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Vorwort
Im Sommer 1944 werden seit dem Beginn der Fossiliengrabungen des Zoologischen
Museums der Universität Zürich im Gebiete des Monte San Giorgio
am Luganersee gerade zwanzig Jahre vergangen sein. Die freundliche Aufforderung,
dieser wissenschaftlichen Unternehmung ein Neujahrsblatt zu widmen, bietet
so Gelegenheit zu einem Rückblick auf diese Zeitspanne.
Vor allem habe ich dabei allen denen zu danken, die geholfen haben,
in erster Linie dem Kuratorium der Georges und Antoine Claraz-Schenkung,
ohne deren finanzielle Unterstützung das weit über die Mittel
unseres Museums hinausgehende Werk gar nicht hätte durchgeführt
werden können, ferner dem Leiter des Röntgeninstitutes des Zürcher
Kantonsspitales, Prof. Dr. H. R. Schinz, für die Anfertigung der Röntgenaufnahmen,
sodann einer ganzen Reihe von Institutionen, wie der Jubiläumsspende,
der Stiftung für wissenschaftliche Forschung an der Universität
Zürich und dem Zürcher Hochschulverein, die namentlich den allmählichen
Ausbau der Einrichtungen für die Präparation ermöglichten,
mehreren privaten Helfern und schliesslich allen meinen Mitarbeitern, insbesondere
Dr. E. Kuhn, der seit dem Jahre 1925 mitwirkt. ...
b) Ceresiosaurus calcagnii
Im Jahre 1839 beschrieb Giuseppe Balsamo-Crivelli aus dem alpinen Muschelkalk
von Perledo ob Varenna am Comersee einen Saurier, dem 1847 Giulio Curioni
den Namen Lariosaurus, Saurier des Lario, des Comersees, beilegte. Bei
dem Bemühen, diesen Saurier auch auf Schweizerboden nachzuweisen,
wurde ein ähnlicher Saurier aufgefunden, der sich aber im Bau der
Gliedmaßen so wesentlich von Lariosaurus unterscheidet, dass für
den am Luganersee gefundenen Saurier der Name Ceresiosaurus, Saurier des
Ceresio, des Luganersees, aufgestellt wurde (siehe Abb. 38). Nach dem Bau
des Schädels, sowie auch im Bau der Gliedmaßengürtel sind
beides Nothosaurus-ähnliche Sauropterygier. Der Unterschied liegt
im Bau der freien Gliedmaßen, speziell der hinteren Gliedmaße.
Für Lariosaurus ist einwandfrei festgestellt, dass die Zahl der Zehenglieder
des Fusses der Formel 2 3 4 5 4 entspricht, d.h. dass an der Grosszehe
2, an der zweiten Zehe 3 usw. Zehenglieder vorhanden sind. Diese Formel
ist unter den landlebenden Reptilien weit verbreitet; aus ihr ist wohl
durch Reduktion die bei Säugetieren verbreitete und auch für
den Menschen zutreffende Phalangenformel 2 3 3 3 3 hervorgegangen. Bei
Ceresiosaurus lautet nun die Phalangenformel der hinteren Gliedmaßen
2 3 5 6 6, in einem Falle sogar 2 3 5 6 7, d.h. es ist gegen den Kleinzehenrand
der Gliedmaße hin eine Phalangenvermehrung eingetreten (siehe auch
die Abbildung auf dem Buchumschlag). Während wir bei den ältesten
bekannten Ichthyosauriern schon sehr grosse Phalangenzahlen haben, wie
sie einer hochgradigen Anpassung ans Wasserleben entsprechen, haben wir
hier zwei im übrigen sehr ähnliche, ungefähr gleichaltrige
Gattungen vor uns, von denen die eine die normale terrestrische Phalangenformel
bewahrt hat, während die andere gegen die Kleinzehenseite des Fusses
hin eine zwar bescheidene, aber doch ganz entschieden ausgesprochene Phalangenvermehrung
aufweist. Darüber, dass diese Phalangenvermehrung im Zusammenhang
mit aquatiler Umformung erfolgte, kann nach den Ausführungen über
die Gliedmaßengürtel, die bei beiden Gattungen die für
Paranothosaurus geschilderten Verhältnisse aufweisen, nicht der mindeste
Zweifel bestehen. Eine genaue Nachprüfung der Funde von Lariosaurus
hat ergeben, dass bei dieser Gattung im Gegensatz zur hinteren Gliedmaße
an der Vordergliedmaße schon eine bescheidene Phalangenvermehrung
eingetreten ist, und zwar gegen den Daumenrand hin, am bedeutendsten am
zweiten Finger. Ob dem Unterschiede von vorderer und hinterer Gliedmaße
bei Ceresiosaurus, der Phalangenvermehrung am fibularen Rande des Fusses,
dagegen am radialen Rande der Hand, irgendwie funktionelle Bedeutung zukommt,
lässt sich zur Zeit nicht sagen. Es ist sehr wohl denkbar, dass bei
anderen Vierfüssern, deren Beine in Anpassung an das Meeresleben äusserlich
Flossenform annahmen und dabei mehr Fingerglieder erhielten, die Reihenfolge
eine andere gewesen sein kann; der Übergang zum Wasserleben ist zweifellos
von den verschiedensten terrestrischen Ausgangsformen aus und zu verschiedenen
Zeiten der Erdgeschichte erfolgt. Seit der ersten Veröffentlichung
über Ceresiosaurus sind eine ganze Anzahl von prächtigen Exemplaren
gefunden und auspräpariert worden, von denen eines im Naturhistorischen
Museum in Basel eine Stätte gefunden hat. Das reiche neue Fundmaterial
wird Gelegenheit bieten, die frühere Publikation in wesentlichen Punkten
zu ergänzen. Vorerst sei nur bemerkt, dass an allen gut erhaltenen
Exemplaren von Ceresiosaurus die Hintergliedmaße im Knie gebogen
ist; die Hintergliedmaße war eben, trotz der eingetretenen Phalangenvermehrung,
noch nicht völlig zum Ruder geworden wie bei Plesiosaurus, bei dem
von all den vielen Gelenken der freien Hintergliedmaße nur noch das
Hüftgelenk von funktioneller Bedeutung ist.
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c) Pachypleurosaurus edwardsi
Im Jahre 1847 hatte Giulio Curioni eine kleine Arbeit über die Saurier von Perledo veröffentlicht und darin für das zuerst von Giuseppe Balsamo-Crivelli von dort beschriebene Reptil den Namen Lariosaurus balsami vorgeschlagen. 1854 beschrieb Emilio Cornalia unter dem Namen Pachypleura Edwardsii einen zierlichen kleinen Saurier, der in der Nähe des Luganersees in der Gegend von Besano gefunden worden war. Da sich später herausstellte, dass der Gattungsname Pachypleura schon für einen Käfer vergeben war, wurde der Name in Pachypleurosaurus abgeändert. Curioni und Cornalia gerieten in Meinungsdifferenzen, weil Cornalia sich dahin aussprach, Pachypleurosaurus komme auch in Perledo vor, während Curioni alle damals bekannten Saurier von Perledo zur Gattung Lariosaurus rechnete. Eine genaue Nachprüfung ergab die Richtigkeit der Ansicht Cornalia's. ... |