103. Neujahrsblatt für Kinder und Jugendliche für das Jahr 2013
herausgegeben von der Naturforschenden Gesellschaft in Zürich

 
Hefeteig, Braten
Chemie in der Küche

Text , Fotos und Realisation: Susanne Haller-Brem, Zürich
Chemie ist in unserem Alltag allgegenwärtig, man denke nur an Kunststoffe, Medikamente, Reinigungsmittel, Duft- und Farbstoffe. Auch alles Leben basiert auf chemischen Prozessen. Doch in der breiten Öffentlichkeit wird Chemie häufig erst wahrgenommen, wenn etwas schief läuft und Gift und Gestank in die Umwelt gelangen. Und wer denkt schon beim Kochen an Chemie? Chemie im Essen ist verpönt und gilt als ungesund. Aber wenn zum Beispiel Teig aufgeht oder Fleisch eine schöne braune Kruste erhält, dann ist ganz viel Chemie im Spiel. Ebenso beim Händewaschen und Geschirrspülen. Ein Blick auf stoffliche Veränderungen bei alltäglichen Vorgängen in der Küche.
Chemie ist eine Wissenschaft, die sich mit Stoffen beschäftigt und untersucht, wie diese ineinander umgewandelt werden. Stoffe sind zum Beispiel Salze, MetaIle, Gase und viele andere Substanzen, aus denen unsere Welt und damit auch wir selber bestehen. Die Umwandlungsprozesse von Stoffen nennt man chemische Reaktionen. Sie geschehen überall und jederzeit auf der Erde - im Boden, im Wasser, in der Luft und auch in allen Lebewesen. Manche Reaktionen laufen von alleine ab, andere müssen die Chemiker und Chemikerinnen zuerst in Gang setzen, indem sie beispielsweise eine Mischung erhitzen oder eine weitere Substanz zugeben.
Chemisch hergestellte Stoffe sind nicht etwa eine neue Erfindung. Alle wichtigen Hochkulturen wie etwa die alten Ägypter, Griechen, Römer, die Mayas und lnkas nutzten schon chemische Methoden. Die moderne Chemie als exakte Wissenschaft nahm im 18. Jahrhundert ihren Anfang. Neue chemische Verfahren wurden entwickelt, mit denen viele Verbindungen einfacher, schneller und billiger hergestellt werden konnten. So wurden technische Materialien, Medikamente, Duft- und Farbstoffe auch für die breite Bevölkerung erschwinglich.
Experimentierfeld Küche
Bereits beim blossen Herumstehen von Küchenutensilien lassen sich chemische Reaktionen beobachten. Wird zum Beispiel die Eisenpfanne nach dem Abwaschen nicht sofort mit Öl eingerieben, rostet sie schnell. Rost entsteht durch eine sogenannte Oxidation, das heisst Eisen bildet mit Sauerstoff Eisenoxide. Bedeckt man die Eisenpfanne mit einer dünnen Ölschicht, wirkt diese als Schutzschicht, und Sauerstoff aus der Luft kann nicht ans Eisen gelangen. Reaktionen finden aber auch statt, wenn man Zutaten mischt. Wird zum Beispiel Fleisch in Wein eingelegt, greift die Säure des Weins das Bindegewebe an. Dank dieser alten Konservierungsmethode, Beizen genannt, lassen sich auch zähe Fleischstücke zart machen. Hitze löst ebenfalls chemische Reaktionen aus. Wenn zum Beispiel der Braten im Ofen bräunt oder das Brot eine schöne Kruste erhält, dann laufen ganz viele chemische Reaktionen ab und sorgen für einen verlockenden Duft. Verantwortlich dafür ist die sogenannte Maillard-Reaktion. Namensgeber ist der französische Chemiker Louis Camille Maillard, der diese Bräunungsreaktion 1912 im Laufe seiner Doktorarbeit entdeckte. Hierbei werden Aminosäuren und Zucker unter Hitzeeinwirkung ab etwa 140 Grad Celsius zu neuen Verbindungen umgewandelt. Diese gelbbraunen bis fast schwarz gefärbten Verbindungen spielen eine wichtige Rolle für die Farbe, den Geruch und den Geschmack von Lebensmitteln. Sie finden sich nicht nur in gegrillten Steaks und Brotkrusten, sondern auch in geröstetem Kaffee und in Bier. Maillard-Reaktion
Anders als es der Name suggeriert, handelt es sich bei der Maillard-Reaktion nicht um eine einzelne chemische Reaktion, sondern um eine komplexe Abfolge vieler Reaktionen. Diese laufen sowohl nebeneinander als auch nacheinander ab und führen zu einer Vielzahl von Reaktionsprodukten, von denen viele noch gar nicht identifiziert werden konnten.
Kleine Helfer lockern den Teig
Hefen sind winzig kleine einzellige Pilze, die beispielsweise bei der Herstellung von Brot und Kuchen eine wichtige Rolle spielen. Kommen diese Mikroorganismen in warmer Umgebung mit Zucker in Kontakt, dann wandeln sie diesen in Alkohol und ein Gas, nämlich Kohlendioxid, um. Diesen Vorgang nennt man alkoholische Gärung. Durch das gebildete Kohlendioxid nimmt der Teig an Volumen zu, „er geht auf" und Brote und Kuchen werden „luftig". Der Alkohol verdunstet beim Backen. Statt Hefe wird heute oft Backpulver verwendet. Dieses besteht im Wesentlichen aus Natriumhydrogencarbonat, auch Natron genannt, und einer Säure wie etwa Zitronen- oder Weinsäure. Erst unter Feuchtigkeits- und Wärmeeinwirkung treibt die Säure das Kohlendioxid aus dem Natron aus. Tenside
Sauberkeit, dank Molekülen, die Fett und Wasser verbinden
Fettige Hände und verschmutztes Geschirr lassen sich nicht mit Wasser allein reinigen. Dafür braucht es noch Seife. Das Geheimnis von Waschmitteln und Seifen sind sogenannte Tenside. Diese Substanzen haben zwei verschiedene Molekül-Enden. Das eine Ende verbindet sich gut mit Wasser, das andere gut mit Fetten und Ölen. Tenside funktionieren also als Bindeglied zwischen zwei Substanzen, die sich gegenseitig abstossen und sich nicht miteinander mischen lassen. Mehrere Tenside hüllen mit dem „fettfreundlichen" Molekül-Ende die winzigen Öltropfen ein. Dabei zeigen die „wasserfreundlichen" Enden nach aussen und verbinden sich mit dem Wasser. Auf diese Weise lassen sich Fettspuren entfernen.
Quellen und weiterführende Literatur:
• Chemie mit Globi, Globi-Verlag, 2011, ISBN 978-3-85703-007-9
• Experimente rund ums Kochen, Braten, Backen, von Georg Schwedt, Wiley-VCH, 2010, ISBN 978- 3-527-32790-4

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