NGZ-Neujahrsblatt 1954,  78 Seiten, 45Abb., Nr. 156.
Radiowellen aus dem Weltraum
Max Waldmeier
Sonnenkorona
Umschlag: German only

Inhaltsverzeichnis
1.  Die Entdeckung der kosmischen Radiowellen
2.  Radio-Teleskope
3.  Bestimmung von Lage und Grösse kosmischer Radioquellen
4.  Morphologie der solaren Strahlung
5.  Die eruptive Radiostrahlung und ihre solare Ursache
6.  Spektrum und Polarisation der Komponenten der solaren Radiostrahlung
7.  Die Herkunft der solaren Radioemission
8.  Der Aufbau der Sonnenatmosphäre
9.  Theorie der koronalen Radiostrahlung
10.  Radiobeobachtungen bei Sonnenfinsternissen
11.  Lokalisierung der Strahlungsquellen
12.  Radiospektrohelioskopie
13.  Die Natur der Fleckenstrahlung
14.  Beobachtungen über die galaktische Strahlung
15.  Nachweis und Statistik der Radiosterne
16.  Die Natur der Radiosterne
17.  Entdeckung und Beobachtung der galaktischen Linienemission
18.  Radiofrequente Emission des Wasserstoffs und galaktische Struktur
Literaturverzeichnis
 
 

 

