Bericht
über die
Verhandlungen
der
Naturforschenden Gesellschaft in Zürich
vom Ende Aprils 1829 bis Ende Aprils 1830
von
dem Actuar der Gesellschaft
Dr. med. Locher-Balber.

Auf Anordnung der Gesellschaft für ihre Mitglieder gedruckt.
Zürich, 1830.
60 Seiten

Inhaltsverzeichnis (zusammengestellt durch Bührer)
Auszug: Seiten 14- 19


Locher Subjektive Empfindung der Zeit 1
Mutationen 5
Bibliothek Finanzen, Zuwachs, Schenkungen 6
Zoologische Sammlung Finanzen, Zuwachs, Schenkungen 9
Instrumente 11
Landwirtschaftliche Sektion  Bericht 12
Verhandlungen 13
Physik 13
Verschiedene Aus dem Jahresbericht der schwedischen Akademie, etc. 14
  Volltext
Hr. Prof. von Escher übernahm die sehr verdienstliche Bemühung, die Gesellschaft mit den wichtigsten, neuesten Entdeckungen in den Naturwissenschaften während der letzten Jahre bekannt zu machen, die Hauptmomente derselben hervor zu heben, und durch kurze Andeutungen und Hinweisungen auf die betreffenden Lehren der Wissenschaft das Wesen und die Bedeutsamkeit jener Entdeckungen ins Licht zu setzen. Er folgt dabey dem, durch den berühmten Schweden, Berzelius, der dortigen Akademie seit einer Reihe von Jahren alljährlich erstatteten, und auch ins Deutsche übersetzten Bericht, denselben auf die angegebene Weise commentirend. Eines Auszugs ist der seiner Natur nach aphoristische Vortrag nicht wohl fähig, nur genannt können die einzelnen Puncte werden. Er beginnt mit der Akustik und zwar mit den von Parry und Forster angestellten Versuchen über die Schnelligkeit des Schalles in niedrigen Temperaturen, geht dann über zur Benutzung der s. g. Tonschwebungen für möglichst scharfe Unterscheidung einzelner Töne und deren von Weber vorgeschlagenen Anwendung zu äußerst feinen Längenmessungen, und Webers Construction einer Zungenpfeife, welche bey ungleicher Kraft des Hineinblasens den Ton nicht ändert, und gedenkt auch noch der Bestätigung der theoretischen Vermuthung Poisson's über den Zusammenhang von Federkraft und Expansivkraft durch Webers akustische Versuche. Aus der Optik erwähnt Hr. von E. Ampères wichtige Arbeit über das polarisirte Licht und Rudbergs Entdeckung der eigenthümlichen doppelten Strahlenbrechung jeder Farbe im Farbenspectrum. Die Anwendung der analytischen Optik für die Construction optischer Instrumente nach Schleyermacher, die Verbesserung der Mikroskope und Teleskope durch Engl. Künstler werden angeführt, und die Erfindung eines Werkzeuges zur Messung des Lichtbrechenden Vermögens der Körper, dessen Theorie und Nutzen auseinander gesetzt. Vorher hatte Hr. Prof. v. Escher aus einem, seither auch in Deutschen Zeitschriften bekannt gewordenen, Briefe des Norwegischen, in Sibiren reisenden Physikers Hansteen interessante Angaben über die Witterung, die Temperatur dieser von wissenschaftlichen und mit den nöthigen Instrumenten versehenen Reisenden so selten besuchten Gegenden, über das Verhalten der Weingeist- und Quecksilber- Thermometer in sehr hohen Kältegraden, und über den jetzt von Hansteen in jenen Gegenden durch Beobachtungen wirklich nachgewiesenen, magnetischen Pol mitgetheilt.
Ein Aufsatz des Hrn. Pfarrer Berthold, welcher in der vorjährigen Versammlung der Schweiz. Naturforschenden Gesellschaft verlesen, und an das General = Sekretariat dieses Vereins eingegangen war, wurde ebenfalls verlesen. Er soll die Vorzüglichkeit der Lage des großen Bernhardsberge und dessen Umgebungen zur Berichtigung der Anomalien in den barometrischen Höhenmessungen darthun, und spricht gegen jene Versammlung lebhaft den Wunsch aus, dieselbe möchte Veranstaltung treffen, daß solche Beobachtungen an diesen Orten angestellt würden.
