1 2 3 1 2 3 Neujahrsblatt der Naturforschenden Gesellschaft in Zürich auf das Jahr 2007, 209. Stück
Format 15.6 x 22 cm, 148 Seiten und 198 Abbildungen. Ausgegeben am 31. Dezember 2006; ISSN 0379-1327.

Mikroskopisch klein, aber doch sichtbar!
Ein Feldführer für Mikroorganismen
Reinhard Bachofen, Helmut Brandl und Ferdinand Schanz

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Umschlagsbild
Mikroskopisch klein, aber doch sichtbar!
Ein Feldführer für Mikroorganismen
Reinhard Bachofen
Helmut Brandl
Ferdinand Schanz

 

 



1: Geschichtete Mikrobenmatte in einem Sumpfgebiet (Val Piora, TI)
2: Die Fadenalge Zygnema in einem Dorfbrunnen (Zuoz, GR)
3: Kolonien von Mikroorganismen auf einem Nährboden
4: Cysten der Schneealge Chlamydomonas (Val Cadlimo, TI)
5: Mikroorganismen im Innern von Steinen sichtbar als grünes Band (Zuoz, GR)
6: Rote Mikroorganismen (Chlamydomonas) in einem Schneefeld (Val Cadlimo, TI)

Sponsoren
Unser besonderer Dank gebührt der «Jubiläumsstiftung der Credit Suisse»,
Jubiläums Stiftung der CS
«der Hydrobiologie-Limnologie-Stiftung für Gewässerforschung»,
Hydrobiologie-Limnologie Stiftung
«dem Zürcher Universitätsverein» 
Zürcher Universitätsverein
und der
Werbeagentur Brandl & Schärer AG (Olten), 
Werbeagentur Brandl & Schärer
welche das Projekt unterstützt haben. 
(Logos und Links vom 6.Jan.2007)
 
 

VORWORT
Mikroorganismen sind überall
Mikroorganismen sind überall, sie besiedeln Gewässer, Meere, Seen und Flüsse, den Boden bis in grosse Tiefen, wie auch Pflanzen und Tiere und kommen zudem in der Luft vor. Die Anwesenheit von Mikroorganismen entscheidet, ob Leben höherer Organismen überhaupt möglich ist. Sie sind für die wesentlichen Prozesse in der Natur verantwortlich, sowohl im Aufbau- wie im Abbaustoffwechsel aller Elemente und tragen auch wesentlich zur Sauerstoffatmosphäre der Erde bei.

Die meisten Mikroorganismen sind sehr klein; die Einzelzellen können nur mit guten optischen Hilfsmitteln (z. B. mit einem Mikroskop) sichtbar gemacht werden. Die Summe aller Mikroorganismen ergibt jedoch eine ähnlich grosse Biomasse wie die gesamte Pflanzenwelt. Trotz der grossen Bedeutung kennt man erst einen Bruchteil aller Mikroorganismen. Zum Studium sowie der Charakterisierung einzelner Arten sind besondere, teilweise sehr aufwändige Methoden nötig, die ausschliesslich in gut ausgerüsteten Laboratorien verfügbar sind. Viele Mikroorganismen konnten bisher nicht kultiviert werden, da die Wachstumsbedingungen am natürlichen Standort nicht genügend genau erfassbar waren oder unter Kulturbedingungen nicht nachgeahmt werden konnten. Wenn sich unter standardisierten Kultur-Bedingungen aus einer Probe eines natürlichen Ökosystems einzelne Arten entwickeln, sind diese selten ein Spiegelbild des gesamten Ökosystems.
Mit diesem Feldführer soll versucht werden, dem Leser die Augen für mikrobiologische Phänomene zu öffnen, die ohne Hilfsmittel im täglichen Leben beobachtet werden können, z. B. lokale Anhäufungen von Mikroorganismen, deren sichtbare Spuren oder Signaturen. Es gibt viele Feldführer, die dem Naturfreund rasch Einblicke in Teile unserer vielfältigen Umgebung geben, zum Beispiel für Blumen, Bäume, Pilze, Vögel, Steine und Mineralien, oder für bestimmte Ökosysteme, wie Alpen, Tümpel oder Meeresküsten.
Hingegen ist es recht schwierig, etwas Ahnliches für die kleinsten Lebewesen, die Mikroorganismen, zu finden, für Bakterien, Pilze und Algen (siehe z. B. DYER, 2003; SHEENAN et al., 2005; STREBLE und KRAUTER, 2002). Dieses Neujahrsblatt soll nicht nur an ausgewählten Beispielen, vor allem aus dem mitteleuropäischen Raum, makroskopische Spuren von Mikroorganismen aufzeigen, sondern auch dazu anregen, über die ökologischen Zusammenhänge nachzudenken.
Der vorliegende Text gliedert sich in einen allgemeinen und einen speziellen Teil. Der allgemeine Teil gibt als Einleitung einige Grundlagen zur Mikrobiobgie und den heute üblichen Methoden in der mikrobiellen Ökologie. Der spezielle Teil illustriert mit bebilderten Fragmenten vielseitige Möglichkeiten zur Beobachtung von Mikroorganismen in unserer Umgebung. Hinweise innerhalb des betreffenden Kapitels und Querverweise zwischen Fragmenten werden mit angedeutet.

