Schwellen der Knospen der Rosskastanie (Aesculus Hippocastanum),
der Aprikose (Prunus Armeniaca), der Birne (Pyrus communis), des Hornstrauches
(Cornus sanguinea) usw. an, indem die harten, winterlichen Deckschuppen
auseinanderweichen, wodurch die Knospen stärker braun erscheinen als
vorher; es sind deswegen eher rötliche und braune Farbentöne,
die das Erwachen der Natur anzeigen, als das stärkere Ergrünen
der Wiesen, das erst etwas später auffällt.
Bald nachdem die Haselnuss und die Weiden zu stäuben begonnen
haben, öffnet der Seidelbast (Daphne Mezereum) seine kleinen, roten,
duftenden Blüten am lichten Waldrand, und im Garten erscheint die
Kornelkische (Cornus mas), mit einem zarten Gelbgrün übergossen,
was ihren Blütenbeginn ankündigt.
Jetzt erst erscheinen die ersten lieblichen, krautartigen Frühlingsboten,
wie das Schneeglöcklein (Galanthus nivalis), der gelbe Winterling
(Eranthis hiemalis), die Knotenblume (Leucojum vernum), die Gartenprimel
(Primula vulgaris hort.) und der Garten safran (Crocus). Mit ihren glänzendweissen
oder gelben, zierlichen Blüten leuchten sie aus Busch und Hag hervor
und erfreuen das sehnsüchtige Auge des wintermüden Menschen.
Nun tritt auch die Wiese auf den Plan; schon längst ist sie durch
die Köpfchen des Müllerblümchens wie mit weissen Tupfen
in einem grünen Teppich übersät, bald reihen sich an die
kleine violette Veronika (Veronica hederifolia), die kleine rote Taubnessel
(Lamium amplexicaule) und an feuchten Stellen der leuchtend gelbe Huflattich
(Tussilago Farfara). (Eine vervollständigte Liste der ersten Frühlingsblumen
findet sich für das Jahr 1926 im Anhang S.42.)
Der nun folgende Blühet unserer Fruchtbäume bildet den Abschluss
des Frühlingseinzuges. Stets beginnt die Aprikose (Prunus Armeniaca)
mit ihren schneeweissen Blüten den Reigen; etwa eine Woche später
erscheint der violette Blütenschmuck der Pfirsiche (Prunus Persica),
sodass die ganze Spalierwand mit Blüten überdeckt ist. Der auffälligste
Verkünder des Bluestbeginns aber ist im Freien der Kischbaum (Prunus
avium), der auf weite Strecken hin sichtbar, bis über den See hinüber
leuchtend, seinen Blütenschnee zur Schau trägt, was meist ganz
plötzlich von heut auf morgen in Erscheinung tritt. Erst etwa eine
Woche später folgt der Birnbaum (Pyrus communis), der durch seine
Massenwirkung den Höhepunkt des Frühlingsblühets markiert
und durch seine lange Dauer, während 2-3 Wochen, zu Frühlingsausflügen
(Bluestbummel) einlädt. Den Abschluss des Baumblühets bildet
der Apfelbaum (Pyrus Malus), der mit seinen zart rötlich angehauchten
Blüten den kommenden Sommer ankündigt.
Von den gefiederten Frühlingsboten sind besonders Star und Schwalbe
zu nennen, die wegen ihrer grossen Zahl am meisten auffallen. Meist schon
Mitte Februar rücken gewöhnlich die ersten Stare ein und zwar
gleich in einem ganzen, geschwätzigen Schwarm, während die Schwalben,
die auf den Insektenfang angewiesen sind, fast 2 Monate später in
den ersten Wochen des April erscheinen, um mit ihrem graziösen Fluge
die Luft zu bevölkern (s. S.37).
II. Wo zieht der Frühling im Zürichbiet zuerst
ein?
Bei meinen langjährigen Beobachtungen über die Winderscheinungen
am Zürichsee 3) hatte sich als ein
Hauptresultat die Beeinflussung des Klimas durch die verschiedenen Winde
an den betreffenden Orten ergeben. Um den Grad dieser Einwirkung genauer
festzustellen, wurde das Erblühen der Fruchtbäume (Aprikose,
Pfirsich, Kirsche, Birne und Apfel) benützt; denn O. TRUDE 4)
sagt richtig: «Beobachtungen der Zeiten, zu welchen an verschiedenen
Orten auf kleinem Gebieten dieselbe Entwicklungsphase bestimmter
Pflanzen eintritt, können einen klaren, verständlichen Ausdruck
der Landeskulturfähigkeit abgeben.» In der Tat ist der Frühlingsbeginn
ein direkter Gradmesser der Wärme, welche die Erde seit dem Verschwinden
der Schneedecke an dem Orte empfangen hat, und man hat schon mit schönem
Erfolg durch Bildung der Wärmesummen seit dem Winterschlaf bis zum
Erblühen gute vergleichsweise Resultate erhalten (LINSSER, HOFFMANN).