Einleitung
1. Die Entdeckung der kosmischen Radiowellen
Wie weit auch astronomisches Wissen aus jahrtausendealter Beobachtung des Laufes der Gestirne über Ägypter, Babylonier und Chaldäer in die graue Vorzeit zurückreicht, ist eine astronomische Wissenschaft im Sinne des Wissens um die ursächlichen Zusammenhänge der beobachteten Erscheinungen doch erst durch Thales von Milet (624-546) begründet worden. Nicht nur verstand er es, wie Herodot berichtet, das 480 Jahre umfassende, in gebrannten Steinen niedergelegte babylonische Beobachtungsmaterial zur Voraussage der Sonnenfinsternis vom 28. Mai 585 v.Chr. zu verwenden, sondern er wusste auch nach dem Zeugnis Plutarchs die Ursache der Sonnenfinsternis, «dass der Mond, der ein dunkler Körper ist, die gerade Linie zwischen Sonne und Erde durchschneidet». Nach der Überlieferung durch seinen Schüler Pythagoras soll Thales über die Gestalt der Erde gelehrt haben, dass diese «kugelförmig und rundum bewohnt sei. Es gebe auch Gegenfüssler, denen das oben wäre, was uns unten ist». Wieder war es ein Ionier, Eudoxos von Knidos (408-355), der erstmals die Grösse dieser Kugel mass, nach der uns von Poseidonios und Kleomedes überlieferten und durch die Gradmessung des Erathostenes zwischen Alexandrien und Assuan um das Jahr 240 v.Chr. berühmt gewordenen Methode. Die Erklärung der täglichen Ost-West-Bewegung der Gestirne als eines Scheineffektes, hervorgerufen durch eine in entgegengesetztem Sinne erfolgende Drehung der Erde, wurde von Philolaos, einem Pythagoräer, gelehrt, ebenso von Ekphantos und Herakleides aus Pontos, während Cicero ähnliches über Hiketas von Syrakus berichtet. Diesen Gedanken weiterführend, lehrte Aristarchos von Samos in der ersten Hälfte des 3. Jahrhunderts, dass die Erde trotz ihrer unvorstellbaren Grösse (sind doch ihre Gebirge nur wie Staub auf einem Ball) doch nur ein Pünktchen ist im Verhältnis zum Weltall, was er durch die Beobachtung bewies, dass stets gerade die Hälfte des Tierkreises über dem Horizonte liegt. Archimedes berichtet weiter in einem Brief an Gelon, den Sohn Hieros II. von Syrakus, über die Vorstellung des Aristarchos, «dass die Fixsterne und die Sonne unbeweglich seien, die Erde sich um die Sonne, die in der Mitte der Erdbahn liege, in einem Kreis bewege», und Plutarch spricht von dem Samier Aristarchos als dem Manne, der «um die Himmelserscheinungen richtigzustellen, den Himmel stillstehen, die Erde dagegen sich in einem schiefen Kreis fortwälzen und zugleich um ihre Achse drehen liess».
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Radioastronomie nennt sich die junge Wissenschaft, welche die kosmischen Geräusche erforscht.
Radiowellen kosmischen Ursprungs sind erstmals von K. G. Jansky im Jahre 1931 gefunden worden, keineswegs bei einer systematischen Suche nach solchen, sondern als zufälliges Nebenprodukt bei der Untersuchung der sogenannten Parasiten im kommerziell so wichtigen Kurzwellengebiet. Bei der Registrierung dieser Störungen zeigte sich, dass eine Komponente derselben nur tagsüber auftrat, morgens von Osten, mittags von Süden und abends von Westen einfiel. Die Tatsache eines tageszeitlichen Ganges allein war keineswegs überraschend, zeigen doch fast alle atmosphärischen Erscheinungen einen solchen. Schwieriger zu erklären war die tägliche Wanderung der Quelle dieser Störungen von Osten nach Westen, es sei denn, die Sonne selbst sei diese Quelle, eine zwar naheliegende, aber sehr kühne Hypothese. Die Fortsetzung der Versuche liess bald erkennen, dass die Geräuschquelle jeden Tag früher im Osten erschien und früher im Westen verschwand, bei einem täglichen Vorschub von 4 Minuten, so dass die Quelle einen Monat nach den ersten Versuchen vom Dezember 1931 bereits um 10 vormittags durch den Meridian zog. Da aber die Sonne sich gegenüber dem Fixsternhimmel täglich um 4 Minuten ostwärts verschiebt, musste der Verdacht gegen die Sonne als Quelle der parasitären Geräusche niedergeschlagen und diese in noch sehr viel grösseren Entfernungen am Fixsternhimmel gesucht werden, und zwar dort, wo sich die Sonne im Dezember unter den Fixsternen befindet, das ist rund bei den Koordinaten: Rektaszension 18h, Deklination -20°. Diese Stelle des Fixsternhimmels in der Konstellation Sagittarius ist auch in optischer Hinsicht auffällig; sie liegt auf der Milchstrasse, wo diese am hellsten erscheint, in Richtung auf den Kern unseres, des galaktischen Sternsystems. Man bezeichnet deshalb diese aus dem Sternsystem kommenden, im Empfänger sich als Rauschen bemerkbar machenden Radiowellen als galaktisches Rauschen.
Diese bedeutende Entdeckung hat damals eine auffallend geringe Beachtung gefunden. Der entscheidende Impuls zur Erforschung der kosmischen Radiowellen ist erst in den Kriegsjahren erfolgt. Im Februar 1942 wurden in England bei Versuchen mit Radargeräten, welche damals noch auf der Wellenlänge von etwa 5 m arbeiteten, Radiowellen solaren Ursprungs entdeckt. Aber erst nach Kriegsende wurde das Geheimnis um diese Entdeckung gelüftet, standen die Geräte, das Personal und die Zeit zur Verfügung, um die Errungenschaften der Kriegsjahre auf rein wissenschaftliche Probleme anzuwenden. In wenigen Jahren ist die Radioastronomie in beispielloser Entwicklung zu einer der bedeutendsten Forschungsrichtungen der Astrophysik geworden, hauptsächlich an den Plätzen, wo die Radartechnik entwickelt worden ist: in England, Kanada und Australien.
