Wildnis vor Zürich
Text und Realisation: Susanne Haller-Brem, Zürich Fotos: Wildnispark Zürich
Nahe der Stadt Zürich darf sich im Wildnispark Zürich die Natur auf rund zwölf Quadratkilometern
ungestört ausbreiten. Dieser Park besteht seit 2009 und umfasst den Sihlwald und den Langenberg,
den ältesten schweizerischen Tierpark. In einer einzigartigen Kombination von Naturwald und
Tieren können die Besucher und Besucherinnen Wildnis hautnah erleben und sich erholen.
Legenden zu den Fotos auf dem Titelblatt:
Tropische Urwälder gelten als Inbegriff gefährdeter Wildnis. Hingegen ist vielen von uns
weniger bewusst, dass lange vorher auch bei uns grosse Naturwaldgebiete verloren gingen.
Denn bis Anfang des 20. Jahrhun-derts lieferten die Wälder lebensnotwendiges Brennholz zum
Kochen und Heizen und Wildbret für jene, die zur Jagd berechtigt waren.
Oben links: Ausblick vom Hochwachtturm aus über den mittleren Sihlwald. Oben rechts: Wildkatze in ihrem Revier auf dem Langenberg. Unten links: Wolf im Langenberg und unten rechts: Totholz im Sihlwald.(Fotos: Wildnispark Zürich) So war beispielsweise der Sihlwald - der seit dem frühen 14. Jahrhundert der Stadt Zürich gehört (obwohl er auf den Gemeindegebieten von Horgen, Oberrieden, Langnau am Albis, Hausen am Albis und Hirzel liegt) - über Jahrhunderte der wichtigste Bau- und Brennholzlieferant der Stadt Zürich. Zu gewissen Zeiten wurde der Wald regelrecht geplündert. In den 1980er Jahren schlug der Stadtforstmeister Andreas Speich als erster vor, den Sihlwald nicht mehr zu nutzen, sondern sich selbst zu überlassen. Wenige Kilometer von Zürich entfernt sollte seiner Meinung nach ein Ort entstehen, wo natürliche Prozesse von der Keimung bis zum Absterben der Bäume ohne menschliche Eingriffe ablaufen können. Erst stiess seine Idee auf Unverständnis, doch schon 1994 fiel der Entscheid, die Waldnutzung einzustellen. Seit 2000 wird der Sihlwald sich selbst überlassen und kann sich nach seinen eigenen Gesetzmässigkeiten zu einem Naturwald entwickeln. Ein wichtiger Bestandteil ist dabei das Totholz, welches vielen Moosen, Pilzen und Kleintieren als Nährboden und Lebensraum dient. Allerdings wird es noch Jahrhunderte dauern, bis der gesamte Sihlwald wieder den ursprünglichen Buchen-Naturwäldern des schweizerischen Mittellandes ähnlich sein wird. Seit 2009 ist der Sihlwald Teilgebiet des Wildnisparks Zürich. Nach mehr als zehn Jahren ohne menschliche Eingriffe ist im Sihlwald bereits
viel Alt- und Totholz entstanden, welches Lebensraum für Insekten, Pilze, Moose, Flechten und Vögel
darstellt. (Fotos: Wildnispark Zürich)
Der Langenberg, das andere Teilgebiet des Wildnisparks Zürich, wurde im 16. Jahrhundert durch die Stadt Zürich erworben, ebenfalls um dringend benötigtes Brennholz zu liefern. 1869 gründete der damalige Stadtforstmeister Carl Anton Ludwig von Orelli einen Wildgarten im Langenberg. Angesichts der überjagten und geplünderten Wälder wollte er der Bevölkerung einen Ort der Erholung schenken, wo sie einheimischen Tieren begegnen konnten. So ist der älteste Tierpark der Schweiz entstanden. Heute werden im Langenberg einheimische und ehemals einheimische Tiere in grosszügigen Anlagen gehalten, und die Besucher und Besucherinnen können sie beinahe wie in der freien Natur erleben. Um die Tiere (oben links ein Luchs, rechts Wölfe) im Langenberg zu beobachten,
braucht es Geduld und man muss sich dem Rhythmus der Natur anpassen. (Fotos: Wildnispark Zürich)
Bis ins Frühmittelalter (ca. 1000 Jahre n. Chr.) war der Wisent - eine europäische Wildrindart - in den Laubmischwäldern der Schweiz heimisch und dürfte auch den Sihlwald bevölkert haben. Anfangs des 20. Jahrhunderts wurden diese grössten Landsäugetiere Europas im Freiland vollständig ausgerottet und überlebten nur in zoologischen Gärten. Aus diesen Beständen konnten nach 1952 in Osteuropa die ersten Herden wieder in die Freiheit entlassen werden. Alle heute lebenden Wisente stammen von nur zwölf in Zoos gehaltenen Tieren ab. Diese schmale Basis im Erbgut ist eine der wesentlichen Gefahren für den langfristigen Erhalt der Art. Im Langenberg werden Wisente seit 1969 gehalten. Diese Tiere brauchen ausgedehnte Laubmischwälder mit Lichtungen und gut entwickeltem Unterwuchs, denn sie fressen bevorzugt Laub, Zweige, Triebe und Rinde von Bäumen und Sträuchern. Gelegentlich schälen sie auch Bäume und bringen sie so zum Absterben. Wisente gestalten den Wald also mit. Teil einer Wisentgruppe im Langenberg beim Ruhen. Wisente sind ausgesprochene
Herdentiere, die aber wegen des Lebens im Wald nur kleine Gruppen bilden. Dieses Bild symbolisiert
gut den Kontrast zwischen dem hektischen Stadtleben und den langsam ablaufenden Prozessen der Natur.
(Foto: Wildnispark Zürich)
Quellen und weiterführende Literatur: www.wildnispark.ch |
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