So wird es möglich, durch Vergleich des Frühlingseinzuges an
den verschiedenen Orten die Milde des Klimas viel besser zu bestimmen,
als es durch direkte Temperaturbestimmungen, die nur ganz kleine Differenzen
ergeben, geschehen könnte.
Um solche phänologische Frühlingsbeobachtungen (griech. phainomai
= ich erscheine) im Vergleich zum Seegebiet zu machen, wurden fünf
Beobachtungsorte gewählt, nämlich ausser Küsnacht am Zürichsee
je ein Ort östlich vom See, Uster, und westlich davon, Dachelsen bei
Mettmenstetten, ferner zum Vergleich im nördlichen Teil des Kantons
im Osten Winterthur und im Westen Niederweningen. Für alle Stationen
war es möglich, in Lehrern und Lehrerinnen zuverlässige Beobachter
zu finden, welche die mühsamen, langjährigen Aufzeichnungen bereitwillig
übernahmen. Die Beobachtungen wurden an den frühblühenden
Sorten unserer Obstbäume angestellt. Leider musste die ursprünglich
miteinbezogene Weinrebe wegen des öfteren Fehlens der Angaben über
dieses so unauffällig blühende Edelgewächs in Wegfall kommen.
Das benutzte Schema lautete:
Obige Termine wurden aus nachstehenden Gründen so gewählt:
für den Blütenbeginn wurden "3-6 Blüten" und nicht "erste
Blüte" verlangt, weil bei Spalieren manchmal eine einzelne Blüte
in einer warmen, geschützten Ecke an der Wand anliegend 2-4 Tage vor
allen andern erblüht; statt "voll erblüht" wurde zur "Hälfte
erblüht" gesetzt, weil dieser Zeitpunkt viel sicherer beurteilt werden
kann; in der Regel folgt etwa 2 Tage nachher "voll erblüht", bei der
Kirsche schon am nächsten Tag, beim Apfelbaum 4-6 Tage später;
"6 Blüten noch weiss" wurde gewählt, weil der Schluss des Blühens
damit viel besser getroffen wird, als mit "letzte Blüte" (oft ein
Spätling).
3) H.Frey, Die lokalen Winde am Zürichsee, Neujahrsblatt
der Naturf Gesellschaft in Zürich 1926.
4) O. TRUDE, Anleitung zu phänologischen Beobachtungen. Isis 1881.
Beobachtungen über das Erblühen der Fruchtbäume im Frühling
1924.
Angestellt von
A. Hecker, Sekundarlehrer in Uster.
Baumart, Standort, 3-6 Blüten, Hälfte der Blüten,
letzte 6 Blüten noch weiss
1. Aprikose Südspalier 4. April 17. April 25. April
2. Pfirsich Ostspalier 12. April 20. April 5. Mai
3. Kirsche freistehend 25. April 28. April 9. Mai
4. Birne Südspalier 15. April 25. April 12. Mai
5. Apfel Hochstamm 3. Mai 9. Mai 18. Mai
6. Rebe Südspalier 13. Juni 22. Juni 29. Juni
Bemerkung: Alle drei Beobachtungen müssen an dem gleichen, zuerst
erblühenden Baume gemacht werden.
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Karte der Frühlingsverspätungen
in Tagen im Vergleich zu Küsnacht
Ausgewählte Zahlen der Karte:
Tage für
Zürichberggipfel 9.1,
Kapf 9.6,
Forch 7.5
Hombrechtikon 5.6,
Stäfa 1.0,
Schirmensee 0.8,
Rapperswil 3.5
Horgen 0.1,
Hütten 8.0.
Zürich Enge 2.1
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c. Phänologische Karte des Zürichsee-Gebietes.
Gestützt auf die 5jährige Beobachtungsreihe und die Bestimmung
der Frühlingsverspätungen mit der Höhe, wurde versucht,
eine Karte des Frühlingseinzuges an unserem See zu entwerfen. Dieselbe
stützt sich auf die 12 Beobachtungsorte am See selbst, mit 5 resp.