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17. Entdeckung und Beobachtung der galaktischen Linienemission
Das Licht aus dem Weltall besitzt vorwiegend, seinem Ursprung nach als thermische Strahlung, ein kontinuierliches Spektrum. Aber für das Verständnis wichtiger sind die Absorptionslinien der Sternspektren sowie die Emissionslinien der Gasnebel. Ähnlich liegen die Verhältnisse im Gebiet der Radioastronomie. Die Geräusche, über welche bisher berichtet wurde, besitzen ausnahmslos ein kontinuierliches Spektrum. Bereits vor einem Vierteljahrhundert, als das Gebiet der Mikrowellen noch nicht erschlossen war, hat W. Grotrian auf eine im Radiogebiet gelegene mögliche Linienemission des Wasserstoffs hingewiesen, die beim Übergang zwischen Feinstrukturniveaus eines angeregten Zustandes entsteht. Allerdings ist es unwahrscheinlich, dass man diese Linie in der Strahlung des Universums wird finden können, denn die Wasserstoffatome in den Weiten des interstellaren Raumes befinden sich praktisch alle und dauernd im Grundzustand. Besser ist es in dieser Hinsicht um einen Hyperfeinstrukturübergang des Grundzustandes des Wasserstoffs bestellt, auf den H. C. V. D. Hulst aufmerksam gemacht und für den I.S. Shklovskii berechnet hat, dass die entsprechende Linie mit beobachtbarer Intensität auftreten sollte. Der Grundzustand ist nämlich in zwei Komponenten aufgespalten, entsprechend den beiden durch das magnetische Moment des Protons bedingten Einstellmöglichkeiten des Elektrons. Die Energiedifferenz beim Übergang zwischen diesen Hyperfeinstrukturniveaus ist sehr klein, die zugehörige Wellenlänge, optisch gesprochen, somit sehr gross, nämlich 21,1 cm. Allerdings ist die Übergangswahrscheinlichkeit nur 10E-15/sec, d.h. das im oberen Niveau des Grundzustandes befindliche Atom geht durchschnittlich erst nach 10 Millionen Jahren auf das untere über! Trotzdem kann die Linie mit beobachtbarer Intensität auftreten, da dem Atom im oberen Grundzustand keine andere Übergangsmöglichkeit offen steht und besonders wegen der ungeheuren Mengen interstellaren Wasserstoffs. Der Nachweis dieser Wasserstofflinie mit der Frequenz 1420 MHz gelang H. I. Ewen im März 1951, während kurz darauf dieselbe auch von C. A. Müller sowie von W. N. Christiansen und J. V. Hindman beobachtet wurde.
Die Bedeutung dieser Entdeckung ist vielfältig. Vermutlich ist nur die Hälfte der Masse des Milchstrassensystems in einzelnen Sternen konzentriert, die andere Hälfte aber als kosmischer Staub, vor allem aber als Gas zwischen den Sternen diffus verteilt. Wo dieses, vorwiegend aus Wasserstoff bestehende interstellare Gas von nahen Sternen erleuchtet wird, oder wo es das Licht der Sterne teilweise absorbiert, kann es optisch beobachtet werden. Weitaus die Hauptmenge des interstellaren Wasserstoffs befindet sich weitab von Sternen, kaum einer Störung ausgesetzt, dauernd im Grundzustand. Diese Gasmassen machen sich optisch in keinerlei Weise bemerkbar und haben sich deshalb bisher der Entdeckung entzogen. Die radiofrequente Linienemission ist die einzige wahrnehmbare Äusserung dieser Gasmassen. Auch hier hat die Radioastronomie ein Forschungsgebiet eröffnet, das für optische Methoden prinzipiell verschlossen war. Es kommt hinzu, dass aus Linienverschiebungen, die durch Dopplereffekt bedingt und sehr genau messbar sind, die Bewegungen der interstellaren Wasserstoffwolken bestimmt werden können, und zwar nicht nur in unserer näheren Umgebung wie bei den entsprechenden optischen Untersuchungen, sondern bis zu den entlegendsten Winkeln unseres Sternsystems, indem der kosmische Staub, der dem Licht ein unüberwindliches Hindernis entgegenstellt, für Radiowellen transparent ist. Sogleich nach der Entdeckung der Linienemission des Wasserstoffs begann am Radiophysics Laboratory in Sydney mit einem Radioteleskop von 25 m2 Auffangfläche die Messung ihrer Intensität an allen zugänglichen Stellen der Himmelskugel. Wie früher für das galaktische Rauschen bei verschiedenen Wellenlängen, so wurde nun auch die in Abb. 41 dargestellte Karte mit Kurven gleicher Intensität der Linie 21,1 cm erstellt. Mit den früheren Karten hat diese gemein, dass die Intensität auf dem galaktischen Äquator maximal ist und nach beiden Seiten stark abfällt. Wie die interstellare Materie, zeigt somit die 21-cm-Intensität eine sehr starke galaktische Konzentration. Hingegen finden wir längs des galaktischen Äquators ein wesentlich anderes Verhalten als beim galaktischen Rauschen, wo die Intensität in der Umgebung von 325° weit intensiver war als in andern galaktischen Längen, nämlich vier Maxima etwa von derselben Intensität bei den Längen 160°, 230°, 320° und 50°. Auch erweist sich die Breite des Bandes als variabel, beträgt bei der Länge 220-230° weniger als 30°, bei der Länge 350° gegen 80°. Die grösste Intensität findet sich nicht in der Länge 325° gegen das galaktische Zentrum, sondern in der entgegengesetzten Richtung bei 160°.
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Nun folgt eine Herleitung, die Analyse der 21.1cm Linie mit den Verschiebungen durch Oort mit der Darstellung der Arme unserer Milchstrasse. (Maximalentfernung ca. 15000 pc bei 340°).
 

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