INHALT
Allgemeiner Teil

1 Streifzug durch die Mikrobiologie - Was wir als Grundlagen kennen sollten 11
1.1 Was sind Mikroorganismen? 11
1.2 Wann wurden Mikroorganismen entdeckt und erstmals untersucht? 12
1.3 Wieviele Mikroorganismen gibt es überhaupt? 16
1.4 Wie gross ist die Vielfalt unter den Mikroorganismen? 17
1.5 Wie werden Mikroorganismen untersucht? 18
1.6 Wie werden Bakterien charakterisiert und benannt? 20
1.7 Wie wachsen Mikroorganismen und was brauchen sie dazu? 23
1.8 Können sich Mikroorganismen bewegen? 24
2 Evolution und Verwandtschaft auf molekularen Grundlagen 25
2.1 Wie wird die Verwandtschaft und die Evolution von Bakterien ermittelt? 25
2.2 Übersicht über die mikrobielle Evolution 28
2.3 Welche Bedeutung haben molekulare Methoden in der mikrobiellen Ökologie? 28
3 Ausgewählte Gruppen von Mikroorganismen 30
3.1 Domäne der Archaea 30
3.2 Domäne der Eubacteria 31
3.3 Domäne der Eukarya 39
4 Weiterführende Literatur 40
5 Anhang 41
5.1 Taxonomische Kategorien 41
5.2 Molekulare Methoden 41

Spezieller Teil
Feldführer - mit unseren Sinnen erfassbare Spuren und Signaturen von Mikroorganismen in der Umwelt

1 Aquatische Lebensräume und Biofilme als bevorzugte Lebensform von Bakterien - Einleitung 45
1.1 Dorfbrunnen 47
1.2 Algen auf Holz und Steinen in Fliessgewässern 48
1.3 Uferbiofilme - permanente und kurzfristige mikrobielle «Wohngemeinschaften» 49
1.4 Mikroorganismen an der Wasseroberfläche 50
1.5 «Krötenhäute» 52
1.6 Vogelbäder, Weihwasserbecken und Wasserpfützen 53
1.7 Meromiktische Seen 55
2 Luft als Lebensraum 57
2.1 Mikroorganismen in der Luft 57
3 Erde und andere feste Unterlagen - Einleitung 62
3.1 Algen auf und in Böden 64
3.2 Algen auf Pflanzen, besonders auf Baumstämmen 66
3.3 Schleimpilze 68
3.4 Algenbiofilm - härter als Stein? 68
3.5 «Tintenstriche» und «Wüstenlack» 70
3.6 Historische Gebäude und Monumente 72
3.7 Fassaden neuer Gebäude 74
3.8 Nostoc auf Terrassen, Wegen und Gartenplatten 77
4 Wechselwirkungen zwischen Bakterien und Umgebung 78
4.1 Die Tüüfelschile bei Kollbrunn im Bäntal (Kalktuff) 78
4.2 Kalktuffgeröll und Schnegglisande am Rhein 80
4.3 Mikrobenwachstum und Nährstoffe 81
5 Besondere unwirtliche Lebensräume 82
5.1 Schnee und Eis 82
5.2 Im Innern von Steinen (endolithische Organismen) 84
5.3 Heisse Quellen 87
5.4 Salzbakterien 89
6 Mikrobenmatten - Einleitung 91
6.1 Die Mikrobenmatten in fliessendem Wasser mit Cyanobakterien und Diatomeen 93
6.2 Die Mikrobenmatten im Pioratal 94
6.3 Farbstreifen-Sandwatt 99
6.4 Die Winogradsky-Säule, ein Modell für Mikrobenmatten 101
6.5 Bakterienmatten auf Zähnen 103
7 Chemolithotrophe als Stoffwechselspezialisten - Einleitung 105
7.1 Metall-oxidierende Bakterien 106
7.2 Mikroorganismen in Schwefelquellen 108
7.3 Methanbakterien und andere Spezialisten 110
7.4 Die mikrobiologische Brennstoffzelle - Bakterien produzieren Strom 114
8 Bakterien im Haushalt - Einleitung 116
8.1 Mikroorganismen im Käse 117
8.2 Sauerkraut und andere fermentierte Nahrungsmittel 119
8.3 Produkte von Gram-positiven Bakterien 121
8.4 Verdorbene Nahrungsmittel 123
8.5 Leuchtbakterien 125
8.6 Die Entsorgung - Mikroorganismen im Abwasser 127
9 Wechselwirkungen zwischen Bakterien und höheren Organismen - Einleitung 129
9.1 Bakterien als Stickstoffdünger 130
9.2 Teppiche von Cyanobakterien in Reisfeldern 134
9.3 Bakterien als Pflanzenschädlinge 136
9.4 Viren und pflanzliche Nahrungsmittel 139
9.5 Bakterien als Schädlingsbekämpfer bei Pflanzen 140
9.6 Tumorbildung bei Pflanzen 142
9.7 Mikroorganismen auf Weintrauben 143
9.8 Vielfalt der Mikroorganismen im Verdauungstrakt von Mensch und Tieren - sichtbare und unsichtbare Auswirkungen von Mikroorganismen 144
10 Nachwort 148
11 Verdankungen 148