8 Beobachtungsjahren und 9 Höhenposten mit 2-5jährigen Aufzeichnungen,
woraus zum vornherein folgt, dass sie die Verhältnisse nur angenähert
richtig darstellen wird (s. lith. Karte, Fig. 3).
Die frühesten Zonen, die höchstens einen Tag Verspätung
gegenüber Küsnacht aufweisen, sind bei Küsnacht, Horgen
und Feldbach. Die erstere reicht von Zollikon am See beginnend bis gegen
Herrliberg, da bis hieher die grosse Zollikerterrasse scharf gegen den
See abfällt, wodurch auch die günstige Lage der Mariahalde und
Schipfe bedingt wird; es spricht dafür auch das Fort. kommen der Araukaria
im Winkel bei Erlenbach, das Gedeihen von Cupressus coveniana an der Schipfe
und nicht zuletzt der feine Schipfwein. Die etwa gehörte Bezeichnung
dieses Küstenstriches als Riviera des Zürichsees hat also wenigstens
für den Frühfrühling einige Berechtigung, während ihm
im Spätfrühling (Fruchtbäume) Horgen und Schirmensee den
Rang ablaufen. Der grössere Teil der übrigen Gestade des Zürichsees
von Tiefenbrunnen bis Feldbach und von Wollishofen bis Wädenswil weist
1 - 2 Tage Verspätung auf; in dieser Zone liegen Meilen, Männedorf
und Stäfa (an der Grenze) und am linken Ufer Wollishofen, Rüschlikon
und Wädenswil.
Das Weichbild der Stadt Zürich hat bis 3 Tage Verspätung
des Frühlingseinzugs, ebenso die höher gelegenen Dörfer
am See, Zollikon, Kilchberg, Thalwil; in Richterswil und Rapperswil trifft
der Frühling bis 4 Tage später ein als in Küsnacht. Das
übrige Kurvenbild ist festgelegt durch die Höhenfixpunkte: Küsnacht,
Itschnach, Zumikon und Kapf, ferner durch die Beobachtungen am Zürichberg,
Hohenegg und auf der linken Seite im Lerchen bei Horgen und am Hüttensee.
Durch Verwendung des Höhenfaktors 33,5 m für den Verspätungstag
wurden noch 3 Punkte bestimmt:
Zürichberg-Kulmination [9,1], Forch [7,5] und Pfannenstielkammhöhe
[12,0]. Man könnte natürlich auch noch weitere Verspätungszahlen,
z. B. Uetlibergspitze 13 Tage usw. berechnen und so die Karte ergänzen;
da mir aber keine Kontrollbeobachtungen für den Albis zur Verfügung
stehen, habe ich am westlichen Ufer nur den Abhang des Zimmerberges miteinbezogen.
Es dürfte dadurch die Karte ziemlich zuverlässig sein; in der
Tat weiss man am östlichen Ufer allgemein, dass der "Bluest" in Zumikon
und auf der Forch gerade eine Woche später als am See angetroffen
wird.
d. Vergleich der beiden Seeufer.
Ein Blick auf die Karte zeigt uns, dass zwischen den beiden Ufern kein
so grosser Unterschied besteht, wie man gemeiniglich annimmt, indem man
sogar das linke Ufer als Schattenseite bezeichnet gegenüber dem östlichen
Sonnenufer. Im untern Seeteil ist allerdings das Westufer etwas später
als das östliche, was ja auch durch den Gegensatz von «Bendliker»
und «Wangensbacher» belegt wird. Im mittleren Teil aber kehrt
sich's gerade um, indem der Frühling in Horgen früher einzieht
als in Meilen, wodurch auch die schönen Parkanlagen und das Vorkommen
des winterharten Osmanthus in Horgen erklärlich werden. Auf der Höhe
von Stäfa und Wädenswil weist das Ostufer wieder einen Vorsprung
gegenüber dem Westufer auf, und dieser hält bis gegen Rapperswil
an, dies wird durch die Drehung der Achse des Sees von der NS- in die WO-Lage
bedingt. Wenn man aber im obern Seegelände die Behauptung hört,
«das rechte Ufer sei dem linken ca. 14 Tage voraus» ...
Was offenbar so nicht stimmt.
Wie aus dem Inhaltsverzeichnis entnommen werden kann, ist ausser dem Frühlingseinzug
auch die Winterhärte von verschiedenen einheimischen und importierten
Wild-Pflanzen behandelt. - Auf dem Flugplatz Dübendorf
wurde am Morgen des 12.Febr.1929 -35°C gemessen.
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