|
Inhalt:
|
S.13 (im Norden der Insel)
...
Hinter Arucas konnten wir eine Cochenilleplantage sehen. Das sind grosse
Felder niedriger Opuntien, deren dickfleischige Stammscheiben, jede einzeln,
bis fast zum ovalen Ende mit Papier oder Tuchlappen umbunden sind. Es sieht
ganz komisch aus, so ein « Zahnweh »-Feld. Die Cochenilleläuse
sind etwas grösser als Blutläuse und werden jedes Frühjahr
auf frische Opuntien ausgesetzt und diese zugebunden, damit die Tierchen
nicht abfallen bei Wind oder Regen. So vermehren sie sich rasch und ungestört
zu Kolonien, die bald das ganze « Blatt »bedecken, dessen saftige
Fleischmasse ihnen als Nahrung dient. Im Herbst wird der Verband sorgfältig
gelöst, der Erdboden mit Tüchern belegt (was gut geht, weil die
Pflanzen so weit auseinander stehen wie unsere Reben) und mit besonderen
Bürsten die Cochenilleläuse zwischen den Dornen der Opuntien
herausgefegt. Die zerfressenen « Blätter » müssen
abgeschnitten und den Strünken muss ein Jahr Zeit gelassen werden
zum Nachwachsen. Man braucht also Wechselfelder. Die kräftigsten Läusemütter
pflegt man unter Dach bis zum Frühjahr und setzt sie wieder auf frische
Opuntientriebe aus. Den grössten Teil der abgeernteten Tiere schüttet
man aber in Rösttrommeln, wo sie in heissem Dampf sterben und sich
entfilzen und nachher als glänzende dunkle Kügelchen in Säcke
gefüllt werden zum Export für die Gewinnung des roten Farbstoffes
(Karmin). Man nannte uns phantastische Preise aus guten Zeiten.
Cochenille-Kultur auf Opuntien bei Arucas
...
Das Inselmassiv reicht auf seiner Nordseite mit Felsen bis zum Meer
hinab. Wohl ein Dutzend parallel laufende Bäche haben sich tiefe schmale
Talschluchten hineingefressen und werden als Barrancos bezeichnet. Unsere
Strasse läuft auf der 300-m-Kurve in diese Barrancos hinein und hinaus,
und oft brauchen wir mit dem Auto für zwei Kilometer Luftlinie eine
halbe Stunde Zeit. In der Tiefe des Taleinschnittes geht die Strasse à
niveau oder mit einer Brücke über den Bach. Oft ist diese in
Reparatur oder noch beschädigt vom letzten Hochwasser. Weiter oben
in den Tälern, an den Quellbächen, sind kleine Badekurorte installiert.
Auch eine gute Mineralquelle sahen wir, die sauber gefasst in Flaschen
abgefüllt als Mineraltafelwasser in die Städte geschickt wird.
In einem besonders kahlen, steilen Barranco, wo die Fahrstrasse kühn
in den Fels gehauen ist, finden sich noch Reste von primitiven Höhlenwohnungen
der alten Guanchen. Das waren die Ureinwohner der Insel. Ein Volk, das
sich tapfer und zäh gegen fremde Eroberer wehren konnte, bis es vor
etwa 400 Jahren doch von den Spaniern besiegt und total ausgerottet wurde.
Wie Bienenwaben sehen jetzt von weitem die Wohnlöcher in der Felswand
aus. Wir hielten in der Nähe an und kletterten auf schmalem Pfad hinauf
in das System geräumiger Behausungen. Droben erkannten wir, wie gut
der Platz gewählt war zu Versteck und Verteidigung, denn man sah aufs
Meer hinaus und überblickte zugleich die Zugänge ins Tal von
der Landseite her. Die hier gefundenen Überreste an menschlichen Knochen
und kleinen Götterfiguren werden in Las Palmas im Museum aufbewahrt
und als Beweise dafür gedeutet, dass hier ein Kinder- und Mädchen-«
Kloster » zu Kultzwecken bestanden habe.
...
Home Liste der
Neujahrsblätter