Vorläufige Ausgabe
Bericht
über die
Verhandlungen
der
Naturforschenden Gesellschaft in Zürich
vom Ende Aprils 1831 bis Ende März 1832
von
dem Actuar der Gesellschaft
Dr. med. Locher-Balber.

Auf Anordnung der Gesellschaft für ihre Mitglieder gedruckt.
Zürich, 1832.
106 Seiten

Kurzfassung: Inhaltsverzeichnis und die Seiten 78-83
Die Hälfte nehmen die Nekrologe in Anspruch

Inhalt (nicht Teil der Verhandlungen)
Nachruf auf Paul Usteri- Schulthess 1768-1831 1-54
   Dr. med.,  Journalist,  Botaniker, Politiker, Staatsrat, Verfasser der ersten SNG-Statuten, Bürgermeister von Zürich etc.
Nachruf auf Jakob Pestalutz 1746-Okt. 1831 54-61
  Hans Jakob Pestalozzi-Lochmann, Quästor-Einnehmer 1814-1826, 
1785 Zwölfer, 1788 Ratsherr, 1815-1830 Staatsrat. 
Mathematik, Physik, Instrumente
Nachruf auf Dr. med. Jak. Locher 61-62
Mutationen 62-63
  Beitritt von: Herr Georg Oeri, Mechanikus, Carl Rudolf Sprüngli, Chemiker und Ferdinand Keller VDM.(theol.)
Wahlen 62
Sammlungen 64
Schenkungen 66
Zoologische Sammlung 67
Vorträge 70
Physik 72
Horner, Jak. Verwitterung, Ebbe und Flut 74
Horner, Jak. Nebel 75
Escher Nordlichter 76
Horner, Jak. Abendlicht 78
Chemie 79
Finsler Fälschungssichere Tinte und Urkundenpapier 79
Mineralogie und Geognosie 80
Escher, Arnold vdL. Vulkanismus in Süditalien 80
Botanik 84
Heer VDM (Pfarrer) roter Schnee Protococcus nivalis Agardh
(mit einem Rückfall in Urzeugung und Panspermie.)
85
Heer  Blütenfarben
in Abhängigkeit der Höhe (montan, subalpin, alpin) und Jahreszeit
86
Zoologie 87
Schinz, Hch. Rud. Schwimmvögel (Pinguine etc.) 87
Schinz & Hegetschweiler Obstschädlinge 88
Pestalutz-Römer Seidenraupe 90
Medizin 91
Köchlin 
Berichte der Zürcher Ärzte
epidemische Krankheiten
Maser, Keuchhusten, Scharlach, Röteln, Friesel, Ohrdrüsenentzündung, Menschenpocken dank Impfung einigermassen im Griff.
Rheuma steigend
92
Horner & Rengger Gebrauch der Thermalquellen 93
Vorschläge zu: Vorrichtung zum Kühlen von zu heissem Thermalwasser; Studium des Aufwuchses in den Holztücheln der Zuleitung zum Bad.
Erd- und Reisebeschreibung 94
Meyer,Leutpriester
Reisewerke Freycinet und Du Perrey
Menschen-"Rassen" in Hinterasien und der Südsee, Bora Bora, Neuseeland und die Kokospalme 94
Biographie Th. Young 1773 - 1829 98
Horner Mensch und Maschine (Soziologie) 99
Locher-Balber Schlusswort 102
Literaturverzeichnis zum Nachruf Usteri
z.B. Eröffnungsrede der SNG-Jahresversammlung 1817 in Zürich
(SNG = SANW = ScNat)
105

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78
… Wegen der gleichzeitig mit den Nordlichtern beobachteten Störungen der Magnetnadel glaubte man der Magnetismus sey mit im Spiele. Allein außer allem Zweifel ist dieß keineswegs. Die ausnehmende Feinheit und Leichtigkeit des Dunstes macht, daß er von dem leisesten Lufthauche in Bewegung gesetzt wird, dieß hat auf die Reflexion der Sonnenstrahlen Einfluß und verursacht die Bewegung.
