Neujahrsblatt der NGZH  Nr. 142 und 143 auf die Jahre 1940 und 1941, 49S. mit 30Abb.
Aus dem Reiche der Millionstel Sekunde
von Prof. Dr. F. Tank

AUS
DEM REICHE
DER 
MILLIONSTEL
SEKUNDE
VON
PROF. DR. F. TANK
 
 

MIT 30 FIGUREN
 
 

1941


GEBR FRETZ AG. ZÜRICH
 
 
German only

 
 
 
 

Inhalt: 
Vorwort
5
Aus Physik und Technik der Elektronen
7
Ueber die Technik der elektrischen Schwingungen
20
Fernsehen
25

Seite 37: Zu den Schwierigkeiten der Kinofilm-Abtastung:
Eine Schwierigkeit des an sich viele Vorteile bietenden Verfahrens der Bildabtastung durch das Leuchtschirmraster wird durch das Nachleuchten der fluoreszierenden Schirmsubstanz verursacht. Die Vorgänge beim Fluoreszenzleuchten der sogenannten Phosphore sind sehr verwickelter Natur. Eine Steigerung der Lichtausbeute, welche vom energetischen Standpunkte aus durchaus möglich wäre, würde ihre technische Bedeutung und Verwendungsmöglichkeit erheblich steigern. Die Phosphore besitzen die Eigentümlichkeit, dass ihre Fluoreszenz nicht in dem Augenblicke verschwindet, in welchem die Einwirkung der auftreffenden Kathodenstrahlen aufhört, sondern dass das Leuchten erst innerhalb einer gewissen Zeit abklingt. Letztere kann je nach der Beschaffenheit des Phosphors in weiten Grenzen verschieden sein. Das Nachleuchten bewirkt, dass der wandernde Lichtpunkt im Leuchtschirmraster von einem kleinen Schweif, einer anschliessenden Lichtschleppe, gefolgt ist. Diese Lichtschleppe verursacht eine Verschlechterung des Bildes. Zur Behebung dieses Nachteiles verwendet man erstens Leuchtsubstanzen mit einer Abklingzeit von etwa einer Millionstel-Sekunde, und zweitens muss der verbleibende Bildfehler durch eine in die Verstärkeranordnung eingebaute Entzerrungsschaltung, die sogenannte Nachleuchtkorrektur beseitigt werden. Im wesentlichen wirkt das Nachleuchten so, wie wenn dem Belastungswiderstand der Photozelle eine Kapazität parallel geschaltet wäre. Durch die Nachleuchtkorrektur wird daher auch der durch den Belastungswiderstand der Photozelle und deren Kapazität verursachte Verzerrungsfehler mitkorrigiert.

5. Fernsehen an der Landi 1939
Die Einrichtung des Fernsehstudios an der Schweiz. Landesausstellung lässt sich am einfachsten an Hand des kleinen Planes (Fig. 21) und einiger Bilder (Fig. 22 und Fig. 23) überblicken.
Fernsehstudio Landi 1939 Fig. 21. Grundriss des Fernsehstudios an der LA
1. Kathodenstrahl-Abtastrohr 
2. Filmprojektor 
3. Elektronenvervielfacher mit  Photokathode 
4. Sitzplatz (für Personenabtastung) 
5. Vorverstärker 
6. Kippgeräte, Synchronisierung 
7. Kontrollbildröhre
8. Vorführungsbildröhre
9. Kleiner Bildsender
10. Tonsender
11. Grosser Bildsender
12. Hochspannungsanlage
13. Werkraum
14. Vorführungsdunkelraum
Es lässt sich dem Laien nur schwer einen Begriff geben von der Mannigfaltigkeit der für die Fernsehsendung benötigten Apparaturen. Da sind: das Kathodenstrahl-Senderohr, der Filmprojektor und die Elektronenvervielfacher mit Photokathode, der Vorverstärker, die Kippgeneratoren, die Schaltungen für Frequenzvervielfachung und -unterteilung, und Impulserzeugung, der Hauptverstärker mit anschliessender Kontrollbildröhre, die Vorführungsbildröhren für Demonstrationen im sogenannten Kurzschlussverfahren, der kleine Bildsender, der Tonsender, der grosse Bildsender, die Hochspannungsanlage usw. Über hundert Radioröhren sind eingebaut, jede mit besonderer Bestimmung, Hunderte von Verbindungen und Lötstellen sorgen für die Zusammenarbeit aller Einzelteile. Die verwickelten und doch sinnreich angeordneten Schaltungen im Innern der Geräte gleichen Adern und Nervensträngen eines von Leben und Denken durchströmten Organismus.
Die Bilder wurden an der Landesausstellung teils auf Kabeln in den an das Fernsehstudio anschliessenden Dunkelraum übertragen (Demonstration im Kurzschlussverfahren), teils von den Sendern drahtlos ausgesendet und im Kinoraum der Abteilung Elektrizität und in der Nische der Radioempfänger von einigen ebenfalls am Institut für Hochfrequenztechnik für die Landesausstellung gebauten Fernsehempfängern aufgenommen. Die Sendeantennen für Bild und Ton befanden sich auf dem Dache des Gebäudes der Abteilung Elektrizität.
In der Regel wurde täglich zweimal gesendet, wobei das Programm teilweise durch das Ausstellungspublikum selbst bestritten wurde, indem einzelne Besucher sich oft recht interessanten oder humorvollen Reportagen unterzogen, teilweise wirkten Künstler und vor allem die Hörspielgruppe des Radiostudio Zürich unter der Leitung von Herrn A. WELTI mit. Oft sprang auch als gewandter Fernsehreporter der an der LA tätige Herr Dr. K. E. MÜLLER ein. Während der Ausstellung war der Fernsehsender mehrere hundert Stunden im Betrieb, was für das Personal, das ihn betreute, eine anstrengende und verantwortungsvolle Aufgabe bedeutete.