Die von einem Hrn. Jacot im Kant. Neuenburg gegebene Erklärung der Unbeweglichkeit des Kolbens von Feuerspritzen bey großer Kälte, sogar schon bey - 4° durch Zusammenziehung der Metalle und also Einklemmung des Kolbens im Stiefel und der darauf gegründete Vorschlag, ein halbes Glas Alkohol auf dem Kolben abzubrennen, um das Metall schnell zu erwärmen und so auszudehnen, gab Hrn. Rathsherrn Horner Anlaß, beydes, Erklärung und Mittel, näher zu prüfen. Er zeigt, daß bey metallenen Kolben sowohl Stiefel als Kolben in der Kälte sich gleichmäßig zusammen ziehen, ihre Durchmesser also gegenseitig im Verhältniß bleiben. Bey ledernen Kolben, wie die unsrigen meist sind, drohe jenes Abbrennen dem Leder Beschädigung, während warmes Wasser das Gleiche ohne Gefahr schnell leiste. Hernach wird die Spritze durch das Wasser selbst, welches nie bis auf 0 Grad kalt ist, hinreichend erwärmt. Um das Einfrieren des Kolbens zu verhüthen, sey sorgfältige Reinigung und Austrocknung das beste Mittel. Wenn bisweilen vorgeschlagen wurde, um das Gefrieren des Wassers in den Spritzen zu verhüthen, Salz demselben beyzumischen, so leiste dasselbe, auch in beträchtlicheren Quantitäten, nicht einmahl viel, und überdieß könnte das beym Agiren der Spritzen immer umher spritzende Wasser leicht den Augen, besonders der Rohrführer, Schaden bringen, und diese untüchtig zur Arbeit machen.
Auch dieses Jahr erhielt die Gesellschaft Nachricht von einigen nähern Verhältnissen eines Blitzschlages, welcher im May 1829 den Blitzableiter des Pfarrhauses in Rafz getroffen, durch Hrn. Obrist Breitinger. Zwey Spitzen befanden sich auf dem Hause etwa 16 Fuß von einander entfernt, eine in der Nähe eines Kamins, die andre frey, jene war geschmolzen, diese gekrümmt. Ein in der Nähe gehendes, bedeutend höheres Haus, das aber keinen Blitzableiter, doch eine eiserne Fahnenstange hatte, blieb verschont.
Einem Theile der angewandten Physik, der mathematischen Geographie, angehörend, war die ausführliche Arbeit, in welcher Hr. Rathsherr Horner die Lehre von der geographischen Länge historisch in ihrer Entwickelung und umfassend in ihren mannigfachen Verhältnissen in 2 Vorlesungen darstellte. Die geographische Länge wird ausgedrückt durch den Bogen des Aequators, welcher zwischen dem Meridians irgend einer Stelle der Erdoberfläche und einem andern, als ersten angenommenen Meridiane liegt. Da aber die Natur nirgends einen Nullpunkt für letztem bezeichnet hat, so waren die Annahmen von Alters her sehr mannigfaltig. Der erste Meridian wurde gezogen durch die glücklichen Inseln, die Säulen des Herkules, die Azoren, die Cap Verdischen, die Canarischen Inseln, Greenwich, Paris, Pic de Teyde, Ferro u. a. m. Am geeignetesten dazu ist immerhin ein Punct, dessen Lage im Verlauf der Zeit keine Veränderung erleidet, sich also stets wieder auffinden und bestimmen läßt, z B. eine Bergspitze. Die Bestimmung könnte entweder geschehen durch unmittelbare Messung, oder da dieß kaum ausführbar ist, durch Beobachtung der Zeit, welche ein Gestirn, z. B. die Sonne, verwendet, um von einem östlichern Meridian zum westlichern überzugehen. Um bey sehr entlegenen Oertern diese Vergleichung machen zu können, muß man durch eine genaue tragbare Uhr die Zeit des einen Ortes zu dem andem übertragen.