NACHWORT
Es fragt der Onkel seine Nichte, ob sie eigentlich wisse, was Bakterien sind. Worauf die Nichte antwortet: «Das sind doch so kleine Tierchen, die krank machen!» Diese kleine Anekdote beschreibt treffend das sehr einseitige Allgemeinwissen über Mikroben. Zwar gibt es einige «bad guys», womit Erreger von Krankheiten des Menschen gemeint sind; die überwiegende Mehrheit der Mikroorganismen gehört aber zu den «good guys», sind irgendwie für den Menschen nützlich oder haben gänzlich andere Funktionen, ... und denen ist dieses Buch gewidmet! Wir hoffen, mit diesem Feldführer einem interessierten Laienpublikum - aber auch Fachleuten - die Augen für die vielfältige Welt der meist unsichtbaren Kleinstlebewesen ein wenig geöffnet und diese sichtbar gemacht zu haben. Es war uns ein besonderes Anliegen, an ausgewählten Beispielen aus unserer unmittelbaren Umgebung die Bedeutung der allgegenwärtigen Mikroorganismen hervorzuheben und zu illustrieren.


Als Beispiel wird das Kapitel "Dorfbrunnen" gezeigt.
1.1 Dorfbrunnen


Zygnema sp.

Oft muss man gar nicht weit gehen, um Algenteppiche zu finden. Häufig tritt im Frühling in ruhigen Gewässern, wie zum Beispiel in einem Dorfbrunnen oder in einem klaren Gartenteich, die Stern- oder Fadenalge 
Zygnema als grosse, hellgrüne, freischwebende, „wattenartige” Flocken und Knäuel auf (Abb. 1.1.1).

Diese Flocken sind schleimige Massenansammlungen von unverzweigten Algenfäden mit mehreren Tausend zylindrischen Zellen mit einem Durchmesser von ungefähr 20 µm (Abb.1.1.2). Jede Zelle enthält zwei „morgenstern-artige” Chloroplasten. Durch diese Morphologie besitzt der Chloroplast eine grosse spezifische Oberfläche. Zwischen den beiden Chloroplasten befindet sich der Zellkern (Abb. 1.1.2).

Durch Photosynthese entstandene Sauerstoffbläschen, welche sich in der Schleimhülle verfangen haben, gewährleisten den Auftrieb der Algenfäden. Einem Tag-Nacht-Rhythmus folgend verläuft das Längenwachstum und die Zellteilung: Kernteilungen finden in der Nacht statt, während das Längenwachstum der Zellen und des Fadens während des Tages abläuft. Zygnema braucht viel Licht und kommt bevorzugt in klaren, nährstoffarmen Gewässern vor.
 
 
 
 
 
 
 
 

Abb. 1.1.2. Zygnema in 400facher Vergrösserung (oben). Die Autofluoreszenz des Chlorophylls lässt die Chloroplasten rot erscheinen (unten).

 
 

Weiterführende Literatur
Kleeberg, A. 2004. Vorkommen, Besonderheiten und ökologische Bedeutung von Grünalgen (Chlorophyta, Zygnemataceae) in sauren Seen. Aktuelle Reihe der BTU Cottbus 3/2004, 81-99.
Schmidle, W. 1895. Beiträge zur alpinen Algenflora. Plant Systematics and Evolution 45, 249-253.
 
 

Nachwort des Webmasters:
Die einzelnen Kapitel sind sehr knapp verfasst. Die Autoren geben jeweils weiterführende Literatur an. Daher fehlt das Literaturverzeichnis nur scheinbar.