Ausblick:
Die Technik der Millionstel-Sekunde kann heute in gewissem Sinne schon als klassisch bezeichnet werden. Die von ihr gestellten Probleme, so zahlreich sie auch sein mögen, besitzen durchgearbeitete Grundlagen. Wesentlich anders gestalten sich die Verhältnisse bei Frequenzen, welche den Betrag von 300 Millionen Per/sek überschreiten. Hier beginnt ausgedehntes Neuland. Die Landkarte der Forschung ist noch voll von unbeschriebenen Flächen. Wir treten in das Reich der Milliardstel-Sekunde ein.
Die Technik der Milliardstel-Sekunde ist dadurch gekennzeichnet, dass der elektrische und magnetische Feldbegriff die Vorstellungswelt vor allem beherrscht. Von integralen Strömen und Spannungen ist kaum noch zu sprechen, sondern nur von lokalen Stromdichten und Feldstärken. Der Leitungsstrom im Leiter beschränkt sich auf dünnste Schichten der Oberflächen, der Verschiebungsstrom im Dielektrikum herrscht vor. Der metallische Leiter ist nur noch Begrenzungsfläche der Felder, das Dielektrikum übernimmt die führende Rolle als Träger und Leiter der Energie. Die Elektrotechnik wird zur Optik. Wellenphänomene sind alles. Der allseitig geschlossene Hohlraum wird zum Resonator - ähnlich dem Helmholtzschen Resonator in der Akustik , das hohle Rohr zum Wellenleiter. Die Technik der Elektronenröhren erhält eine neue Basis durch die Betrachtung der Elektronenträgheit und der Eigenschwingungen von Elektronen-Raumladungen. Die Technik der Milliardstel-Sekunde wird eine Technik der Richtstrahlen und der Übertragung ausserordentlich breiter Frequenzbänder sein, wobei die zu verwendenden Energiebeträge erstaunlich gering sind. Sie wird vielleicht berufen sein, die Übertragungsfragen des Fernsehens erst eigentlich zu lösen. Auf einer Wellenlänge von 5 cm, oder mit einer Trägerfrequenz von 6 Milliarden Per/sek lassen sich frequenzmässig über ein Dutzend Fernsehbilder gleichzeitig übertragen oder gegen 10000 Telephongespräche gleichzeitig führen. Ein Zukunftstraum. Die Technik der Milliardstel-Sekunde ist erst im Entstehen begriffen. Ihre Grundlagen sind aber ebenso präzis, wie die Grundlagen der klassischen Wechselstromtechnik. Auch sie wird ihre besondere Eigenart besitzen, das Wenigste zwar leisten können, was in den Frequenzbereichen langsamerer Wechselströme erreicht wurde, aber sie wird berufen sein, neue Probleme zu lösen und auf ihrem besonderen Grund und Boden unerreicht dastehen.

Ferner besprochen werden: Elektronenoptik inkl M. von Ardenne; die Braun'sche Röhre, die Wellen-Korpuskeln-Dualität, das Ikonoskop und vieles mehr, sowie der Heim-Fernsehempfänger. Das war damals ein sehr grosses Möbel mit einer senkrecht eingebauten Röhre. Das Bild (20x25cm) musste mit einem Spiegel im Klappdeckel betrachtet werden.

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