In Ermangelung einer solchen dient dazu eben so gut ein an beyden Stationen zu beobachtendes, gleichzeitiges Phänomen. So wird z. B. die Verdunkelung eines Mondfleckens, der in den Schatten der Erde triftet, von zwey Beobachtern, deren einer in China, der andere in Amerika sich befindet, im nähmlichen Momente wahrgenommen; allein die Tagszeit des erstern ist dannzumahl weit mehr vorgerückt, als die des letztem, er wird Abend haben, während deß der andere Morgen hat. Der Unterschied dieser Tagszeiten, genau in Stunden, Minuten und Sekunden ausgedrückt, gibt die Meridiandifferenz. Man hat also zwey Hauptclassen der Längenbestimmung, 1) durch genaue tragbare Uhren, Chronometer, 2) durch Beobachtung gleichzeitiger Phänomene. Zu diesen gehören: die Mondsfinsternisse, Verfinsterungen der Jupiterstrabanten, die Sonnenfinsternisse, die Planetendurchgänge, die Sternbedeckungen, oder anstatt der Conjunction des Monds mit der Sonne oder einem Fixsterne auch diejenige mit andern Puncten der Ekliptik, Mondsculminationen, Mondhöhen, vor allen aber die s. g. Monddistanzen, d. h. Messung des scheinbaren Abstandes des Monds von der Sonne oder einem Fixsterne, welche Methode nun beynahe allgemein besonders zur See eingeführt ist. Allein auch dieselbe konnte erst die wünschbare Genauigkeit gewähren, nachdem man hinreichend genaue Mondstafeln und Winkelmesser erlangt hatte. Jene sind durch die vielfachen Bemühungen der Astronomen zu Stande gekommen, und diese besitzt man im Spiegelsextanten. Wenn diese und andere Methoden für Längenbestimmungen auf der Erdoberfläche und zum Gebrauche der Schiffahrer das Erforderliche leisten, so besitzt dagegen die Astronomie im Gebrauche des Passage-Instrumentes ein Mittel, das Gewünschte, den Meridiandurchgang der Gestirne, mit unübertrefflicher Genauigkeit zu erhalten. Für geringe Entfernungen auf der Erdoberfläche bediente man sich auch bisweilen mit mehr und weniger Vortheil künstlicher Signale: der Kanonenschüsse, des Zerplatzens von Feuerkugeln, des Gaußischen Heliotrops, der Pulversignale. Der Hr. Verf. geht theils in Erklärung der verschiedenen, erwähnten Methoden und der Art, wie daraus die Länge eines Ortes abgeleitet werden kann, theils in Beschreibung der verschiedenen, für die Beobachtung erfundenen Instrumente, ihrer successiven Vervollkommnung, so wie der Art ihres Gebrauches ein, und zeigt die Vorzüge des einen vor dem andern. Das Ganze gewährt mit den, von ihm mündlich beygefügten Erläuterungen eine auch dem Nichtkenner verständliche Darstellung des Gegenstandes.
