100. Neujahrsblatt für Kinder und Jugendliche für das Jahr 2010

herausgegeben von der Naturforschenden Gesellschaft in Zürich
 
Goldrute, Sumpfkrebs und andere Katastrophen

Text und Realisation: Susanne Haller-Brem, Zürich
Heute reisen nicht nur Menschen und Waren mit grosser Geschwindigkeit um die Erde. Auch immer mehr fremde Pflanzen und Tiere werden absichtlich oder zufällig in Lebensräume eingeführt, in denen sie vorher nie heimisch waren. Mit Flugzeugen und Schiffen sind natürliche Barrieren wie Wasser, Berge oder Wüsten für sie überwindbar geworden. Da es sehr schwierig ist, vorherzusagen, ob eine Art im neuen Gebiet Probleme verursachen wird oder nicht, müssen eingeschleppte Tiere und Pflanzen genau beobachtet werden.
Pflanzen- und Tierarten, die in einem Gebiet nicht heimisch sind, bezeichnen die Fachleute als Neophyten und Neozoen. Die griechische Vorsilbe „neo" bedeutet neu, „phyton" Pflanze und „zoon" Tier. Mit „neu" ist die Zeit nach 1492 gemeint. Damals entdeckte Christoph Kolumbus Amerika und läutete eine bis anhin unbekannte Mobilität der Menschen ein. Dadurch gelangten auch sehr viele Tiere und Pflanzen in neue Gebiete. So sind Kartoffeln, Tomaten oder Mais Beispiele für Neophyten, welche als Nutzpflanzen absichtlich aus Mittel- und Südamerika nach Europa eingeführt wurden. Meist gelangen die Arten aber zufällig zu uns, etwa als Samen im Vogelfutter, als blinde Passagiere in Transportcontainern oder als Organismen im Ballastwasser von Schiffen.
Wenige Problemarten
Auf Inseln wie Australien, Neuseeland und Hawaii haben eingeschleppte Arten die einheimische Tier- und Pflanzenwelt drastisch verändert. In der Schweiz verhalten sich zum Glück die meisten Neophyten und Neozoen unauffällig. Wenige, sogenannt „invasive" Arten, richten aber auch hier in der Umwelt grossen Schaden an oder können gesundheitliche Probleme verursachen.
    So verdrängen etwa die Spätblühende Goldrute und teilweise auch die Kanadische Goldrute effizient einheimische Lebensgemeinschaften. Die leuchtend gelb blühenden Pflanzen wurden wegen ihrer Schönheit und Pflegeleichtigkeit ab Mitte des 20. Jahrhunderts in vielen Schweizer Gärten gepflanzt. Von dort aus eroberten sie mittels abertausend Flugsamen und einer effizienten Vermehrung via Wurzelausläufer in wenigen Jahrzehnten Strassen- und Waldränder, Bahndämme und machten auch vor Naturschutzgebieten nicht Halt.
    Medienberichte über Goldruten-Ausmerzaktionen oder Hautverbrennungen durch den ursprünglich aus dem Kaukasus stammenden Riesenbärenklau bewirkten, dass invasive Arten auch ausserhalb von Naturschutzkreisen ein Thema wurden.
    In jüngster Zeit machten in der Schweiz vor allem invasive Neophyten wie Ambrosia (auch Beifuss-blättriges Traubenkraut genannt) und der japanische Knöterich Schlagzeilen. Die Pollen von Ambrosia können beim Menschen schwere Allergien der Atemwege auslösen, während der Japanknöterich und verwandte asiatische Knötericharten vor allem entlang von Flüssen und Strassen grosse Schäden verursachen.
Reynoutria japonica, Staudenknöterich, Japanknöterich
Der Japanknöterich verbreitet sich sowohl über Teile des Stängels als auch über Wurzelausläufer. Die Pflanze kann Mauerwerk durchwachsen und sprengen. Mit Schneiden oder Ausgraben lassen sich die Bestände kaum bekämpfen. Pflanzen oder auch Teile davon dürfen keinesfalls kompostiert werden, sondern müssen in der Kehrichtverbrennung entsorgt werden. Chemische Mittel zur Bekämpfung sind entlang von Gewässern nicht erlaubt. (Bild: AWEL, Sektion Biosicherheit)

Gebietsfremde Tierarten werden in der Schweiz oft als Liebhaber-Objekte eingeführt und konnten irgendwann aus Käfigen und Gehegen entweichen und sich in der Natur etablieren (so zum Beispiel die Rostgans, welche ursprünglich aus Innerasien stammt). Kleinere Neozoen wie Insekten gelangen meist zufällig als blinde Passagiere an Pflanzen oder mit Warentransporten zu uns. Leider werden auch immer noch Fische und Reptilien ausgesetzt, wenn sie für das Aquarium resp. Terrarium zu gross oder einfach nur lästig geworden sind. Solche illegale Entsorgungen können für ökosysteme verheerende Folgen haben. In der Schweiz gelten beispielsweise Rostgänse, amerikanische Grauhörnchen, drei amerikanische Krebsarten und asiatische Marienkäfer als invasive Neozoen.
    Gemäss der revidierten Freisetzungsverordnung des Bundes dürfen seit Oktober 2008 elf invasive Pflanzen- und drei Tierarten nicht mehr in die Schweiz eingeführt, resp. hier gehalten, verkauft oder freigesetzt werden (z. B. Japanknöterich, Ambrosia und der asiatische Marienkäfer). Für alle anderen gebietsfremden Arten gilt die verschärfte Sorgfaltspflicht, das heisst beim Umgang mit ihnen dürfen weder Mensch, Tier noch Umwelt geschädigt werden.
Quellen und weiterführende Literatur:
www.bafu.admin.ch/artenvielfalt/01027/01028/
www.bafu.admin.ch/artenvielfalt/01 027/01029/

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