NGZ-Neujahrsblatt 1952, 154.Stück, 61S., 40Abb
Auftrag und Gegenstand, Methoden und Mittel der Materialprüfung
zugleich ein Überblick über die Tätigkeit
der Eidg. Materialprüfungs- und Versuchsanstalt (EMPA)
E. Brandenberger
 
bending of a rail in a 500 t press
aus einer Abbildung:
Biegeversuch mit Schienenabschnitt in einer 500 t-Presse als Beispiel einer klassischen Festigkeitsversuchs, während der Verbiegung.
German only

Der Gedanke, die in der Technik benützten Materialien vorgängig ihrer praktischen Verwendung einer eingehenden Prüfung zu unterziehen, wurde vor gut hundert Jahren allgemein aufgegriffen. Führte er sehr bald zur Gründung selbständiger Laboratorien, der sogenannten Materialprüfanstalten, so bildeten diese damals die ersten wissenschaftlichen Institute bestimmt zu ausgesprochen zweckgebundener Forschung. Dem entspricht es, dass auch in der ganzen Entwicklung, welche das Materialprüfwesen seither erfahren, es fortgesetzt nachhaltiger Förderung teilhaftig wurde durch die Fortschritte in den grundlegenden Wissenschaften, auf die es sich stützt. Zugleich aber hat gerade die Materialprüfung, indem sie ihre Lebendigkeit stets bewahrte und nie zu blosser Routinearbeit erstarrte, mit besonderer Eindrücklichkeit auch dem Fernerstehenden Sinn und Bedeutung wissenschaftlicher Forschung zu demonstrieren vermocht und immer wieder neue Beispiele dafür gegeben, wie reine und angewandte Forschung nur in gegenseitiger Ergänzung ihren Zielen näher kommen. Von den besondern Wechselbeziehungen, welche zwischen der neuzeitlichen Materialprüfung und den Naturwissenschaften bestehen, wird im folgenden ausführlicher die Rede sein, nicht zuletzt in der Hoffnung, damit ein weniges zu ihrer weitern Vertiefung beizutragen.
 
So einheitlich und in sich durchaus geschlossen die Zielsetzung aller Materialprüfung:
nämlich von irgendeinem Material oder Objekt durch geeignete Prüfversuche den Nachweis erbringen, ob es jenen Anforderungen genügt, welchen es bei der technischen Verwendung oder seiner praktischen Inbetriebnahme aus gesetzt sein wird, so verschiedenartig sind auf der andern Seite die Gegenstände, welche der Materialprüfer zu beurteilen hat, und gar noch mannigfaltiger die Prüfmethoden, die er zur Lösung der ihm gestellten, vielfältigen Aufgaben benötigt. Zunächst sind es die Werkstoffe als solche, dann aber nicht weniger die aus ihnen hergestellten, fertigen Werkstücke und endlich die ganzen Bauwerke, denen sein Interesse sich zuwendet, so dass je nach der speziellen Aufgabe materialtechnischer Untersuchungen diese in den einen Fällen blosse Werkstoffprüfungen, in den andern dagegen eine Kontrolle von Werkstücken oder aber gar Prüfversuche an den Bauwerken selber bedeuten.

Werkstoffprüfung
Sie beschäftigt sich nicht allein mit den Bau- und Werkstoffen im eigentlichen Sinne, sondern im Grunde mit jeglichem Material, das in irgend einer Weise technischen Zwecken im weitesten Sinne dienen soll, also beispielsweise ebensosehr mit den Rohstoffen und Ausgangsmaterialien für die Erzeugung von Bau- und Werkstoffen, mit der mannigfachen Gruppe der Betriebsstoffe aller Art, wozu vor allem die Brenn- und Treibstoffe, die Schmiermittel, Dichtungs- und Schutzstoffe in ihrer ganzen Vielfalt gehören, dann aber auch Behandlungs- und Pflegemittel, Schutzmittel gegen chemische und biologische Angriffe, mit Sprengstoffen und irgendwelchen andern pyrotechnischen Materialien, während in andern Fällen sich die Aufgabe stellen kann, einer technischen Anwendung vorausgehend, das Milieu, welchem in der Folge Bau- und Werkstoffe ausgesetzt sein werden, hinreichend zu kennzeichnen, um gestützt darauf die notwendigen Vorkehren zum Schutz der Werkstücke und Bau werke zu treffen. In diesem Sinne gehören z. B. auch chemisch-technische Wasseruntersuchungen, insbesondere allen Fragen der Korrosion und Aggressivität von Wasser (und auch Böden) jeder Art sich widmend, in das Arbeitsgebiet der Materialprüfungsanstalten.