Als Hauptmangel dieser neuen Theorie wurde angesehn, daß jene dunstförmige Masse in der Atmosphäre physikalisch noch nirgends nachgewiesen sey, außerdem seyen manche der gegebenen Erklärungen gezwungen und lassen noch Vieles im Dunkel. Die elektrische Natur des Nordlichtes erscheine immer noch als das Wahrscheinlichste.
Hr. Hofrath Horner hatte von den im August vorigen Jahrs bey uns wiederhohlt eingetretenen, außerordentlich hellen Abendbeleuchtungen Gelegenheit genommen, mehrere Nachrichten von andern Orten her, Berlin, Petersburg, Madrid, Rom, über dieß, dort ebenfalls beobachtete Lichtphänomen zusammen zu stellen. Es war eine auffallend lange Dauer der Abendhelle oder vielmehr eine Wiederkehr der Tageshelle bemerkbar, die Röthe des Westhimmels war außerordentlich, im Süden heller roth, im Norden purpurroth, die untergehende Sonne hatte an den einen Orten eine grüne, an andern eine violette Farbe gehabt. Für die Meteorologie ist die Erscheinung neu, ihre Ursache noch zweifelhaft. Vielleicht ist sie magnetischer Natur, oder sie steht mit der hygrometrischen Beschaffenheit der Atmosphäre in Zusammenhang. Jahrgänge, wo es viele Regengüsse gibt, Donnerwetter mit Sonnenschein abwechseln, wie es im letzten der Fall war, seyen durch glühende Abendröthen ausgezeichnet; doch wären, was bemerkenswerth ist, ebenfalls auch ausgezeichnet viele Nordlichter in diesem Jahre beobachtet worden.

Chemie.
Hr. Doct. Finsler las die Uebersetzung eines interessanten Berichtes an die französische Akademie über die Mittel, Verfälschung von Acten oder auch nur Auslöschung der Schrift auf gestempeltem Papiere zu verhüthen, oder letztres, wann es geschehen, zu erkennen, und so den Verkauf solch gebleichten Papiers anstatt neuem zum Nachtheile der Regierung, zu verhindern. Die zu diesem Zwecke vorgeschlagenen Mittel sind theils unauslöschliche Tinte, theils sogenanntes Sicherheitspapier. Mannigfaltig waren besonders seit dem Ende des vorigen Jahrhunderts, als die Kunst Schriften zu verfälschen raffinirt wurde, die Vorschläge, um der gewöhnlichen Tinte durch gewisse Zusätze, z. B. Lampenschwarz, fein zertheilte Kohle, Indigo, Braunstein, Kopal u. s. w. Unzerstörbarkeit zu geben. Doch die Vortheile waren nicht bedeutend: diese Tinten widerstanden doch nicht allen Reagentien, und hatten überdieß für Papier und Federn wieder besondre Unbequemlichkeiten. Nach zahlreichen Versuchen fand die mit der Untersuchung beauftragte Commission, daß die chinesische Tusche vor allen den Vorzug habe. Eine unauslöschliche Tinte flüssig vorräthig und zum Verkauf zu halten, ist überhaupt weniger zweckmäßig, weil der Farbstoff sich zu Boden setzt. Die Composition der chinesischen Tusche ist nicht bekannt, und die in Europa verfertigte steht ihr nach, ist aber immer noch brauchbar. Unzerstörbar durch Reagentien ist sie, dringt aber nicht in die Fasern des Papiers ein. Ein Zusatz von Essig oder von Salzsaure macht die Fibern anschwellen, die Kohlentheilchen dringen nun leichter ein, jene ziehen sich bei Verdunstung der Säure wieder zusammen und schließen diese ein. Ist die Tinte gestanden, so muß sie vor dem Gebrauche umgerührt werden. Die Sicherheitspapiere sind Papiere mit verschiedenen, mehr oder weniger geheimen Erkennungszeichen. Vorgeschlagen wurde Bedrückung des Papiers mit