NGZ-Neujahrsblatt 1961, 51 S., mit 27 Abb.
Der Eidophor
eine schweizerische Entwicklung der Fernseh-Grossprojektion
Ernst Baumann
Institut für Technische Physik der ETH
und Abteilung für industrielle Forschung
Ernst Baumann
Schlierenoptik Eidophor nach F.Fischer
DER EIDOPHOR


EINE SCHWEIZERISCHE ENTWICKLUNG
DER FERNSEH-GROSSPROJEKTION
Auf dem Umschlag:
Prinzip der Helligkeitssteuerung in der Schlierenoptik. Die schwarzen, fächerartigen Büschel sollen die Lichtstrahlen andeuten, die durch einen Punkt der Eidophor-Oberfläche hindurchtreten. Wenn diese eben ist, fällt alles Licht auf die Auffangbarren (Bild links). - Wird die Eidophor-Oberfläche deformiert, so werden die Lichtstrahlen abgelenkt, und sie können durch die Lücken des Barrensystems hindurchtreten. In der mittleren Abbildung gelangt alles Licht auf die Leinwand. - Wird der Neigungswinkel der Deformation kleiner gemacht, so fällt nur ein Teil des Lichtes in die Barrenlücken; der zugehörige Bildpunkt erscheint dann weniger hell (Bild rechts). (Nach dem Original.)
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Inhaltsverzeichnis
Einleitung 
Fernsehtechnik 
   Die Idee der Fernseh-Grossprojektion 
Vorläufer zum Eidophor-Verfahren 
   Schmidt-Projektor 
   Zwischenfilmverfahren 
   Glühlampenwand 
   Skyatron 
   Scophony-Verfahren 
Das Eidophor-Verfahren 
   Grundideen 
   Erster Versuch zur Verwirklichung 
Zweiter Prototyp 
   Funktion des optischen Systems 
   Entstehung des Eidophor-Reliefs 
   Steuerung des Elektronenstrahles 
   Die Eidophor-Flüssigkeit 
   Die Elektronenkanone 
Versuchsresultate 
   Optisches System 
   Eidophor 
Dritter Prototyp 
   Funktionsprinzip 
   Bau und Erfahrungen 
Zusammenarbeit mit der Industrie 
   Einführung der farbigen Bildwiedergabe 
   Das Sequenzverfahren 
   Das Simultanverfahren 
Der Kleinprojektor 
   Eigenschaften des Kleinprojektors 
Schlusswort 
Literaturzusammenstellung 
 
Das Eidophor-Verfahren
Grundideen
Um die Anwendung des eben erwähnten Prinzips erfolgreich zu gestalten, war es vor allem nötig, die Anlage so aufzubauen, dass das ganze Bild gleichzeitig von der Projektionslampe durchstrahlt werden konnte, damit es möglich wird, den ganzen Lichtstrom der Projektionslampe für die Bilderzeugung dauernd auszunutzen. Die Grundidee, um diese Aufgabe zu lösen, besteht nach Prof. FISCHER in folgendem (vgl. Abb. 1): An Stelle einer Ultraschallzelle wird eine auf einem Glasträger ausgebreitete dünne Ölschicht verwendet. Auf diese Ölschicht werden durch Beschiessen mit Elektronen freie elektrische Ladungen aufgebracht. Diese Ladung übt elektrostatische Kräfte aus, welche die Oberfläche der Ölschicht deformieren. Diese Oberflächendeformationen können in einem schlierenoptischen System sichtbar gemacht werden. Durch eine passende Intensitäts- und Lagesteuerung eines Elektronenstrahles kann jede gewünschte Art von Oberflächenverformung erzeugt werden. Damit gelingt es auch, die für die Projektion eines Fernsehbildes taugliche Form des Reliefs zu erhalten. Die Ölschicht wurde vom Erfinder Eidophor (Bildträger) genannt. Dieser Name wird heute für die Bezeichnung des gesamten Projektionsverfahrens verwendet.
Das Eidophor-Verfahren gestattet also, die Intensität des Lichtstromes einer Projektionslampe punktweise mit elektronischen Mitteln zu steuern. Die Ausnutzung des Lichtes der Lampe kann dabei grundsätzlich gleich gut gemacht werden wie bei einer gewöhnlichen Kinoprojektion. Das Eidophor-Relief übernimmt die Rolle des Filmes. Es wird im Takte mit dem Fernsehsignal laufend erneuert. Die an einem Punkt eingeprägte Deformation verschwindet mit einer einstellbaren Trägheit, da die Eidophor-Flüssigkeit leitend gemacht wird und die elektrischen Ladungen abfliessen können.
Das System hat also Speichereigenschaften. Die Bildpunkte leuchten nicht nur während der sehr kurzen Zeit auf, die der Kathodenstrahl zur Verfügung hat, um die zugehörige Ladung aufzubringen, sondern so lange, wie die Deformation der Eidophor-Oberfläche dauert. Die Leuchtzeit wird der Bildsequenz möglichst gut angepasst, sie dauert also etwa eine fünfundzwanzigstel Sekunde. In dieser Bildspeicherung liegt die fundamentale Überlegenheit, die das Eidophor-Verfahren gegenüber vielen andern Vorschlägen hat, begründet.  Damit ist theoretisch wenigstens der Weg offen, ein Gross-Fernsehbild zu erzeugen, das sich in der Helligkeit mit jedem Kinobild messen kann.