Chemie 19
Finsler Hr. Doct. Finsler gab eine Darstellung der merkwürdigen gegenseitigen Actionen, welche concentrirte Schwefelsäure und Alkohol auf einander äußern, und der Produkte, welche daraus hervor gehen. Die Elemente des Alkohols, eines Erzeugnisses der weinigen Gährung, sind 12,896 Wasserstoff, 52,650 Kohlenstoff, und 34,454 Sauerstoff. Werden 1 Theil concentrirter Schwefelsäure und 4 Theile Alkohol zusammen gebracht, so verwandelt sich durch die Verwandtschaft der Schwefelsäure zum Wasser und durch Oxydation das Gemisch zum Theil in Weinschwefelsäure, eine Flüssigkeit von öhlartiger Consistenz und ätzendsaurem Geschmacke. Aus einer Mischung von gleichen Theilen Schwefelsäure und Alkohol erhält man durch Destillation den Aether, welcher aus 21,24 Sauerst., 13,85 Wasserst. und 65,05 Kohlenstoff besteht. Eine Mischung von l Theil Alkohol und 4 Schwefelsäure liefert beym Erhitzen öhlerzeugendes Gas (Kohlenwasserstoffgas) und Weinöhl. Jenes besteht aus 14,16 Wasserst. und 85,84 Kohlenstoff, letzteres wahrscheinlich aus 3 Theilen Wasserst. und 4 Theilen Sauerstoff, ist aber noch keineswegs genau untersucht, vielmehr scheinen verschiedene Stoffe mit diesem Nahmen belegt worden zu seyn. Mannigfach sind die aufgestellten Theorien über die Entstehung der genannten Producte, allein keine noch ganz genügend. Hr. Dr. Finsler setzt die vorzüglichsten nach Englischen, Französischen und Deutschen Scheidekünstlern aus einander, führt die charakteristischen Eigenschaften der fraglichen Stoffe an, legt die meisten derselben zur Einsicht vor, und stellt mehrere, jene Eigenschaften ins Licht setzende Versuche an. 19
Irminger Mineralien und Metalle: Uran, Wolfram, Titan, Tantal, Cer und Kobalt 20
Mineralogie und Geognosie 20
Rengger Geologische Terminologie 21
Escher, Arn. Geologie  der blauen Kuppe und des Meisner im Werratal 21
Botanik 22
Wydler Das Blatt als Primärelement des Baus der Pflanzen 23
Zoologie 24
Schinz, Hch. Rud. Der Storch (s. Neujahrsblatt)
Maikäfer Flugjahre
24
Conrado auf Baldenstein Baumweissling als Schädling 26
Schinz  Rückgang der Singvögel, vermutet wird die italienische Vogeljagd als Ursache 27
Schinz  Schädlinge oder Nützlinge 28
Schlecht: Wolf, Hausmarder, Mäuse, Ratten, Hasen im Winter
halbschlecht: Spatzen
indifferent: Fuchs, 
Gut: Vögel, Spitzmäuse, Igel, Maulwurf, Frösche und Eidechsen
Blindschleichen und Nattern sind "ganz unschuldig".
Schinz  Zoogeographie 29
Rengger Verteilung von Säugetieren in Südamerika 30
Landökonomie 31
Sanitätskollegium Pferdezucht im Kanton Zürich
Private oder staatliche Förderung?
32
gemeinnütz.Ges. Knonau Schweinezucht 34
gem. Ges. Knonau Futterbau 35
Medizin 36
Schultheß Stottern
Geschichte, Ursache, 4 verschiedene Behandlungsmethoden
36
Locher-Balber Das Alpdrücken 41
Rüegg zit. Zink 2 Blasen-Würmer 43
Kottmann Branntwein 45
Kottmann Ileus 45
Irminger Bericht der Irrenanstalt 46
Erd- und Reisebeschreibung 46
Hirzel-Escher Schächental- Windgälle - Maderanertal- Eisengruben- Brunnital- Bündnerlücke-Kavreintal- Disentis- Tavetsch - Oberalp- Urseren- Gotthard- Bedretto- Realp- Urseren-Schöllenen 46
Hirzel Klöntal- Oberseetal-Oberschwendi-Trepsenalp-Küpfenstock (fast)- Schwarzenegg- Wäggital 50
Schinz Konstanz-Memmingen-Landsberg-München (Sammlungen) - Augsburg - Ulm - Stuttgart (Sammlungen)
und der Schinz'sche Tauschhandel
51
Schrämli topographische Reliefs
Geschichte, Herstellung, Vervielfältigung mit Kartonabguss (des Gipsabgusses des Lehmoriginals)
52
Technologie irdene Röhren aus Winterthur; Neusilber-Geschirr aus Horgen 54
Biographie 55
Horner W. Herschel 55
Zusammenfassung und Verdankung und Schlusswort 57

Zu den Mittheilungen
Zu den Verhandlungen 1827, 1828, 1829, 1830, 1831f, 1832, 1836, 1838

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