(Nun folgen Kapitel über die Werkstoffprüfung, unter anderem mit dem Foto einer Mahlanlage der Abteilung B26 (Feste und gasförmige Brennstoffe), welche noch mit Transmissionsriemen betrieben wurde. Als Beispiel erscheint die Prüfung von Portlandzement, dann folgen Treibstoffe, Farben und  Schmiermittel. Die weiteren Kapitel sind Werkstück- und Bauwerkprüfung, Die EMPA und das Materialprüfwesen in der Schweiz überhaupt, Serienprüfungen im Sinne einer laufenden Lieferungskontrolle, Individuelle Prüfaufträge, vom Werkstoff zum Bauwerk, Festigkeit der Bau- und Werkstoffe als naturwissenschaftliches Problem, Kurzzeitversuche im Laboratorium und Dauerbewährung von Bau- und Werkstoffen)

Von weiteren Aufgaben der Materialprüfung
....
eine Beratung bei der Formulierung von Lieferungsbedingungen, Qualitätsrichtlinien, Betriebsvorschriften u. dgl.;
die Bearbeitung mancherlei Betriebsfragen, so etwa, um die erforderliche Sicherheit gegen Feuer, Explosionen irgendwelcher Art, gegen Störungen, Schäden oder Gefährdung durch Staube oder Abgase zu gewährleisten. Auch auf diesem, die Allgemeinheit unmittelbar berührenden Tätigkeitsgebiet hat die EMPA mehrfach die ersten Vorarbeiten geleistet, für die allgemeine Regelung mancher hierher gehörender Fragen die Grundlagen geschaffen, dabei sich stets um Lösungen bemüht, welche grösstmögliche Sicherheit unter gleichzeitiger Wahrung der Wirtschaftlichkeit eines Betriebes bedeuteten. So darf in diesem Zusammenhang etwa daran erinnert werden, dass die Begründung einer Arbeitsgemeinschaft zur Erforschung und Bekämpfung der Silikose seinerzeit gemeinsam von einem Vertreter der EMPA und der Medizin angeregt wurde und auch seither die EMPA an diesen Forschungsarbeiten über die Silikose massgebend beteiligt ist.

Schlusswort
So summarisch und lückenhaft unsere Darstellung der immer mannigfaltiger gewordenen Tätigkeit unserer Materialprüfungsanstalt auch sein mag, so dürfte sie dennoch veranschaulicht haben, wie die Materialprüfung in doppelter Richtung eine ausgesprochene Schlüsselstellung einnimmt:
einmal hat sie zu vermitteln zwischen Werkstoff und Bauwerk und dabei immer wieder von neuem die Einsicht zu vertiefen, dass die an den Bau- und Werkstoffen als solchen gemachten Feststellungen sich häufig mindestens nicht unmittelbar auf Werkstück und Bauwerk selber übertragen lassen, hierzu vielmehr ergänzende Versuche an Modellen, ganzen Bauteilen oder gar an den Werkstücken und Bauwerken selber notwendig sind;
daneben darf für die Materialprüfung jegliche Art von Werkstoffen nicht länger als etwas in sich Einheitliches, Unteilbares gelten, sondern sie hat sich beim Studium der Stoffeigenschaften stets des mehrstufig diskontinuierlichen Aufbau fester Körper bewusst zu sein; denn nur von dieser Erkenntnis ausgehend kann über ein bloss phänomenologisch-empirisches Erfassen der Materialqualitäten hinaus zu einem strukturell begründeten, eigentlichen  Verständnis der Werkstoffe, ihrer Eigenschaften und ihres besondern Verhaltens gelangt werden.

Als Anhang folgt eine Liste: Übersicht über die Tätigkeitsgebiete der EMPA in Zürich Leonhardstrasse 27 und St.Gallen Unterstrasse 11

Die Arbeit ist ein Dokument über die EMPA vor dem Umzug nach Dübendorf. Die Zeit ist nicht stehen geblieben, die Aufgaben sind teilweise die alten, neue sind dazu gekommen, andere wurden ausgegliedert und sehr vieles hat geändert. 
Die EMPA präsentiert sich heute unter http://www.empa.ch

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