feinen, schwer und nur mit bedeutenden Kosten nachzuahmenden Zeichnungen, welche bey Versuchen die Schrift auszulöschen ebenfalls zerstört werden, Färbung des Papiers, Beymischung gefärbter wollener Faden in das Papier hinein, Anbringung des Datums im Papier. Farbstoffe können zufälliger Weise Veränderungen erleiden, und daher der Entscheid schwierig werden. Zu verwerfen sind solche Papiere für gewöhnliche Tinte keineswegs, allein als Verhütungsmittel der Verfälschung stehen sie der unzerstörbaren Tinte nach

Mineralogie und Geognosie
Von dem merkwürdigen Phänomene, welches im verflossenen Jahre Statt hatte, die Bildung eines neuen Vulkanes in der Nähe von Sicilien, erhielt die Gesellschaft durch eines unserer Mitglieder, Hrn. Arnold Escher von der Linth, welcher bereits seit längrer Zeit, einzig mit geognostischen Untersuchungen beschäftigt, in Sicilien sich aufgehalten, und sich in die Nähe des Vulkans begeben hatte, Nachricht. In Sciacca an der Südküste Siciliens schifften die Reisenden sich ein. Die Entfernung betrug 30 italienische Miglien, die dem Vulkan entsteigende Rauchsäule war bereits hier sichtbar, und die Küste mit kleinen, seiten faustgroßen, blasigen, schlackenartigen Stücken dicht bedeckt, an andern Stellen fand man sie dicht auf dem Meere schwimmend. Am 13. Juli war die erste Nachricht von dem Ausbruche nach Sicilien gekommen, am 22. ging Hr. E. unter Segel, am 23. kam er der Insel auf drei Miglien nahe. Der Umfang wurde auf 2000 bis 3000' (' = Fuss), der Durchmesser auf 600', die größte Höhe auf 60' geschätzt. Das Ganze both die größte Aehnlichkeit mit dem Aschenkegel des Aetna dar. Erhaben, majestätisch war der Eindruck, den die Ausbrüche hervor brachten; gewaltige Massen schwarzer Asche stiegen wohl bis 600 'empor, über 2000' erhob sich die Rauchsäule, und beym Herabfallen der glühenden Asche kochten weiße, dichte Dampfmassen in die Höhe. Am 24. konnte das Schiff bis auf eine Viertelstunde sich nähern, ein furchtbarer Ausbruch hielt die Reisenden zurück; gewaltigere Massen wurden emporgeschleudert, zahllose Blitze durchzuckten die Rauchsäulen. Acht Minuten lang währte dieser Ausbruch. Feurige Lava oder sonst irgend ein rother Schein wurde nicht bemerkt. Eine Skizze von dem Eilande machte die Beschreibung anschaulich.
Von hier aus besuchte der Hr. Verf. die nicht entfernt liegende, kleine Insel Pantelaria und gibt einige Notizen darüber. Dieselbe, etwa 30 Miglien im Umfange haltend, verdankt ihre Entstehung ebenfalls vulkanischen Eruptionen. Ihr ganzer Rand besteht aus einer grünen, schieferigen Lava, von da erhebt sich der Boden sanft gegen die Mitte hin, wo er sich ziemlich stark und steiler herabsenkt, und in welcher Vertiefung man zahlreiche Erhebungen antrifft. Das Ganze entspricht somit völlig der Form eines Erhebungskraters eines Vulkans mit seinen Eruptionskratern. Gewaltige Ströme von Obsidian mit Uebergängen in die schiefrige Lava kommen an vielen Stellen vor.
Das von Hrn. Escher beschriebene Phänomen wurde kaum schon so früh und in solcher Nähe von eigentlichen Naturforschern, wie es hier der Fall war, beobachtet, Die gemüthliche, lebendige Schilderung, in welcher der Hörer das Großartige der Scene gleichsam mit empfindet, erhöhten das Interesse der schon in wissenschaftlicher Hinsicht so wichtigen Mittheilung.