Die Eidophor-Flüssigkeit
Die Anforderungen, die an die Eigenschaften der Eidophor-Flüssigkeit zu stellen sind, haben wir schon früher erwähnt. Sie muss eine genau vorgeschriebene Viskosität und elektrische Leitfähigkeit aufweisen. Davon hängt die Genauigkeit ab, mit der das Zeitprogramm für den Aufbau und den Abbau der Reliefbilder auf dem Eidophor durchgeführt werden kann, eine Forderung, die mit dem Lichtwirkungsgrad aufs engste zusammenhängt. Die für ein Bild zur Verfügung stehende Zeit von einer fünfundzwanzigstel Sekunde muss möglichst voll ausgenutzt werden. Der volle Lichtstrom der Bogenlampe soll während dieser Zeit richtig gesteuert auf den Bildschirm fallen. Da die beiden Eigenschaften stark von der Temperatur abhängig sind, ist es unumgänglich, während des Betriebes die Temperatur der Eidophor-Flüssigkeit mit einem Thermostaten konstant zu halten. Sobald der Eidophor-Träger aus dem Bildfeld heraustritt, kommt er mit einem Kühlsystem in Berührung, das ungefähr die Hälfte der kreisförmigen Platte des Eidophor-Trägers überdeckt.
Daneben ist eine Reihe weiterer Bedingungen zu erfüllen. Der Dampfdruck muss klein sein, da das System im Vakuum arbeitet. Wie früher erwähnt, erzeugen die mit grosser Geschwindigkeit aufprallenden Elektronen (etwa 20 kV) chemische Veränderungen in der Eidophor-Flüssigkeit. Eine nähere Beobachtung der Vorgänge zeigte hauptsächlich zwei Erscheinungen: Das Öl kann unter der Einwirkung der Elektronen polymerisieren; es kann zur Wachsbildung kommen (vgl. Abb. 5). Sind einmal Polymerisationskeime entstanden, dann wächst diese Störung rasch. Andererseits können unter dem Einfluss des Elektronenbombardements Moleküle zerstört werden. Es entstehen dabei leichtere Teile, die den Dampfdruck herabsetzen. Beide Störungen sind für den Betrieb des Projektors unerwünscht. Die Polymerisation macht den Gebrauch der Eidophor-Flüssigkeit geradezu unmöglich. Die Zerstörung der Eidophor-Substanz gibt Anlass zu anderen Schwierigkeiten.
Eidophor-Schema
Abb. 1 Eine der ersten Entwurfsskizzen für das Eidophor-Verfahren. - Das Vakuumgefäss, das die Elektronenkanone und die Eidophor-Flüssigkeit enthält, sollte aus Glas gefertigt werden. - Blende und Gegenblende der Schlierenoptik haben hier noch kreisförmige Gestalt.

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