Außerdem verdanken wir dem gleichen Hrn. Verfasser eine ausführliche Schilderung der geognostischen Verhältnisse des nordöstlichen und südöstlichen Theiles von Sicilien. Beyde Theile gewähren sehr großes Interesse. Dort findet sich Urgebirg, Uebergangsgebirg, Secundärgebirg mit Versteinerungen und an solchen reiche tertiäre Bildungen, und zu dem thronet hier noch der vulkanische Koloß. Ausführlich beschreibt der Hr. Verf. dann den Aetna, mit dessen Untersuchung er in Begleitung des bekannten Geognosten, Prof. Hofmann längre Zeit zugebracht hatte. Die in der Nahe gelegenen Cyclopischen Inseln 5 bis 6 an der Zahl hatte er ebenfalls besucht. Sie bestehn aus unten dichter, oben blasiger Lava, die Oberfläche mit einer Schichte Creta (blauer und gelber Thon) bedeckt, in welche an vielen Stellen Lavagänge aufsetzen. Die Basis des Aetna ist im Verhältniß zur Höhe sehr groß, wie 10: l, daher die Abhänge sehr sanft. Der interessanteste Punkt des Aetna ist das Val di Bove, ein Thai zwei Stunden lang, anderthalb Stunden breit, alle Wände beynahe senkrechte Felsen aus Lava 1000 bis 5000 ' hoch, nirgends eine Spur von Wasser. Ganz eigenthümlich ist diese Lava, sehr verschieden von der übrigen am Aetna, doch mag die älteste von dieser mit der neusten in jenem Thale die meiste Aehnlichkeit haben. Länger verweilt noch Hr. E. bey der Beschreibung und bey der Theorie vom Val di Bove, vergleicht es mit ähnlichen Erscheinungen im Albaner-Gebirge bey Rom, und kommt zu dem Schlusse, daß dasselbe der alte Erhebungskrater des Aetna sey.
Aus den Beobachtungen seiner Mitreisenden, Prof. Hofmann und Doct. Philippi, theilt Hr. E. interessante Notizen über die Flora des Aetna mit. Am Fuße desselben reift der Pisang im Freyen, der Gipfel reicht über die Schneegränze; die vulkanische Wärme überhaupt, diejenige der Fumarolen, und der dem Krater entsteigende, an den Seiten des Berges sich herabziehende Rauch schmelzt aber den Schnee weg. Die Pflanzengrenze steigt um etwa 1300 Fuß höher als an den Alpen. Die Trockenheit des Bodens hindert höher hinauf die Vegetation ganz.
Im südöstlichen Theile von Sicilien ist es das sogenannte Val di Netto, welches geognostisch das meiste Interesse darbiethet, und in dieser Hinsicht noch wenig bekannt ist. Vulkanische und neptunische Gesteine sind hier auf merkwürdige Weise vermengt. Zu oberst Kalkgebilde, stellenweise bis 1000 Fuß mächtig und in weiter Ausdehnung, mit zahlreichen, ganz unversehrt erhaltenen Conchylien, welche größten Theils den jetzt in den benachbarten Meeren lebenden entsprechen; die untern Schichten enthalten die meisten ausgestorbenen. Diese Formation fällt gegen das Meer zu steil ab, ist mit einer dünnen Schicht Dammerde bedeckt, und gehört wohl der jüngsten Zeit, den sogenannten .Quaternärbildungen an. Eine halbe bis eine Stunde vom Meere erhebt sich mit ähnlichem steilem Abfalle ein zweytes Plateau, mahlerisch durchschnitten von fruchtbaren, üppigen Thälern und Schluchten. Noch merkwürdiger sind im nördlichen Theile dieses Gebildes die mächtigen Basaltmassen, theils eine Menge solcher Hervorragungen, einzelne bis 3000' über Meer sich erhebend, theils einen Höhenzug von 8 Stunden Länge und 2 St. Breite bildend, bald auf der Höhe sichtbar bald nur in den Schluchten, bald fein- bald grobkörnig. Zwischen Basalt und Kalk kommen alle möglichen Lagerungsverhältnisse vor,  …